VwGH 96/09/0309

VwGH96/09/030915.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerden des A, vertreten durch Dr. H. Lehofer, Rechtsanwalt in Graz, Kalchberggasse 8, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark jeweils vom 18. Juli 1996, Zlen. UVS 303.13-16 und 17/96-35 (protokolliert zur hg. Zl. 96/09/0309) und UVS 303.13-12 und 13/96- 64 (protokolliert zur hg. Zl. 96/09/0310), jeweils betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §19 Abs3;
AVG §37;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
RAO 1868 §11 Abs2;
VStG §51e;
VStG §51f Abs2;
VStG §51f;
VStG §51g Abs2;
VStG §51g Abs4;
VStG §51h Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §19 Abs3;
AVG §37;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
RAO 1868 §11 Abs2;
VStG §51e;
VStG §51f Abs2;
VStG §51f;
VStG §51g Abs2;
VStG §51g Abs4;
VStG §51h Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,- (2 x S 4.565,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 26. April 1996 bzw. 23. April 1996 wurde der Beschwerdeführer in zehn bzw. vier Fällen der Übertretungen des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AuslBG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG schuldig erkannt und zu Geldstrafen von zehnmal S 110.000,-- (Beschwerdeverfahren Zl 96/09/0309) bzw. viermal S 60.000,-- (Beschwerdeverfahren zur Zl. 96/09/0310) verurteilt. Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den gegen diese Straferkenntnisse erhobenen Berufungen des Beschwerdeführers jeweils nicht, den Berufungen des Arbeitsmarktservice Steiermark jedoch insoweit Folge, als die Geldstrafen auf zehnmal S 120.000,-- (Beschwerdeverfahren zur hg. Zl. 96/09/0309) bzw. viermal S 100.000,-- (Beschwerdeverfahren zur hg. Zl. 96/09/0310) erhöht wurden. Den Spruch des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 23. April 1996 (Beschwerdeverfahren zur hg. Zl. 96/09/0310) änderte die belangte Behörde hinsichtlich des Tatzeitpunktes auf "20. Oktober 1993" ab.

Die belangte Behörde führte nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges begründend aus, die Fliesenlegerarbeiten bei den in den Straferkenntnissen der ersten Instanz jeweils genannten Baustellen seien an die Firma S GesmbH vergeben worden, der zwischen dieser Firma und dem Generalbauunternehmen geschlossene Vertrag enthalte die Standard-Klausel, daß eine etwaige Subvertragsvergabe seitens der Firma S GesmbH nur mit schriftlicher Zustimmung des Auftraggebers gestattet sei. Eine derartige Bekanntgabe sei jedoch niemals erfolgt. Die Baustelle sei seitens der Firma S GesmbH von S.C. beaufsichtigt worden, der die Baustelle für diese Unternehmung betreut habe. Es seien auch Firmenwagen mit der Aufschrift "S" vor Ort verwendet worden. S.C. habe den auf der Baustelle arbeitenden Fliesenlegern auch fremdsprachliche Anweisungen erteilt. In dem zu hg. Zl. 96/09/0310 angefochtenen Bescheid wurde überdies festgestellt, die Fliesenlegerarbeiten hätten am 20. Oktober 1993 beginnen sollen. Am Tag vorher sei S.C. mit einer Partie von fünf Ausländern auf der Baustelle erschienen, deren Papiere vom Verantwortlichen des Generalbauunternehmers überprüft worden seien. Diese Überprüfung habe keinen Anlaß zur Beanstandung ergeben. Am nächsten Tag anläßlich der Baustellenkontrolle sei jedoch festgestellt worden, daß die verfahrensgegenständlichen Ausländer, die bei der Durchführung der Fliesenlegerarbeiten im Verantwortungsbereich der Firma S GesmbH angetroffen worden seien, mit jenen ausländischen Staatsbürgern vom Vortag nicht ident gewesen seien. Bei den anläßlich der Kontrolle angetroffenen ausländischen Personen seien folgende Unterlagen vorgefunden worden:

Notariatsakt vom 2. April 1991, errichtet vom öffentlichen Notar Dr. W.H. mit dem Inhalt, daß der Ausländer Z.D. seinen Geschäftsanteil an der Stammeinlage in Höhe von S 255.000,-- (51 %) an der D. Gesellschaft mbH lediglich als Treuhänder des C.R. halte und die ihm nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag zukommenden Mitgliedschaftsrechte nur nach den vom Treugeber erhaltenen Weisungen unter Wahrung von dessen Interesse auszuüben habe, ein Einkommensnachweis "für jeden der betretenen Ausländer" vom 6. Oktober 1993 der Firma S GesmbH, worin bestätigt wurde, daß der betreffende Ausländer von der C. GesmbH OEG laut Vereinbarung des Werkvertrages Fliesenlegerarbeiten durchführen werde und ein jährliches Einkommen von 150.000,-- bis 200.000,-- S zu erwarten sei. Weiters bestätige die C. GesmbH OEG, daß der jeweilige Ausländer Betriebsangehöriger und Mitgesellschafter ein Zimmer oder eine Wohnung in der R.-Straße in L. (Firmensitz des Unternehmens des Beschwerdeführers) erhalte. Wenn auf ausländischen Baustellen gearbeitet werde, werde ebenfalls eine Wohnung bzw. Quartier kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Jeder Ausländer habe außerdem eine Versicherungsurkunde vorgewiesen, aus welcher hervorgegangen sei, daß er von der Firma S GesmbH bei der Wiener Allianz Versicherungs-AG ab 1. September 1993 krankenversichert sei. Lediglich mit dem Ausländer Z.D. habe eine Verständigung stattgefunden, dieser habe anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung angegeben, er arbeite seit etwa drei Jahren mit Unterbrechungen für welche die Firma S GesmbH als Fliesenleger und erhalte je Quadratmeter Verfliesungsarbeiten für Boden S 60,-- netto, für Wand S 90,-- netto; er verwende sein eigenes Werkzeug. Das gesamte Material werde von der Firma S zur Verfügung gestellt und zu den jeweiligen Baustellen gebracht. Die Arbeit werde von der Firma S eingeteilt. Die Firma C GesmbH bestehe seines Wissens nur am Papier, ob sie auch über Kapital verfüge, wisse er nicht, er habe keinen Einfluß auf diese Firma, leiste und erhalte keine Zahlungen an bzw. von dieser Firma. Ebenso verhalte es sich mit der D. GesmbH. Zu den gleichen Bedingungen haben auf derselben Baustelle noch drei weitere ausländische Staatsbürger gearbeitet. Ihre beweiswürdigenden Erwägungen faßte die belangte Behörde im wesentlichen dahingehend zusammen, daß in einem Baustellenbereich, der der Firma S GesmbH zugeteilt gewesen sei, zehn bzw. vier einschlägig arbeitende Ausländer angetroffen worden seien und mangels jeglicher für den Beschwerdeführer sprechender Beweisergebnisse erwiesen sei, daß eine Subvertragsvergabe - an welches Unternehmen auch immer - niemals stattgefunden habe. Die von den Ausländern vorgelegten Gesellschaftsverträge hätten - wie schon in den zahlreichen Parallelverfahren - lediglich Scheinbzw. Umgehungscharakter. Es sei daher der Schluß zwingend, daß es sich bei den betretenen Ausländern jeweils um Arbeitnehmer der Firma S GesmbH gehandelt habe, für welche die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Arbeit in Österreich nicht vorgelegen seien. In beiden Verfahren verwies die belangte Behörde auf die von ihr abgehaltenen Berufungsverhandlungen, bei denen der Beschwerdeführer persönlich nicht und sein rechtsanwaltlicher Vertreter jeweils bei der Verkündung nicht anwesend gewesen sei. Sie kam zu dem rechtlichen Ergebnis, der Beschwerdeführer sei dafür verantwortlich, daß die Firma S GesmbH die verfahrensgegenständlichen Ausländer ohne die gesetzlichen Voraussetzungen beschäftigt habe. Sie legte ferner im einzelnen ihre Gründe für die Strafbemessung dar. Während die belangte Behörde im Bescheid zur hg. Zl. 96/09/0310 davon ausging, eine persönliche Befragung des Beschwerdeführers zum Sachverhalt erübrige sich im Hinblick auf die von ihm unbeantwortet gelassenen schriftlichen Fragen der Behörde, ergänzte sie im Bescheid zur hg. Zl. 96/09/0309, der Beschwerdeführer habe sich mit Telefax vom 17. Juli 1996, dem Tag vor der in beiden Verfahren anberaumten mündlichen Verhandlung, unter Beilage einer ärztlichen Bestätigung wegen Krankheit entschuldigt. Die belangte Behörde erachtete jedoch diese Entschuldigung im Hinblick auf die Ergebnisse des Parallelverfahrens (dem zu hg. Zl. 96/09/0310 anhängigen Verfahren) als nicht ausreichend. In diesem Verfahren habe der Beschwerdeführer auch "bis vor einem Monat verschiedene Schriftsätze selbständig eingebracht". Er habe seit Oktober 1995 an zahlreichen Verfahren vor der belangten Behörde persönlich teilgenommen, u.a. auch in Verfahren, die nahezu zeitgleich mit der am 18. April 1996 erfolgten Konkurseröffnung lägen. Der allgemeinen Lebenserfahrung entsprehe, daß man zwar während eines anhängigen Insolvenzverfahrens in gedrückter Stimmung sei, zur Teilnahme an behördlichen Verfahren jedoch durchaus imstande sei. Es sei daher nicht ersichtlich, wieso die im ärztlichen Attest genannten und von der belangten Behörde nicht bezweifelten Symptome den Beschwerdeführer an einer Teilnahme an einer ihm vom Ablauf längst bekannten Verhandlung hätte hindern können, zumal die Textierung des Attestes zur Vermutung Anlaß gebe, daß er am 15. Juli 1996 zum ersten Mal die fachärztliche Beratung eines Neurologen in Anspruch genommen habe, sodaß es zweifelhaft erscheine, daß der Aussteller dieses Attestes über fundierte, den Krankheitsverlauf betreffende psychologische Befunde über seinen Patienten verfüge. Im Hinblick auf die am 26. Juli 1996 eintretende absolute Verjährung liege der Verdacht auf der Hand, daß die Fällung eines Erkenntnisses der belangten Behörde, welches sich inhaltlich mit dem dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Delikt auseinandersetze, habe verhindert werden sollen.

Gegen diese Bescheide richten sich die - über weite Strecken wortgleichen - Beschwerden, mit denen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ("Mangelhaftigkeit des Verfahrens") sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide ("unrichtige rechtliche Beurteilung") geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsstrafverfahren vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerden nach deren Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung infolge ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen:

Der Beschwerdeführer hält die angefochtenen Bescheide u. a. auch deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde die öffentliche mündliche Berufungsverhandlung und die jeweils daran anschließende Verkündung der angefochtenen Bescheide in seiner und seines Rechtsfreundes Abwesenheit durchgeführt habe, obwohl zu Beginn der den Beschwerdefall zu hg. Zl. 96/09/0310 betreffenden Verhandlung am 18. Juli 1996 und damit (erst recht) in der daran anschließenden, den hg. Beschwerdefall zu 96/09/0309 betreffenden Verhandlung vom selben Tag die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses hinsichtlich beider Verfahren "mit sofortiger Wirkung" bekanntgegeben worden und er selbst in beiden Verfahren entschuldigterweise abwesend gewesen sei.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des VStG lauten:

§ 51f (1) ...

(2) Wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dann hindert dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses.

(3) ...

§ 51g (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat die zur Entscheidung der Sache erforderlichen Beweise aufzunehmen.

(2) Außer dem Verhandlungsleiter sind die Parteien und ihre Vertreter, insbesondere der Beschuldigte, im Verfahren vor einer Kammer, auch die übrigen Mitglieder, berechtigt, an jede Person, die vernommen wird, Fragen zu stellen. Der Verhandlungsleiter erteilt ihnen hiezu das Wort. Er kann Fragen, die nicht der Aufklärung des Sachverhaltes dienen, zurückweisen.

(3) Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten oder von Zeugen sowie die Gutachten der Sachverständigen dürfen nur verlesen werden, wenn

1. Die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind, ihr Aufenthalt unbekannt ist oder ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus anderen erheblichen Gründen nicht verlangt werden kann oder

2. die in der mündlichen Verhandlung vernommenen in wesentlichen Punkten von ihren früheren Aussagen abweichen, oder

3. Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein, oder Beschuldigte die Aussage verweigern oder

4. alle anwesenden Parteien zustimmen.

(4) Sonstige Beweismittel, die Augenscheinsaufnahmen, Fotos oder Urkunden, müssen dem Beschuldigten vorgehalten werden. Es ist ihm Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern.

§ 51i Wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, dann ist bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichtes auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 dritter Satz entfallen ist."

Die vorliegenden verbundenen Beschwerdefälle sind dadurch gekennzeichnet, daß der Beschwerdeführer in den in diesen Verfahren abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlungen weder (zur Gänze) vertreten noch anwesend war, weil sein Rechtsfreund vor Eingehen in die Sache anläßlich der (ersten) Verhandlung am 18. Juli 1996, betreffend das der hg. Zl. 96/09/0310 zugrundeliegenden Verfahren, die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses "mit sofortiger Wirkung" bekanntgegeben bzw. in dem der hg. Zl. 96/09/0309 zugrundeliegenden Verfahren gar nicht bevollmächtigt war und der Beschwerdeführer selbst sein Nichterscheinen in beiden Verfahren mit Krankheit entschuldigt hatte.

Gemäß § 51f Abs. 2 VStG hindert es die Fortführung und den Abschluß der Verhandlung sowie die anschließende Verkündung des Erkenntnisses grundsätzlich nicht, wenn sich die erschienene Partei oder deren rechtsfreundlicher Vertreter (gemeint: ohne triftigen Grund im Sinne des § 19 Abs. 3 AVG) aus der Verhandlung entfernt (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seite 1084).

Zutreffend verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf die Bestimmung des § 11 Abs. 2 RAO, wonach der Rechtsanwalt berechtigt ist, seiner Partei die Vertretung zu kündigen, in welchem Fall, sowie in jenem, wenn die Kündigung von der Partei erfolgt, der Rechtsanwalt gehalten ist, diese noch durch 14 Tage, von der Zustellung der Kündigung an gerechnet insoweit zu vertreten als nötig, um die Partei vor Rechtsnachteilen zu schützen. Nach § 11 Abs. 3 RAO entfällt diese Verpflichtung jedoch, wenn die Partei dem Rechtsanwalt das Mandat widerruft. Ein derartiger Widerruf ist jedoch nicht aktenkundig; aus dem Protokoll über die Verhandlung vor der belangten Behörde ergibt sich, daß die Vertreterin des Beschwerdeführers am Beginn der Berufungsverhandlung lediglich bekanntgegeben hat, daß "die Kanzlei Dr. Lehofer die Vollmacht im Verfahren 303.13-12 und 13/96 vor dem UVS zurücklege". Dabei gelte die "Beendigung" des Vollmachtsverhältnisses "ab dem jetztigen Zeitpunkt". In seinem Schreiben vom 4. September 1996 an die belangte Behörde stellte der Beschwerdeführer selbst fest, "die Vollmacht rechtzeitig, schriftlich entzogen" zu haben, weil es keine Einigung über die vereinbarte Honorarnote gegeben habe. Zu welchem genauen Zeitpunkt jedoch diese "Kündigung" des Vollmachtsverhältnisses durch den Beschwerdeführer erfolgt ist, wurde nicht aktenkundig gemacht. Auch in der Beschwerde wird nur darauf verwiesen, daß der bisherigen Vertreter des Beschwerdeführers bei Aufruf der Sache "höflichkeitshalber persönlich" bekanntgegeben habe, daß die Vertretung im gegenständlichen Verfahren nicht mehr aufrecht sei (dies aber "ab dem jetzigen Zeitpunkt"). Auch in diesem Falle hätte daher der in dem der hg. Zl. 96/09/0310 zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren bevollmächtigte Rechtsanwalt trotz Auflösung des Vollmachtsverhältnisses im Sinn des § 11 Abs. 2 RAO an der vor der belangten Behörde durchgeführten Berufungsverhandlung teilnehmen müssen, um den Beschwerdeführer vor etwaigen Rechtsnachteilen zu schützen. In diesem Verfahren ist daher vom Vorliegen einer (notwendigen) rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers auszugehen; die Bestimmung des § 51f Abs. 2 VStG kommt in diesem Verfahren daher voll zum Tragen.

Anders hingegen lag das der hg. Zl. 96/09/0309 zugrundeliegende Verwaltungsstrafverfahren, in dem der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde nicht rechtsanwaltlich vertreten war.

In diesem Verfahren kommt daher auch im prozessualen Sinn dem Umstand erhebliche Bedeutung zu, daß sich der Beschwerdeführer für die Nichtteilnahme an dieser (sowie an der vorausgegangenen Verhandlung am selben Tage) wegen Krankheit entschuldigt hat; die Fortführung der Verhandlung und Verkündung des Erkenntnisses wäre nur gerechtfertigt gewesen, wenn die Abwesenheit des Beschwerdeführers keine gerechtfertigte im Sinne des § 19 Abs. 3 AVG gewesen wäre. Daß nämlich der Beschwerdeführer in beiden Verfahren in mehrfachen schriftlichen Äußerungen seinen Rechtsstandpunkt bzw. die ihm wesentlich erscheinenden Sachverhaltselemente vorgetragen hat, ist aktenkundig. Obliegt ein Beschuldigter seiner Mitwirkungspflicht nicht, so trägt er auch das Risiko einer allenfalls unzureichenden Sachverhaltsgrundlage für die Beweiswürdigung durch die belangte Behörde; dies könnte vom Verwaltungsgerichtshof nicht mehr aufgegriffen werden. Im Falle der rechtswidrigen Durchführung einer Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat in Abwesenheit des Beschuldigten und der darauffolgenden Erlassung eines Straferkenntnisses würden diesem aber seine in § 51g Abs. 2 und 4 VStG normierten Parteienrechte in unzulässiger Weise beschnitten, was insbesondere im Hinblick auf die Bestimmung des § 51i VStG von Entscheidungswesentlichkeit hätte sein können.

Gemäß § 19 Abs. 3 AVG hat der, der nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Das bedeutet, daß das Vorliegen eines der in § 19 Abs. 3 AVG genannten Gründe das Nichterscheinen des Geladenen rechtfertigt. Liegt ein solcher Rechtfertigungsgrund vor, kann in bezug auf die behördliche Ladung nicht mehr von einer "ordnungsgemäßen Ladung", die gemäß § 51f Abs. 2 VStG zur Durchführung der Verhandlung auch in Abwesenheit der Partei und zur darauffolgenden Erlassung des Straferkenntnisses berechtigt, gesprochen werden. Der Beschwerdeführer hat sich am Vortag der abgehaltenen Verhandlungen unter Beifügung eines ärztlichen Attestes entschuldigt, weil er "auf Grund eines schweren Nervenleidens nicht in der Lage" sei, "eine Verhandlung wahrzunehmen". Das beigefügte fachärztliche Attest stammt von einem Facharzt für Neurologie und Psychatrie und lautet:

"Herr S Alfred, geboren am 28.02.1948 war heute (Anmerkung: 15.7.1996) zur Untersuchung bei mir. Bei ihm besteht ein schwerer agitierter Depressionszustand mit Suizidtendenzen. Überwiegend auf Grund der Schließung seiner Firma im Mai.

Vor allem bestehen Schlafstörungen, nächtliche Alpträume, Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen, Fehlhandlungen und starke Affektschwankungen.

Herr S ist wegen der Konzentrationsstörung und der starken Erregung derzeit nicht in der Lage an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen."

Während im zur hg. Zl. 96/09/0310 angefochtenen Bescheid von seiten der belangten Behörde auf diese Entschuldigung und deren Begründung überhaupt nicht eingegangen wird, sie sich vielmehr auf den Standpunkt stellt, die persönliche Vernehmung des Beschwerdeführers sei zur Klärung der Sachlage nicht mehr erforderlich gewesen, vertritt sie demgegenüber in dem zur hg. Zl. 96/09/0309 vorliegenden Beschwerdefall die Ansicht, die Entschuldigung samt dem beigefügten fachärztlichen Attest reiche für die Rechtfertigung der Abwesenheit im Sinn des § 19 Abs. 3 AVG nicht aus. Die oben in diesem Zusammenhang bereits wiedergegebenen Argumente der belangten Behörde vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Ganz davon abgesehen, daß es eine "allgemeine Lebenserfahrung" hinsichtlich der individuellen psychischen und physischen Bewältigung eines anhängigen Insolvenzverfahrens nicht gibt, übersieht die belangte Behörde, daß sich das ärztliche Attest keineswegs ausschließlich auf das anhängige Insolvenzverfahren des Beschwerdeführers bezieht, sondern dies lediglich als "überwiegenden" Grund nennt, wozu wohl die durchaus aktenkundigen weiteren Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer auch zu zählen sein werden. Daß schwere Konzentrationsstörungen und starke Erregbarkeit in der zusätzlich belastenden Situation einer Verhandlung vor einer gerichtsähnlichen Behörde der objektiven Wahrheitsfindung und der Wahrung der Parteienrechte durchaus abträglich sein können, dürfte auf der Hand liegen. Es muß der belangten Behörde auch klar widersprochen werden, wenn sie in Mutmaßungen die fachliche Kompetenz des das Attest ausstellenden Arztes bezweifelt.

Unter dem Gesichtspunkt einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Beschwerdeführer nicht nur die Durchführung der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde in Abwesenheit des (unvertretenen) Beschwerdeführers (betreffend das hg. Verfahren 96/09/0309) sondern auch die Unterlassung seiner Vernehmung zur Sache (in beiden Verfahren). Begründend führt der Beschwerdeführer allerdings - in diesem Punkte wortgleich - lediglich aus, "diese Einvernahmen wären zur Beurteilung des tatsächlichen Sachverhaltes und in der Folge daher der rechtlichen Zuordnung dieser Fakten überaus wesentlich gewesen". Damit zeigt er aber die Relevanz der von ihm behaupteten Verfahrensmängel nicht auf. Da die Mißachtung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen kann, wenn sie bei deren Einhaltung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde die Wesentlichkeit des von ihm behaupteten Verfahrensmangels darzutun. Tut er dies nicht und kann auch der Verwaltungsgerichtshof wie in den vorliegenden Beschwerdefällen nicht finden, daß den von der Beschwerde behaupteten Verfahrensmängeln Wesentlichkeit in dem Sinne zukommt, daß bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, ist sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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