VwGH 96/08/0003

VwGH96/08/00032.7.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der R Gesellschaft m.b.H. in M, vertreten durch Mag.DDr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 21. September 1995, Zl. 42.024/11-7/95, betreffend u.a. einen Antrag auf Feststellung der Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes auf den Ausspruch einer Kündigung (mitbeteiligte Partei: H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

ASGG §2 Abs1;
ASGG §50 Abs1 Z1;
AVG §38;
AVG §66 Abs4;
BEinstG §8;
JN §1;
EMRK Art6;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
ASGG §2 Abs1;
ASGG §50 Abs1 Z1;
AVG §38;
AVG §66 Abs4;
BEinstG §8;
JN §1;
EMRK Art6;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf Feststellung, daß die Kündigung des Mitbeteiligten vom 23. Juli 1993 zum 13. August 1993 keiner Zustimmung durch den Behindertenausschuß bedurft habe, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte gehört aufgrund des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. August 1993 ab dem 7. Juni 1993 dem Kreis der begünstigten Behinderten mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. an.

Am 25. Oktober 1993 beantragte die Beschwerdeführerin beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Feststellung, daß die am 23. Juli 1993 zum 13. August 1993 ausgesprochene Kündigung des Mitbeteiligten keiner Zustimmung durch den Invalidenausschuß des Landesinvalidenamtes für Wien bedurft habe, "in eventu" die nachträgliche Zustimmung zu der am 23. Juli 1993 zum 13. August 1993 ausgesprochenen Kündigung. Sie begründete ihren Antrag damit, daß sie erst am 12. August 1993 über die Begünstigteneigenschaft des Mitbeteiligten informiert worden sei. Der Bescheid, mit dem diese Begünstigung ausgesprochen worden sei, sei der Mitbeteiligten erst am 12. August 1993 zugestellt und daher erst am 26. August 1993 rechtskräftig geworden. Zu diesem Zeitpunkt seien aber die Kündigungsfrist und der Kündigungstermin bereits verstrichen gewesen. Den Eventualantrag auf nachträgliche Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Kündigung begründete die Beschwerdeführerin mit der Notwendigkeit einer Personalreduktion und der ungenauen Arbeitsweise des Mitbeteiligten.

Mit Bescheid des Behindertenausschusses für das Bundesland Niederösterreich beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. März 1994 wurde der Kündigung die nachträgliche Zustimmung nicht erteilt und einer noch auszusprechenden Kündigung nicht zugestimmt. Dieser Bescheid wurde mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 21. Juni 1994 aufgehoben und der erstinstanzlichen Behörde die Entscheidung (auch) über den Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin aufgetragen. Es sei nach der Begründung dieses Bescheides nicht zulässig, (nur) über den Eventualantrag unter Übergehung des Hauptantrages abzusprechen. Dieser müsse zumindest formell erledigt werden.

Mit Bescheid des Behindertenausschusses für das Bundesland Niederösterreich beim Bundessozialamt Wien, NÖ, Bgld. vom 2. November 1994 wurde der Antrag auf Feststellung, daß die Kündigung des Mitbeteiligten vom 23. Juli 1993 zum 13. August 1993 mangels dessen Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten keiner Zustimmung durch den Behindertenausschuß bedurft habe, abgewiesen, der ausgesprochenen Kündigung vom 23. Juli zum 13. August 1993 die nachträgliche Zustimmung versagt und auch einer auszusprechenden Kündigung nicht zugestimmt.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Nach Darstellung des von der Behörde erster Instanz festgestellten Sachverhaltes traf die belangte Behörde ergänzende Sachverhaltsfeststellungen über die Umsatzentwicklung der Beschwerdeführerin und die Arbeitsweise und Leistung des Mitbeteiligten. In rechtlicher Hinsicht erwiderte die belangte Behörde der auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1985, Zl. 85/09/0035 (= Slg. Nr. 11.871/A) gestützten Argumentation der Beschwerdeführerin, daß der Feststellungsbescheid des Landesinvalidenamtes erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses rechtswirksam geworden sei, mit einem Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, insbesondere auf das Urteil vom 21. November 1990, 9 Ob A 244/90, und die Fortführung dieser Rechtsprechung im Urteil vom 14. September 1994, 9 Ob A 114/94, wonach einem begünstigten Behinderten der Schutz des § 8 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz auch dann zukomme, wenn der Bescheid erst nach dem Ablauf der Kündigungsfrist zugegangen sei. Dies wird im angefochtenen Bescheid näher begründet. Der Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin, die Kündigung des Mitbeteiligten vom 23. Juli 1993 zum 13. August 1993 habe mangels Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten keiner Zustimmung des Behindertenausschusses bedurft, sei daher von der Behörde erster Instanz zu Recht abgewiesen worden. Der übrige von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt rechtfertige weder eine nachträgliche Zustimmung zu dieser Kündigung noch eine Zustimmung zu künftigen Kündigungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde. Nach dem Beschwerdepunkt erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem subjektiven Recht verletzt, das Dienstverhältnis zum Kündigungsgegner ohne die sich aus dem BEinstG. ergebenden Beschränkungen kündigen zu können, insbesondere auch im Recht auf Feststellung, daß die Kündigung des Kündigungsgegners mangels Zugehörigkeit zum Kreis der geschützten Behinderten nicht der Zustimmung des Landesinvalidenamtes bedurfte, sohin die Kündigung vom 23. Juli 1993 zum 13. August 1993 rechtmäßig erfolgte und seit diesem Zeitpunkt kein aufrechtes Dienstverhältnis mehr besteht". Nach der Begründung der Beschwerde vertritt die Beschwerdeführerin unter zahlreichen Hinweisen auf die Lehre die Auffassung, daß der zugunsten des Mitbeteiligten ergangene Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. August 1993 vor Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht formell rechtskräftig geworden sei, sondern erst mit Ablauf des 26. August 1993 Rechtsverbindlichkeit erlangt habe, und zwar zu einem Zeitpunkt, als das Dienstverhältnis selbst unter Zugrundelegung der vierwöchigen Kündigungsfrist des § 8 Abs. 1 Behinderteneinstellungsgesetz rechtlich nicht mehr bestanden habe. Im Hinblick auf die "ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis vom 25. September 1985, 84/09/0035)" setze die Verbindlichkeit einer Feststellung im Sinne des § 14 Abs. 2 vorletzter Satz BEinstG voraus, daß der darin Begünstigte noch in einem bestehenden Dienstverhältnis zu seinem Arbeitgeber stehe. Dies ergebe sich unter anderem daraus, daß mit der Feststellung gemäß § 14 Abs. 2 BEinstG als Tatbestandswirkung die Begünstigung eines erhöhten Bestandsschutzes verbunden sei, dieser aber auch im Falle einer rückwirkenden Feststellung der Invalideneigenschaft ins Leere gehe, wenn das zu schützende Dienstverhältnis zum Zeitpunkt der Rechtsverbindlichkeit des Feststellungsbescheides rechtlich nicht mehr bestehe. Die am 23. Juli 1993 ausgesprochene Kündigung habe daher der Zustimmung des Landesinvalidenamtes (richtig: des Bundessozialamtes) für Wien, Niederösterreich und Burgenland nicht bedurft, weshalb sich "der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig" erweise.

Mit Berichterverfügung vom 10. Jänner 1996 wurde die Beschwerde der belangten Behörde mit dem Auftrag zugestellt, sich gemäß § 35 Abs. 2 VwGG innerhalb einer Frist zu folgender Frage zu äußern:

"Im Rahmen des durch die Bezeichnung des Beschwerdepunktes eingeschränkten Prüfungsgegenstandes des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens scheint der angefochtene Bescheid schon deshalb rechtswidrig zu sein, weil die belangte Behörde durch die ABWEISUNG des Feststellungsantrages der Beschwerdeführerin, das Dienstverhältnis ohne die Beschränkungen des Behinderteneinstellungsgesetzes kündigen zu können bzw. daß die Kündigung mangels Zugehörigkeit des Kündigungsgegners nicht der Zustimmung des Landesinvalidenamtes bedurfte, über eine Angelegenheit meritorisch entschieden hat, zu deren Entscheidung die ordentlichen Gerichte (Arbeits- und Sozialgerichte) zuständig sind."

Die belangte Behörde äußerte sich zu dieser Anfrage auszugsweise wie folgt:

"Die Beschwerdeführerin stellte als Antragstellerin bei der Behörde erster Instanz zunächst einen Hauptantrag, die Behörde möge feststellen, daß die am 23. Juli 1993 ausgesprochene Kündigung Ädes Mitbeteiligtenö zum 13. August 1993 mangels desssen Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten keiner Zustimmung durch den "Invalidenausschuß des Landesinvalidenamtes" bedurft habe. Mit diesem Antrag verband die Beschwerdeführerin den Eventualantrag ...

Mit dem Hauptantrag wollte die Beschwerdeführerin somit zunächst von der Behörde erster Instanz einen Feststellungsbescheid erreichen, daß Ädem Mitbeteiligtenö kein besonderer Kündigungsschutz nach dem BEinstG zukomme. Ein negatives Feststellungsbegehren des Inhaltes, daß das Dienstverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und Ädem Mitbeteiligtenö durch die am 23. Juli 1993 zum 13. August 1993 ausgesprochene Kündigung aufgelöst worden sei und daher zwischen ihr und Ädem Mitbeteiligtenö kein Arbeitsverhältnis mehr bestehe, also eine bürgerliche Rechtssache vorliege, die vor die Zuständigkeit der Gerichte gehöre (§ 50 Abs. 1 Z. 1 ASGG), hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Soweit sie dies jetzt auf Seite 7 ihrer Beschwerde im Beschwerdepunkt geltend macht, macht sie einen neuen Anspruch geltend, der nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war und daher auch nicht von der Beschwerdeführerin als Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden kann. Das bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Feststellungsbegehren zielt bloß auf die Feststellung ab, daß die Voraussetzungen für ein Verwaltungsverfahren nach § 8 BEinstG nicht vorlägen. Mit der Abweisung dieses Antrages bejahte die Behörde erster Instanz die Voraussetzungen für ein Verwaltungsverfahren nach § 8 BEinstG, also die Zulässigkeit des Verwaltungsverfahrens und die eigene Zuständigkeit, somit Umstände, deren (auch positive) Beantwortung in die amtswegige Wahrnehmung der Behörde nach § 6 AVG fällt.

Die Berufungskommission ist daher zusammenfassend der Ansicht, daß sie sich nicht über den Verfassungsgrundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung gemäß Art. 94 B-VG hinweggesetzt hat."

Die Beschwerdeführerin - der die Berichteranfrage zur Kenntnis gebracht wurde - äußerte sich in einem Schriftsatz vom 12. Februar 1996 im wesentlichen dahin, daß bei Bestehen von Zweifeln, ob die bereits ausgesprochene Kündigung seitens des Dienstgebers noch nachträglich der Zustimmung des Behindertenausschusses bedurft habe, der beantragte Feststellungsbescheid im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes jedenfalls zulässig sei, werde doch die Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden bejaht, wenn die bescheidmäßige Feststellung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei gelegen sei. Da es ausschließlich in die sachliche Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde falle, einer Kündigung bei (Vorliegen der) Behinderteneigenschaft zuzustimmen, müsse es auch im Falle von Zweifeln, ob eine derartige Zustimmung notwendig sei, in die Zuständigkeit der Behörde fallen, bei Antragstellung einen entsprechenden Feststellungsbescheid zu erlassen. Im Falle der Zurückweisung des Antrages wäre die Beschwerdeführerin allenfalls in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat (im Hinblick auf die am Verfahren mitbeteiligte Partei ungeachtet der auf § 35 Abs. 2 VwGG gestützten Berichteranfrage nach Durchführung eines Vorverfahrens) erwogen:

Mit dem Spruch des angefochtenen Bescheides wurde ein dreigliedriger erstinstanzlicher Bescheid bestätigt, mit welchem (erstens) der Feststellungsantrag, daß die Kündigung des Mitbeteiligten keiner Zustimmung durch den Behindertenausschuß bedurft habe, abgewiesen wurde, sowie (zweitens) sowohl der Kündigung vom 23. Juli die nachträgliche Zustimmung als auch (drittens) einer auszusprechenden Kündigung die Zustimmung versagt wurde.

Die vorliegende Beschwerde bezieht sich - nach dem so umschriebenen Beschwerdepunkt und ungeachtet des umfassenden Aufhebungsantrages - sachlich ausschließlich auf den ersten Spruchteil, nämlich die Abweisung des Feststellungsantrages der Beschwerdeführerin.

Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den angefochtenen Bescheid aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) zu überprüfen. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurde daher ausschließlich die Frage, ob die Abweisung des Feststellungsantrages der Beschwerdeführerin durch den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid zu Recht erfolgte, nicht aber die Frage, ob die belangte Behörde der Kündigung vom 23. Juli 1993 bzw. einer noch auszusprechenden Kündigung zu Recht die Zustimmung versagt hat. Hinsichtlich der beiden letztgenannten Spruchteile war die Beschwerde daher wegen des insoweit überschreitenden Aufhebungsantrages schon aufgrund des Beschwerdevorbringens gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Im Rahmen des Beschwerdepunktes, nämlich in bezug auf ihren Feststellungsantrag, wurde die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt; dies jedoch aus folgenden, in der Beschwerde nicht genannten Gründen:

Gemäß § 1 JN wird die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen durch die ordentlichen Gerichte ausgeübt.

Gemäß § 2 Abs. 1 ASGG sind zur Entscheidung über Arbeits- und Sozialrechtssachen ebenfalls die ordentlichen Gerichte berufen. Arbeitsrechtssachen im Sinne des § 50 Abs. 1 Z. 1 ASGG sind bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder mit dessen Anbahnung.

Der Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin, daß die Kündigung des Mitbeteiligten vom 23. Juli 1993 zum 13. August 1993 "mangels dessen Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten keiner Zustimmung durch den Behindertenausschuß" bedurft habe, macht der Sache nach nichts anderes geltend, als daß für das Dienstverhältnis des Mitbeteiligten ungeachtet des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. August 1993 am 13. August 1993 (dem letzten Tag der Kündigungsfrist) ein Kündigungsschutz nach dem Behinderteneinstellungsgesetz nicht bestanden und deshalb die Kündigung keiner nachträglichen Zustimmung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes bedurft habe. In Übereinstimmung mit dem Obersten Gerichtshof (Urteil vom 21. November 1990, 9 Ob A 244/90 = infas 1991, A 33) ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß der besondere Kündigungsschutz des § 8 BEinstG dem privatrechtlichen und nicht dem öffentlich-rechtlichen Bereich des Arbeitsrechtes angehört, weil er auf die vertragsrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses durch Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten Einfluß nimmt. Das Begehren auf Feststellung, daß auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis die Kündigungsbeschränkungen des Behinderteneinstellungsgesetzes nicht anzuwenden seien (mag dieser Antrag auch dahin formuliert sein, daß die Kündigung keiner - nachträglichen - Zustimmung durch den Behindertenausschuß bedurft habe oder - wie die Beschwerdeführerin es im Beschwerdepunkt ausdrückt - daß sie berechtigt gewesen sei, das Dienstverhältnis ohne die sich aus dem Behinderteneinstellungsgesetz ergebenden Beschränkungen kündigen zu können), ist daher eine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 Abs. 1 Z. 1 ASGG.

Eine Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden hinsichtlich des Feststellungsbegehrens der Beschwerdeführerin ist daher zu verneinen.

Die belangte Behörde unterscheidet in ihrer Stellungnahme zwischen einem Feststellungsantrag, wonach kein besonderer Kündigungsschutz vorliege, einerseits und einem negativen Feststellungsbegehren des Inhaltes, daß das Dienstverhältnis durch die Kündigung aufgelöst worden sei und daher kein Arbeitsverhältnis mehr bestehe, andererseits, wobei sie offenbar nur die letztgenannte Feststellung für eine bürgerliche Rechtssache hält (welche aber von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht worden sei). Damit übersieht die belangte Behörde, daß ihr (bzw. der Behörde erster Instanz) nach dem Behinderteneinstellungsgesetz ausschließlich die Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung übertragen ist, für welche die Frage, ob auf das fragliche Dienstverhältnis (und damit auf den Ausspruch der Kündigung eines solchen Dienstverhältnisses) die Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes anzuwenden sind, eine Vorfrage darstellt; dies bedeutet aber noch nicht, daß diese Verwaltungsbehörden auch dazu zuständig sind, diese Vorfrage als Hauptfrage zu entscheiden. Eine solche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden in zivilrechtlichen Angelegenheiten ist - mangels ausdrücklicher gegenteiliger Anordnung des Gesetzgebers - schon im Hinblick auf Art. 6 MRK im Zweifel zu verneinen (vgl. dazu etwa Fasching, Zivilprozeßrecht2, Rz 98).

Der von der Beschwerdeführerin erstatteten Äußerung ist zu entgegnen, daß ihr Feststellungsantrag nicht darauf abzielte, bescheidmäßig festzustellen, ob der Mitbeteiligte dem Kreis der begünstigten Behinderten zugehört oder nicht (wobei dem Dienstgeber im Feststellungsverfahren nach § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im übrigen gar keine Parteistellung zukommt - vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1989, Zlen. 88/09/0124, 0125, vom 29. Juni 1989, Zl. 87/09/0264, und vom 4. September 1989, Zl. 89/09/0045) - sondern auf die Frage, in welchem zeitlichen Umfang sich ein rückwirkender Feststellungsbescheid auf den Bestandschutz des Arbeitsvertrages auswirkt. Ob diese Frage als Feststellungsbegehren vor die Verwaltungsbehörden oder vor die ordentlichen Gerichte gehört, ist der von der Beschwerdeführerin in ihrer Äußerung behandelten Frage des Feststellungsinteresses vorgelagert. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß die Zustimmung zur Kündigung eines Behinderten in die ausschließliche sachliche Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde fällt, weil das Vorliegen einer im öffentlichen Recht geregelten Voraussetzung für den wirksamen Ausspruch einer Kündigung von der Frage, ob das Arbeitsverhältnis überhaupt diesem besonderen Kündigungsschutz unterliegt, unterschieden werden muß.

Ob das Feststellungsinteresse der Beschwerdeführerin vor den ordentlichen Gerichten klageweise mit einem Begehren, wie sie es vor der Verwaltungsbehörde formuliert hat, oder (nur) mit einem Antrag auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis am 13. August (oder 20. August) 1993 geendet habe, verfolgt werden kann, ist eine Frage, die der Verwaltungsgerichtshof nicht zu behandeln hat.

Durch die Abweisung des Feststellungsantrages der Beschwerdeführerin in Verbindung mit der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde eine inhaltliche Entscheidung dahin getroffen, daß das Dienstverhältnis des Mitbeteiligten im relevanten Zeitpunkt den Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes unterlegen ist. Durch diese meritorische - dem Standpunkt der Beschwerdeführerin nachteilige - Erledigung anstelle der allein gebotenen Zurückweisung dieses Antrages wegen Unzulässigkeit des Verwaltungsweges wurde die Beschwerdeführerin im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes in ihren Rechten verletzt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren der Beschwerdeführerin (sie hat in ihrer Äußerung zur Berichterverfügung vom 10. Jänner 1996 neuerlich Schriftsatzaufwand von S 12.500,-- zuzüglich Stempelgebühren von S 360,-- verzeichnet) war schon deshalb abzuweisen, weil der Schriftsatzaufwand für das gesamte Verfahren nur einmal zuerkannt werden kann.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte