VwGH 96/04/0240

VwGH96/04/024028.1.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des S in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 23. September 1996, Zl. VIb-221/540-1996, betreffend Zurückweisung von Berufungen in einem Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: V-Ges.m.b.H. in L), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs2 Z3;
GewO 1994 §74 Abs2 Z5;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs2 Z3;
GewO 1994 §74 Abs2 Z5;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides stellte die mitbeteiligte Partei den Antrag auf gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Zwischenlagers für Wertstoffe sowie für verschiedene Abfallfraktionen an einem näher bezeichneten Standort. Über dieses Ansuchen beraumte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Gewerbebehörde erster Instanz mit Kundmachung vom 24. Mai 1996 eine Augenscheinsverhandlung für den 12. Juni 1996 an. Der Beschwerdeführer wurde hiezu nicht geladen, obwohl er in einem unmittelbar benachbarten Haus wohnt. Mit dem am 12. Juni 1996 im Zuge der Augenscheinsverhandlung mündlich verkündeten erstbehördlichen Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Genehmigung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Eine schriftliche Ausfertigung dieses Bescheides wurde auch dem Beschwerdeführer zugestellt. Mit Schreiben vom 14. Juni 1996 machte der Beschwerdeführer geltend, er hätte von der Augenscheinsverhandlung verständigt werden müssen, schilderte sodann den Vorgang, wie er davon Kenntnis erlangte und brachte sodann Folgendes vor:

"Da es sich um ein Problemstofflager im Wohngebiet handelt und damit zusammenhängend unzumutbare Belästigungen für mich als Nachbarn jedenfalls nicht auszuschließen sind, erhebe ich Einspruch gegen die Erteilung einer diesbezüglichen Genehmigung. Mit diesem Einwand erlange ich Parteistellung. Ich bitte um Zustellung des Bescheides."

Am 25. Juli 1996 erhob der Beschwerdeführer neben anderen Personen gegen den erstbehördlichen Bescheid Berufung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 23. September 1996 wies der Landeshauptmann von Vorarlberg die Einwendungen und die Berufung (u.a.) des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 356 Abs. 3 und § 359 Abs. 4 GewO 1994 als unzulässig zurück. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtslage aus, es sei zunächst zu prüfen, ob der Beschwerdeführer als Nachbar Parteistellung im Verfahren erlangt habe. Dies hänge nach der Rechtslage davon ab, ob einerseits Einwendungen erhoben worden seien und zutreffendenfalls, ob diese Einwendungen im Sinne des Gesetzes rechtzeitig und zulässig gewesen seien. Eine diesbezügliche Prüfung seines Vorbringens ergebe aber, daß diesem nicht die Qualifikation einer Einwendung zukomme, weil ihm nicht entnommen werden könne, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird und welcher Art dieses Recht sei. Denn es werde darin die Art der Belästigung (Geruch, Lärm, Rauch, Staub oder dgl.) nicht spezifiziert. Mangels qualifizierter Einwendungen habe er somit Parteistellung nicht erlangt. Das Vorbringen in der Berufung könne deshalb nicht als Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 anerkannt werden, weil dieses erst nach Ablauf der in der zitierten Gesetzesstelle genannten zweiwöchigen Frist erhoben worden sei. Mangels Parteistellung komme dem Beschwerdeführer aber zufolge § 359 Abs. 4 GewO 1994 nicht das Recht zur Erhebung der Berufung zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, daß seine Einwendungen und die Berufung nicht als unzulässig zurückgewiesen werden, sondern die Parteistellung zuerkannt und über die Berufung materiell (inhaltlich) entschieden werde. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht der Beschwerdeführer geltend, nach seiner Auffassung seien die Einwendungen sehr wohl so gestaltet gewesen, daß aus ihrem Inhalt die Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes hervorgehe. Er habe nämlich "unzumutbare Belästigungen für sich als Nachbar" geltend gemacht, Einspruch erhoben und sich gegen die Erteilung der Bewilligung ausgesprochen. In der Berufung habe er diese Einwendungen konkretisiert, was nach der Rechtsprechung zulässig sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe wiederholt entschieden, daß dann, wenn sich aus der Erklärung des Nachbarn entnehmen lasse, daß er sich überhaupt in einem subjektiven Recht verletzt erachte und zu erkennen sei, inwiefern er ein verfolgbares Nachbarrecht geltend mache, eine zulässige Einwendung vorliege. Es genüge, wenn aus dem Verhalten der Partei mit Sicherheit geschlossen werden könne, was sie mit ihrem Vorbringen anstrebe. Im vorliegenden Fall sei die Augenscheinsverhandlung nicht ordnungsgemäß kundgemacht und der Beschwerdeführer nicht persönlich geladen worden. Da seine Liegenschaft an das geplante Betriebsgelände angrenze, hätte er persönlich geladen werden müssen, jedenfalls hätte in seinem Haus aber eine Kundmachung angebracht werden müssen, was nicht geschehen sei. Die belangte Behörde habe daher die Manuduktionspflicht verletzt, wenn sie den Beschwerdeführer, der rechtsfreundlich nicht vertreten gewesen sei, und aus dessen gesamtem Verhalten anläßlich eines Telefonates mit der Erstbehörde und seines Schriftsatzes vom 14. Juni 1996 zu entnehmen gewesen sei, daß er nicht bereit sei, sich mit der geplanten Betriebsanlage abzufinden und am Verfahren als weitere Partei teilzunehmen beabsichtige, nicht darauf hingewiesen habe, daß die mündlichen und dann mit Eingabe vom 14. Juni 1996 schriftlich abgegebenen Erklärungen nicht geeignet seien, ihm die angestrebte Parteistellung zu sichern, ja sogar ohne Hinweis auf die fatalen Folgen (Verlust der Parteistellung) sogar meinte, der Beschwerdeführer bekomme noch "Bescheid", er könne sich dann immer noch "regen". Es läge sohin ein rechtlich relevanter Verfahrensmangel vor. Wäre nämlich die Behörde der Manuduktionspflicht nachgekommen, so hätte der Beschwerdeführer innerhalb der rechtlich relevanten Frist die Einwendungen, falls sie wider Erwarten nicht als zulässig im Rechtssinne angesehen werden sollten, so erheben können, daß aus ihrem Inhalt die Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes zweifelsfrei erkennbar sei und vorgebracht werde, daß der Beschwerdeführer bei Errichtung und Betrieb der Anlage mit unzumutbaren Belästigungen durch Geruch, Lärm, Staub, Lichteinwirkungen und Erschütterungen (vor allem bei einem Störfall) auf seinem Anwesen rechne und daher die beantragte Genehmigung ablehne.

Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind. Parteien im Verfahren betreffend die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer gewerblichen Betriebsanlage oder die Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage sind gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994, unbeschadet des folgenden Satzes, nur jene Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind von Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, liegt eine Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Das heißt, es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit., auf einen oder mehrere der dort vorgesehenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Die Erlangung der Parteistellung durch Nachbarn im Sinne des § 356 Abs. 3 leg. cit. setzt daher das Vorliegen derart qualifizierter Einwendungen voraus; ein lediglich allgemein gehaltenes, nicht auf die konkreten Verhältnisse des Beteiligten abgestelltes Vorbringen stellt aber schon begrifflich keine Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne des Rechtsbegriffes einer Einwendung dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 1996, Zl. 95/04/0241).

Im Lichte dieser Rechtslage vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Rechtsansicht der belangten Behörde, das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Schriftsatz vom 14. Juni 1996 könne mangels entsprechender Konkretisierung nicht als Einwendung im Sinne des § 56 Abs. 3 GewO 1994 qualifiziert werden, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken, macht doch darin der Beschwerdeführer nur ganz allgemein die Befürchtung "unzumutbarer Belästigungen" geltend. Das Vorbringen in der Berufung vom 25. Juli 1996 kann aber schon deshalb nicht als eine derartige Einwendung qualifiziert werden, weil es erst nach Ablauf der im zweiten Satz des § 356 Abs. 3 eingeräumten zweiwöchigen Frist erhoben wurde.

Ob aber das in der Beschwerde gerügte Verhalten der Erstbehörde eine Verletzung der ihr gemäß § 13a AVG obliegenden Manuduktionspflicht bedeutete, kann im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben. Denn selbst bei Zutreffen dieser Beurteilung könnte dies nichts daran ändern, daß der Beschwerdeführer innerhalb der Frist des § 356 Abs. 3 zweiter Satz GewO 1994 geeignete Einwendungen nicht erhob. Wie sich aus dieser Bestimmung zweifelsfrei ergibt, vermag die Erhebung von Einwendungen erst nach Ablauf dieser Frist die Parteistellung des Nachbarn auch dann nicht mehr zu bewirken, wenn diesen an der Versäumung auch dieser Frist kein Verschulden trifft, oder die Fristversäumung durch einen Verfahrensverstoß seitens der Behörde bewirkt wurde.

Hat aber der Beschwerdeführer solcher Art rechtzeitig keine geeigneten Einwendungen erhoben, so hat er nach der diesbezüglich eindeutigen Regelung des § 356 Abs. 3 GewO 1994 im zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren Parteistellung nicht erlangt, sodaß ihm gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 auch nicht das Recht zur Erhebung der Berufung zustand. Die Zurückweisung sowohl der Einwendungen als auch der Berufung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde erweist sich somit als frei von Rechtsirrtum.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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