VwGH 96/02/0161

VwGH96/02/016120.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der H G in Wien, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 27. Februar 1996, Zl. MA 65-12/355/95, betreffend Kostenvorschreibung gemäß § 89a StVO 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §89a Abs7;
VStG §5;
VwGG §49 Abs1 idF 1997/I/088 ;
StVO 1960 §89a Abs7;
VStG §5;
VwGG §49 Abs1 idF 1997/I/088 ;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Gemeinde) Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. Februar 1996 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 89a Abs. 7 StVO ein Kostenersatz für die am 18. August 1995 vorgenommene Entfernung ihres dem Kennzeichen nach bestimmten, für sie zugelassenen Pkw's von einem näher bezeichneten Abstellort vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde , in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin führt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides aus, sie habe ihr Fahrzeug am 18. August 1995 mit getretener Kupplung und eingelegtem ersten Gang (mit laufendem Motor) vor einer näher genannten Kreuzung angehalten. Sie habe die Absicht gehabt, in gerader Richtung weiterzufahren. Die Ampel habe grünes Licht gezeigt, das vor ihr befindliche Fahrzeug, dessen Lenker nach rechts habe abbiegen wollen, habe jedoch aufgrund des Fußgängerverkehrs verkehrsbedingt anhalten müssen. In dieser Kolonne stehend habe die Beschwerdeführerin plötzlich an ihrem Fahrzeug links hinten einen Stoß gespürt, da eine Straßenbahn einer näher genannten Linie, statt - wie vorgesehen - nach links abzubiegen, infolge einer falschen Weichenstellung nach rechts abgebogen und in ihren Pkw hineingefahren sei. In der Folge seien die beiden Fahrzeuge verkeilt gewesen, zwei Feuerwehrleute hätten schließlich zwecks Beseitigung der Blockade der Fahrbahn das Fahrzeug der Beschwerdeführerin zur Seite gehoben (nach Angabe der Beschwerdeführerin lediglich 2 cm), worauf beide Fahrzeuge die Unfallstelle aus eigener Kraft unverzüglich verlassen hätten. Ausgehend von diesem Sachverhalt sei daher ihr Pkw zu einem Zeitpunkt aufgestellt oder gelagert worden, zu dem die Voraussetzungen zur Entfernung nach § 89 Abs. 2 oder 3 noch nicht vorlagen. Auch wenn man den Standpunkt vertreten würde, die "Aufstellung" sei rechtswidrig gewesen, so sei doch der Gegenstand zu einem Zeitpunkt am Unfallort "aufgestellt" worden, zu dem die Beschwerdeführerin vom bevorstehenden Eintritt des von ihr nicht verursachten Unfalls nichts wissen habe können; die "Aufstellung" sei auch nicht gesetzwidrig gewesen.

Der belangten Behörde ist zunächst darin zuzustimmen, daß im Zusammenhang mit der Entfernung von Hindernissen und der damit verbundenen Kosten (§ 89a Abs. 7 StVO) das Verursachungsprinzip gilt und es daher auf das Verschulden nicht ankommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 1996, Zl. 95/02/0088). Auch ist die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Rechtsmeinung zutreffend, daß auch das geringfügige "bloße Bewegen" des Hecks eines Fahrzeuges eine Entfernung im Sinne des § 89a StVO darstellt, die eine Kostenersatzpflicht im Sinne des Abs. 7 dieser Gesetzesstelle auslösen kann (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 12. April 1996, Zl. 95/02/0088).

Gemäß § 89a Abs. 7 fünfter Satz StVO sind jedoch die Kosten für die Entfernung, Aufbewahrung und Übernahme des Gegenstandes und die Gefahr der Entfernung und Aufbewahrung von dem Rechtsträger zu tragen, dessen Organ die Entfernung veranlaßt hat, wenn der Gegenstand zu einem Zeitpunkt aufgestellt oder gelagert worden ist, zu dem die Voraussetzungen zur Entfernung nach Abs. 2 oder 3 noch nicht vorlagen, es sei denn, daß dem Inhaber der bevorstehende Eintritt der Voraussetzung bekannt war oder daß die Aufstellung oder Lagerung von Anbeginn gesetzwidrig war.

Voraussetzung für die Kostentragungsregel des § 89a Abs. 7 fünfter Satz StVO ist, daß der Gegenstand zu einem Zeitpunkt aufgestellt oder gelagert wird, "zu dem die Voraussetzungen zur Entfernung nach Abs. 2 oder 3 noch nicht vorlagen",diese vielmehr erst zu einem späteren Zeitpunkt durch entsprechende Handlungen der Behörde oder anderer Verkehrsteilnehmer eintreten. Gemeint sind damit jene Verkehrssituationen, in denen zum Zeitpunkt des Abstellens eines Gegenstandes bzw. eines Kfz nach allgemeiner allgemeiner menschlicher Erfahrung das Eintreten einer Verkehrsbeeinträchtigung nicht vorausgesehen werden kann (vgl. Dittrich-Stolzlechner, Österreichisches Straßenverkehrsrecht, 3. Auflage, Rdz 108 zu § 89a StVO).

Im gegenständlichen Fall war das Fahrzeug der Beschwerdeführerin durch das vor ihr stehende Fahrzeug, dessen Lenker die Absicht hatte, nach rechts abzubiegen, bei grünem Ampelsignal in einer Kolonne stehend an der Weiterfahrt behindert und jedenfalls - entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 92/02/0052, vertretenen Ansicht - nicht von Anbeginn an gesetzwidrig "abgestellt". Auch konnte der Beschwerdeführerin der Eintritt der nachfolgenden "gesetzwidrigen Abstellung" des Fahrzeuges nicht bekannt sein, da es für sie nicht vorhersehbar war, daß ein Schienenfahrzeug aufgrund einer irrtümlich falsch gestellten Weiche in die falsche Richtung abbiegen und damit einen Verkehrsunfall mit dem zu diesem Zeitpunkt im Stillstand befindlichen Fahrzeug der Beschwerdeführerin verursachen werde.

Da die Kostenvorschreibung gegenüber der Beschwerdeführerin daher zu Unrecht erfolgte, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Schriftsatzaufwand war aus folgenden Erwägungen nicht zuzusprechen:

Nach dem am 1. September 1997 in Kraft getretenen zweiten Satz des § 49 Abs. 1 VwGG (vgl. § 73 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 88/1997) gebührt Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand nur dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung ist Zuerkennung von Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand sohin ausgeschlossen, wenn kein Rechtsanwalt als "Vertreter" einschreitet (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 5. September 1997, Zl. 97/02/0214).

Wien, am 20. November 1998

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