Normen
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
AVG §37;
AVG §59 Abs2;
BArbSchV §3;
BArbSchV §7 Abs1;
BArbSchV §7 Abs2;
VStG §22 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
AVG §37;
AVG §59 Abs2;
BArbSchV §3;
BArbSchV §7 Abs1;
BArbSchV §7 Abs2;
VStG §22 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 27. März 1995 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der R. Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Draßmarkt zu verantworten, dass von dieser Gesellschaft am 15. Juni 1994 an einer örtlich umschriebenen Baustelle bei Arbeiten am Dach, von wo im Bereich von Absturzstellen ein Abstürzen von über 10 m möglich gewesen sei, drei (namentlich angeführte) Arbeitnehmer (unter näher angeführten Umständen) beschäftigt worden seien, ohne gegen einen Absturz vorschriftsmäßig gesichert gewesen zu sein. Er habe dadurch gegen § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 7 Abs. 1 und 2 Bauarbeiterschutzverordnung verstoßen. Über den Beschwerdeführer wurden drei Geldstrafen zu je S 10.000,-- und drei Ersatzfreiheitsstrafen von je drei Tagen verhängt.
Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Dezember 1995 abgewiesen, der Berufung des Arbeitsinspektorates jedoch Folge gegeben und den Spruch des genannten Straferkenntnisses dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und Arbeitgeber der R. Ges.m.b.H mit einem näher angeführten Standort zu verantworten, dass auf einer örtlich umschriebenen Baustelle dieser Gesellschaft drei Arbeitnehmer am 15. Juni 1994 mit Dacharbeiten im nordwestlichen Bereich der Dachfläche eines 400 m2 großen Hallendaches und einer Öffnung in der Dachhaut für den Einbau einer Filteranlage in einer Höhe von ca. 10 m, sohin an einer Arbeitsstelle, an der Absturzgefahr bestanden habe, beschäftigt worden seien, ohne dass Sicherheitsmaßnahmen, die ein Abstürzen von Menschen hintanzuhalten geeignet seien, getroffen gewesen seien. Die Anbringung geeigneter Schutzeinrichtungen zur Verhinderung des Abstürzens der Arbeitnehmer oder Hintanhaltung deren Weiterfallens, wie Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgerüste oder Fangnetze, habe zwar wegen des unverhältnismäßigen Aufwandes unterbleiben können, die für diesen Fall erforderliche Sicherung der Arbeitnehmer gegen den Absturz durch Anseilen sei jedoch nicht erfolgt. Unmittelbar vor dem tödlichen Absturz eines der drei Dienstnehmer seien alle drei dort tätigen Arbeitnehmer nicht durch Anseilen gesichert gewesen. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 7 Abs. 2 zweiter Satz in Verbindung mit § 43 Abs. 1 BSchV verletzt; über ihn wurde gemäß § 31 Abs. 2 lit. p in Verbindung mit § 33 Abs. 7 ASchG eine (Gesamt)Geldstrafe von S 30.000,-- (Gesamt-Ersatzfreiheitsstrafe 9 Tage) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 7 Abs. 1 der Verordnung über Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten Bauarbeiterschutzverordnung, in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Stammfassung BGBl. Nr. 267/1954 (kurz: BSchV), sind an allen Arbeitsstellen, an denen Absturzgefahr besteht, Einrichtungen anzubringen, die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten, wie Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgerüste oder Fangnetze. Bei Arbeiten an besonders gefährlichen Stellen müssen die Dienstnehmer überdies angeseilt sein. Das Gleiche gilt für das Anbringen oder Entfernen von Schutzeinrichtungen an besonders gefährlichen Stellen.
Nach Abs. 2 leg. cit. kann die Anbringung der im Abs. 1 vorgesehenen Schutzeinrichtungen unterbleiben, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch ist gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit. In solchen Fällen sind die Dienstnehmer durch Anseilen gegen Absturz zu sichern.
Der Beschwerdeführer führt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides u. a. aus, dass die Arbeitnehmer nur unmittelbar vor dem Unfall nicht angeseilt gewesen seien, bis zu diesem Zeitpunkt seien sie angeseilt und somit gegen ein Abstürzen gesichert gewesen; er beruft sich weiters darauf, dass einer seiner Arbeitnehmer (F.) über die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu wachen gehabt und dies auch getan habe. Dass sich der tödlich verunglückte Arbeiter K., der auch im Sinne des § 3 BSchV zum Anordnungsbefugten bestellt worden sei, "abgeseilt" habe, habe er nicht zu verantworten, weil auch bei einem noch so ausgeklügeltem Kontrollsystem ein Rest von Eigenverantwortung für jeden Arbeitnehmer übrig bleibe.
Folgt man zunächst dem Vorbringen des Beschwerdeführers insoweit, als er sich auf die Bestellung eines Bevollmächtigten im Sinne des § 31 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes beruft, ist für seinen Standpunkt nichts gewonnen. Nach § 31 Abs. 5 leg. cit. sind Arbeitgeber neben ihren Bevollmächtigten strafbar, wenn die Übertretung mit ihrem Wissen begangen wurde oder wenn sie es bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Bevollmächtigten an der erforderlichen Sorgfalt haben fehlen lassen.
Soweit der Beschwerdeführer auf die Bestellung des tödlich verunglückten Arbeiters K. zum "Anordnungsbefugten" verweist, ist ihm zu entgegnen, dass dem Dienstgeber im § 3 Abs. 2 BSchV die Bestellung einer Aufsichtsperson bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zwar aufgetragen wird, jedoch weder im VStG noch in der BSchV festgehalten ist, dass allein durch die Bestellung eines fachkundigen "Anordnungsbefugten", für eine Baustelle gemäß § 3 BSchV der Betriebsinhaber von seiner Verantwortung zur Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung befreit wird. Grundsätzlich bleibt für die auf der Baustelle vorkommenden Übertretungen dieser Art der Betriebsinhaber verantwortlich. Selbst wenn solche Verstöße von einem Dienstnehmer ohne Willen des Betriebsinhabers begangen werden, ist letzterer strafbar, wenn er nicht den Nachweis zu erbringen vermag, dass von ihm solche Maßnahmen getroffen wurden, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten ließen (vgl. die hg. Erkenntnisse des vom 26. März 1963, Zl. 1266/62, Slg. Nr. 5997/A, und vom 2. April 1963, Zl. 1769/62).
Nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 23. September 1994, Zlen. 94/02/0258, 0259) ist von der Behörde von Amts wegen zu ermitteln, ob es der Arbeitgeber (bzw. in den Fällen des § 9 VStG das dort genannte Organ) etwa bei der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten an der erforderlichen Sorgfalt habe fehlen lassen, wobei dem Arbeitgeber dabei die Verpflichtung obliegt, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen. Ob der Arbeitgeber dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit ist, hängt - wie bereits ausgeführt -im Einzelfall davon ab, ob er sich (entsprechend dieser Mitwirkungspflicht) darauf zu berufen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen; die bloße Erteilung von Weisungen reicht nicht hin, entscheidend ist deren wirksame Kontrolle, wobei der Arbeitgeber das diesbezügliche Kontrollsystem darzulegen hat.
Von der Darlegung eines solchen Kontrollsystems durch den Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren kann allerdings keine Rede sein, weil der Beschwerdeführer nicht ausgeführt hat, inwieweit er selbst, obwohl als gemäß § 9 Abs. 1 VStG Verantwortlicher an der Spitze des Kontrollsystems stehend, in dieses auch entsprechend eingebunden war (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 2. Mai 1995, Zl. 95/02/0026). Dass der Beschwerdeführer kontinuierlich immer wieder auf die Sicherheitsvorschriften der Arbeitnehmerschutzvorschriften hingewiesen, entsprechende Weisungen an seine Projektleiter weitergegeben und für entsprechende Anweisungen und Schulungen der Arbeitnehmer gesorgt hat, ist nicht ausreichend. Insbesondere entspricht es auch der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 30. Mai 1997, Zl. 97/02/0094), dass die bloße Erteilung von Weisungen keine ausreichende Kontrolle im beschriebenen Sinn darstellen.
Schließlich vermag der Beschwerdeführer auch mit der Behauptung, die Arbeitnehmer hätten ihr Sicherheitsgeschirr nur kurz abgelegt und ein "Rest von Eigenverantwortung" müsse bei jedem Arbeitnehmer verbleiben, gleichfalls eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, weil eben gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen hat (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 23. September 1994, Zlen. 94/02/0258, 0259), welches aber - wie oben dargelegt - im Beschwerdefall nicht vorhanden war.
Ausgehend von diesen Darlegungen ist es dem Beschwerdeführer auch nicht gelungen, einen wesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen.
Der Beschwerde ist dennoch ein Erfolg beschieden:
Es entspricht nämlich der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. Mai 1997, Zl. 97/02/0096), dass mehrere Straftaten vorliegen, wenn sich die rechtswidrigen Angriffe - wie im Beschwerdefall - gegen die Gesundheit mehrerer Dienstnehmer richten.
Da die belangte Behörde das erwähnte Straferkenntnis in der Schuldfrage bestätigt, jedoch in Abänderung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides von der namentlichen Nennung der beschäftigten Arbeitnehmer abgesehen, den Beschwerdeführer lediglich einer Verwaltungsübertretung für schuldig befunden und dadurch gegen das im § 22 VStG normierte Kumulationsgebot verstoßen hat, hat sie die Rechtslage verkannt. Das von der belangten Behörde zur Begründung herangezogene hg. Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0235, ist mit dem vorliegenden Sachverhalt insoweit nicht vergleichbar, als in diesem Beschwerdefall Schutzeinrichtungen nicht angebracht waren und eine Bestrafung nach § 7 Abs. 1 BSchV erfolgte, wobei der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, dass es nach der genannten Bestimmung dahingestellt bleiben könne, ob zur Tatzeit ein bestimmter Arbeitnehmer überhaupt auf der Baustelle gewesen sei oder nicht, sei doch nach der zitierten Vorschrift allein maßgebend, durch entsprechende Vorkehrungen ein Abstürzen "der Dienstnehmer" zu verhindern; einer namentlichen Nennung von Arbeitnehmern im Spruch des Straferkenntnisses komme keine rechtliche Bedeutung zu. Während also § 7 Abs. 1 erster Satz BSchV den (generellen) Schutz aller auf einer Arbeitsstelle mit Absturzgefahr Beschäftigten durch das Anbringen von Schutzeinrichtungen (wie Arbeitsgerüste, Schutzgerüste oder Fangnetze) vorsieht, verfügt § 7 Abs. 2 leg. cit. unter den dort genannten Voraussetzungen diesen Schutz als Einzelmaßnahme (durch Anseilen) für die dort beschäftigten (und diesfalls auch namentlich zu nennenden) Arbeitnehmer.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 31. März 2000
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