Normen
BArbSchV §7 Abs1;
VStG §44a lita;
ZustG §9 Abs1;
BArbSchV §7 Abs1;
VStG §44a lita;
ZustG §9 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 17. Juli 1989 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A. Baugesellschaft m. b.H. und somit als das gemäß § 9 VStG 1950 zur Vertretung nach außen berufene Organ dieser Gesellschaft zu verantworten, daß am 18. Februar 1988 an einer näher bezeichneten Baustelle der Arbeitnehmer J.U. in ca. 8 m Höhe mit dem Nageln beschäftigt gewesen sei, ohne daß Einrichtungen angebracht gewesen seien, die ein Abstürzen der Arbeitnehmer verhindern sollten. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 7 Abs. 1 Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl. Nr. 267/1954, (BSchV) iVm § 6 Abs. 1 und 2 Arbeitsinspektionsgesetz 1974, BGBl. Nr. 143, und § 31 Abs. 2 lit. p iVm § 33 Abs. 7 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972, begangen. Gemäß § 31 Abs. 2 lit. p iVm § 33 Abs. 7 des zuletzt genannten Gesetzes wurde deshalb über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sieben Tagen) verhängt.
2. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Salzburg (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 26. Jänner 1990 keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis "als rechtens vollinhaltlich".
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine "Gegenschrift", die sich in dem Hinweis darauf erschöpft, daß der ausführlichen Begründung des angefochtenen Bescheides "nach ha. Auffassung in rechtlicher Hinsicht nichts mehr hinzugefügt werden kann".
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 7 Abs. 1 erster Satz BSchV sind an allen Arbeitsstellen, an denen Absturzgefahr besteht, Einrichtungen anzubringen, die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten, wie Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgeräte oder Fangnetze.
2.1. Die Beschwerde behauptet, der bekämpfte Bescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen habe, daß das Straferkenntnis dem Beschwerdeführer selbst und nicht seinem ausgewiesenen Rechtsvertreter zugestellt worden sei, somit als überhaupt nicht erlassen anzusehen sei.
2.2. Damit verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage, läßt doch § 9 Abs. 1 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, keinen Zweifel darüber aufkommen, daß in Fällen, in denen statt an den Zustellungsbevollmächtigten an den von diesem Vertretenen zugestellt wird, eine Heilung dieses Zustellmangels dann eintritt, wenn das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt. Daß letzteres im Beschwerdefall zutrifft, ist durch die namens des Beschwerdeführers durch seinen Rechtsvertreter rechtzeitig erhobene Berufung belegt. Der Beschwerdehinweis auf das hg. Erkenntnis vom 8. April 1986, Zl. 86/04/0001, geht deshalb fehl, weil in jenem Beschwerdefall keine Zustellungsbevollmächtigung vorlag, somit § 9 Abs. 1 Zustellgesetz nicht anzuwenden war.
3.1. Der Beschwerdeführer bemängelt, daß die belangte Behörde sein Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren, wonach der im Schuldspruch genannte Arbeitnehmer J.U. am Tatort zur Tatzeit nicht an der Baustelle gewesen sei, außer acht gelassen habe, und die gegenteilige Annahme allein auf die zeugenschaftliche Aussage des Arbeitsinspektors G. gestützt habe.
3.2. Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit nicht dargetan. Im Hinblick auf die von der belangten Behörde als übertreten erachtete Vorschrift des § 7 Abs. 1 BSchV kann es dahingestellt bleiben, ob der genannte Arbeitnehmer zur Tatzeit an der näher bezeichneten Baustelle war oder nicht, ist doch nach der zitierten Vorschrift allein maßgebend, durch entsprechende Vorkehrungen ein Abstürzen "der Dienstnehmer" zu verhindern. Daraus folgt, daß einer namentlichen Nennung von Arbeitnehmern im Spruch des Straferkenntnisses in Ansehung einer als erwiesen angenommenen Übertretung nach § 7 Abs. 1 BSchV keine rechtliche Bedeutung zukommt. Wesentlich dafür ist allein, daß eine "Arbeitsstelle" vorliegt. Daß dies für die verfahrensgegenständliche Baustelle zu verneinen gewesen sei, ist vom Beschwerdeführer nie behauptet worden.
4.1. Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß mit ihm das Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt worden sei, obwohl in diesem dem Beschwerdeführer einerseits (im Spruch) zum Vorwurf gemacht worden sei, ".... ohne daß Einrichtungen angebracht waren, die ein Abstürzen der Dienstnehmer verhindern sollten", anderseits (in der Begründung) das Vorhandensein der entsprechenden Sicherheitseinrichtungen gar nicht in Abrede gestellt werde. Damit werde dem Beschwerdeführer eine Übertretung angelastet, die von der Erstbehörde und im Wege der Bestätigung von der belangten Behörde nicht als erwiesen angenommen worden sei.
4.2. Auch in dieser Hinsicht kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden. Die Erstinstanz und mit ihr die belangte Behörde hat spruchmäßig als erwiesen angenommen, daß dem § 7 Abs. 1 BSchV entsprechende Einrichtungen nicht "angebracht waren". In der Begründung des Straferkenntnisses ließ es die Erstinstanz dahingestellt, ob solche Einrichtungen - wie vom Beschwerdeführer im Verfahren behauptet - "vorhanden gewesen waren", da es unbestritten sei, daß der besagte Arbeitnehmer entgegen den Bestimmungen der BSchV beschäftigt gewesen sei, ohne daß entsprechende Sicherheitseinrichtungen "verwendet worden wären". Damit stehen Spruch und Begründung insofern in Einklang, als - aus dem Zusammenhang ohne weiteres erkennbar - die Erstbehörde das Nichtverwenden dem Nichtanbringen gleichhielt, während sie dem bloßen Vorhandensein (der Beschwerdeführer hat dies in seiner Äußerung vom 8. April 1988 in bezug auf Stahlgerüst, Verplankungen, Seile, Gurte und Sicherheitshelme behauptet) rechtliche Bedeutung - dies im Sinne des § 7 Abs. 1 BSchV zutreffend - nicht beimaß. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid nicht zu davon abweichenden Ergebnissen gelangt.
5.1. Die Beschwerde rügt schließlich, daß hinsichtlich der Frage der Erfüllung der Aufsichtspflicht durch den Beschwerdeführer die Erstinstanz nur Vermutungen ausgesprochen und die belangte Behörde jegliche Ermittlungen zu diesem Punkt unterlassen habe.
5.2. Dieser Vorwurf trifft zu. Die dem Beschwerdeführer angelastete Übertretung ist ein Ungehorsamsdelikt, dies mit der Folge, daß die im § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 verankerte widerlegbare Schuldvermutung zu Lasten des Täters Platz greift:
Dieser hat von sich aus sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer sowohl in seiner Stellungnahme vom 25. April 1989 als auch in seiner Berufung ein in diesem Sinne seiner Entlastung dienendes Vorbringen erstattet, dem nicht von vornherein die Eignung fehlte darzutun, daß er ein - von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für erforderlich erachtetes - dem konkreten Betrieb entsprechendes Kontrollsystem eingerichtet habe, von dem mit gutem Grund erwartet werden könne, daß es die tatsächliche Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften sicherstelle. Das diesbezügliche Vorbringen im Strafverfahren war jedenfalls konkret und detailliert genug, um die Behörden beider Rechtsstufen zu veranlassen, sich damit in nachvollziehbarer Weise auseinanderzusetzen. Dies ist nicht geschehen: Die Erstinstanz hat sich insoweit auf die Vermutung beschränkt, die "Beaufsichtigung dürfte doch nicht entsprechend funktioniert haben, da es ansonsten nicht zur Beanstandung durch das Arbeitsinspektorat gekommen wäre". Die belangte Behörde hat es damit bewenden lassen, ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahre 1961 auszugsweise widerzugeben, ohne jedoch daraus rechtlich relevante Schlüsse für den vorliegenden Beschwerdefall zu ziehen, d.h. darzulegen, daß und weshalb das Entlastungs-Vorbringen des Beschwerdeführers den in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck gebrachten Anforderungen an die Überwachungspflicht des Dienstgebers nicht genügt. Damit wurden Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
6. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid im Grunde des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, daß die Zitierung (auch) des § 6 Abs. 1 und 2 Arbeitsinspektionsgesetz 1974 als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a lit. b VStG 1950), verfehlt ist, da sich diese Norm ausschließlich an das Arbeitsinspektorat (den Arbeitsinspektor) richtet und damit ein Verstoß gegen diese Vorschrift seitens des Arbeitgebers nicht denkbar ist.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGbl. Nr. 206/1989.
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