Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, der am 20. Februar 1996 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte mit Schreiben vom selben Tag die Gewährung von Asyl. Der Beschwerdeführer gab anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 26. Februar 1996 an:
"Am 10.11.1995 wurde Ken Saro Wiwa getötet. Ich gehöre in Nigeria einer Organisation mit dem Namen Campaign for Democracy (CD) an. Nachdem Saro Wiwa getötet worden war organisierten wir, dh meine Organisation und ich eine Demonstration. Die Studenten in Lagos nahmen daran teil, die Demonstration war friedlich, die Polizei griff uns mit Tränengas an, zwei Studenten und ein Mitglied meiner Organisation wurden dabei getötet. Die Demo war am 15.11.95. Am 20.11.1995 fand dann wieder eine Demo statt wegen der Tötung der drei Menschen bei der ersten Demo. Dabei nahmen die Studenten, unsere Organisation und die Handelsgewerkschaft teil. Diese Demo endete in einem Aufruhr, die Demonstranten warfen Steine, die Polizei schoß. Während der Demo wurden Menschen verhaftet, darunter auch der Präsident meiner Organisation,
Gani Fawahimmi, er ist Rechtsanwalt. Danach verhaftete die Polizei andere Mitglieder unserer Organisation in deren Häusern. Sie kamen auch zu meinem Haus. Da ich nicht da war, nahmen sie einen Cousin statt mir mit. Meine Mutter sagte, ich müsse flüchten, da ich ansonsten verhaftet würde. Ich habe danach zwei Tage bei einem Freund in Lagos versteckt."
Er sei in der Folge, nachdem weiterhin nach ihm gesucht worden sei, zu Pfarrer Bako in die Provinz Kaduna im Norden geflüchtet. Dort sei er bis zum 19. Februar 1996, dem Tag seiner Abreise in dessen Haus verblieben. Er sei vom Flughafen der Stadt Kano mit einem falschen Paß ausgereist. Das Risiko, hiebei von der Polizei festgenommen zu werden, sei nicht so groß gewesen, weil alle bestechlich seien. Auch würden ihn nicht alle kennen. Nur wenn man länger an einem Ort bleibe, kämen die Informationen nach Lagos. Er habe keine Angst davor, sich zu rechtfertigen, es bestehe aber "in meinem Land immer die Gefahr, daß Personen einfach verschwinden". Er sei in der CD aktives Mitglied gewesen, davon gebe es mehr als 150. Normale Mitglieder gäbe es etwa 2000. Bis zu seiner Flucht nach Kaduna seien etwa 100 Mitglieder verhaftet worden.
Die Behörde erster Instanz legte die Angaben des Beschwerdeführers der Feststellung des Sachverhaltes und daran anschließend ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde. Beschränkungen des Versammlungsrechtes oder der Abhaltung von Demonstrationen stellten keinen in der Flüchtlingskonvention genannten Grund dar, den Bewohnern jenes Landes deshalb Asyl zu gewähren. Solche Beschränkungen träfen alle Bewohner dieses Landes gleichermaßen. Auch eine aus Anlaß der Teilnahme an einer Demonstration erfolgte Verhaftung, Anhaltung oder Vorladung für sich allein stelle noch kein Indiz für das Vorliegen konkreter, gegen eine bestimmte Person gerichteter Verfolgung dar. Die vom Beschwerdeführer angesprochenen, im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Demonstration stehenden Vorfälle bzw. Befürchtungen, könnten daher nicht als Verfolgung im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 gewertet werden.
Des weiteren stünden die behaupteten Verfolgungsmaßnahmen lediglich im Zusammenhang mit dem Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung. Der Beschwerdeführer habe an einer nicht friedlich verlaufenen Demonstration teilgenommen. Ein Einschreiten staatlicher Behörden sei in einem solchen Fall nicht als Verfolgung anzusehen, weil es sich hiebei um Schritte zur Aufklärung eines allgemein strafbaren Deliktes handle. Auch dies begründe nicht die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.
In der dagegen erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß die Behörde erster Instanz die Glaubwürdigkeit seiner Angaben nicht in Zweifel gezogen habe und er die rechtliche Würdigung seiner Angaben durch die Erstbehörde bekämpfe. Er rügte in der Folge behauptete Fehler der Behörde unter Zitierung von Rechtssätzen aus zahlreichen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes.
Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren am 29. Juli 1996 vor, daß er anläßlich seiner Festnahme wegen des Verdachtes der Begehung strafgerichtlich zu verfolgender Delikte am 17. Juli 1996 ersucht habe, daß die nigerianische Botschaft von der Festnahme verständigt werde. Der Beschwerdeführer bestritt diesen Umstand.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und versagte dem Beschwerdeführer damit die Zuerkennung von Asyl. Sie übernahm im angefochtenen Bescheid die im erstinstanzlichen Bescheid im wesentlichen wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und schloß sich vollinhaltlich den Ausführungen in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides an, soweit diese die Frage der Flüchtlingseigenschaft betreffen. Darüber hinaus enthält der angefochtene Bescheid Ausführungen, aus welchen Umständen die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht die "volle Glaubwürdigkeit" zusprechen könne, sowie zum Vorliegen des Ausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991, weil sich der Beschwerdeführer aufgrund des im Rahmen seiner Festnahme geäußerten Ersuchens, die nigerianische Botschaft über diese Festnahme zu informieren, freiwillig wieder unter den Schutz des Heimatlandes gestellt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde war zur Übernahme der dargestellten Teile des erstinstanzlichen Bescheides berechtigt, ohne diese wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045).
Zentraler Aspekt des von § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Unter Verfolung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt dann vor, wenn der Eingriff in die zu schützende Sphäre geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in den Aufenthaltsstaat zu begründen. Keineswegs ist es erforderlich, daß eine tatsächliche Verfolgung bereits stattgefunden hat. Es reicht hin, daß aufgrund der äußeren Umstände und allenfalls bereits geschehener Ereignisse die Gefahr einer Verfolgung gegeben ist. Dabei ist auch die politische Situation des Heimatlandes zu berücksichtigen.
In seinem schriftlichen Asylantrag hatte der Beschwerdeführer um politisches Asyl ersucht, da er in seiner Heimat verfolgt werde und sein Leben dort nicht mehr sicher sei, ohne dies näher auszuführen.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung weder die Unrichtigkeit noch die Unvollständigkeit der in der Niederschrift vom 26. Februar 1996 enthaltenen Angaben gerügt. Die Berufung enthält kein Sachverhaltsvorbringen, sondern ausschließlich die Bekämpfung der rechtlichen Würdigung der Behörde erster Instanz.
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren nicht behauptet, daß die CD in seinem Heimatland verboten gewesen sei. Er gab auch nicht an, daß deren Mitglieder vor der nicht friedlich verlaufenen Demonstration am 20. November 1995 in irgendeiner Weise von den Behörden seines Heimatlandes Verfolgung gedroht habe. Der Zweck der Demonstration am 20. November 1995 war ein Protest wegen der Tötung von drei Menschen anläßlich der Demonstration vom 15. November 1995. An der Demonstration am 20. November 1995 nahmen nicht nur Mitglieder der CD, sondern auch die Studenten in Lagos und die Handelsgewerkschaft teil. Sie endete in "einem Aufruhr", die Demonstranten warfen Steine, die Polizei schoß. Der belangten Behörde kann nicht mit Aussicht auf Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie aus den im Gefolge der zweiten Demonstration einsetzenden Verhaftungen eine wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 nicht abgeleitet hat, weil - wie der Verwaltungsgerichtshof schon zu wiederholten Malen ausgesprochen hat - auch Festnahmen und Anhaltungen im Anschluß an Demonstrationen, wenn sie ohne weitere Folge bleiben, nicht als derartige Verfolgung gewertet werden können (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1993, Zlen. 93/01/0348, 0349, und vom 27. Juni 1995, Zl. 94/20/0689). Daß der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der befürchteten Verhaftung mit weiteren staatlichen Verfolgungsmaßnahmen hätte rechnen müssen, hat er weder behauptet noch kann derartiges den Verwaltungsakten entnommen werden. Zudem hat der Beschwerdeführer angegeben, er habe keine Angst davor, sich zu rechtfertigen. Er äußerte zwar die Befürchtung, daß in Nigeria "immer die Gefahr bestünde, daß Personen einfach verschwinden", fügte dieser vagen Befürchtung aber keine Ausführungen hinzu, aus welchen erkennbar wäre, daß eine solche Gefahr ihm selbst mit einer maßgeblichen Wahrscheinlicht drohe. Denn der Beschwerdeführer behauptete nicht, daß einer der aufgrund der Demonstration vom 20. November 1995 Verhafteten "verschwunden" oder sonstigen Repressalien ausgesetzt gewesen sei.
Wenn der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe die ihr obliegende Manuduktionspflicht verletzt, so ist ihm entgegenzuhalten, daß aus § 13 a AVG eine Verpflichtung der Behörden, einen Asylwerber, der keine Angaben macht, denen ein Hinweis auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu entnehmen ist, anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten sollte, nicht abgeleitet werden kann (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1991, Zlen. 92/01/0800-0803, und vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112).
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. z.B. die beiden zuletzt genannten hg. Erkenntnisse).
Da solche hinreichend deutlichen Hinweise im Vorbringen des Beschwerdeführers nicht enthalten sind, versagt auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers. Zu seiner Rüge, die belangte Behörde hätte Ermittlungen durchführen müssen, "ob die Ermordung des Vaters des B F einen politischen Aspekt gehabt hätte", ist noch darauf hinzuweisen, daß es sich hiebei um einen unzulässigen Erkundungsbeweis handeln würde.
Insofern der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde behauptet, er habe keine Möglichkeit gehabt, im Zuge seiner Asyleinvernahme Anträge zu stellen, bzw. genauere Gründe, die zu seiner Verfolgung in seinem Heimatland geführt hätten, darzulegen, so ist ihm zu entgegnen, daß er einen solchen Mangel seiner Einvernahme in seiner Berufung nicht behauptet hat, weshalb die erstmalige Rüge in der Beschwerde unbeachtlich ist. Darüber hinaus gibt der Beschwerdeführer auch in der Berufung nicht an, was er ansonsten zum Sachverhalt vorgebracht hätte.
Schon aus diesen Gründen erweist sich die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte nicht Verfolgung aus den im § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 genannten Gründen zu gewärtigen gehabt bzw. derzeit für den Fall einer etwaigen Rückkehr in seine Heimat zu befürchten, weshalb ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und deshalb die Asylgewährung ausgeschlossen sei, nicht als rechtswidrig.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides (Bezweiflung der "vollen Glaubwürdigkeit", Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 1 AsylG 1991).
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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