VwGH 95/21/0945

VwGH95/21/094510.6.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des HH in Reichenau im Mühlkreis, geboren am 30. September 1975, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. Juli 1995, Zl. St 115/95, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in Bosnien-Herzegowina gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina und habe am 7. November 1994 beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt. Bei der Vernehmung vor dem Bundesasylamt habe er angegeben, er wäre am 30. Juni 1993 im Zug des Bürgerkriegs in ein kroatisch-serbisches Gefangenenlager gebracht worden. Anschließend wäre er für einen Monat zu seiner Mutter zurückgekehrt. Am 7. November 1994 wäre er in einem Lkw versteckt über Slowenien illegal nach Österreich eingereist. Sein einziger Grund, warum er in Österreich einen Asylantrag gestellt habe, wäre, dass er in seinem Heimatort sein ganzes Hab und Gut verloren hätte. Dieser Ort wäre von Serben besetzt und er hätte in keiner Weise mehr in den Bürgerkrieg verwickelt werden wollen. Er wäre bereits mehrmals in seinem Heimatstaat geschlagen worden. Er hätte sich fast ein Jahr in der Nähe von Zagreb aufgehalten und wäre von den kroatischen Behörden nicht verfolgt worden.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes - so die belangte Behörde weiter - sei sein Antrag auf Gewährung von Asyl abgewiesen worden. Die dagegen eingebrachte Berufung sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres ebenfalls abgewiesen worden. Bei der Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Linz habe der Beschwerdeführer angegeben, er hätte das kroatisch-serbische Kriegsgefangenenlager am 1. November 1993 mit Hilfe eines kroatischen Lkw-Fahrers verlassen können. Dieser Lkw-Fahrer hätte ihn zu seiner Mutter in ein Flüchtlingslager nach Zenica gebracht. Nach einem Monat hätte ihn dieser Lkw-Fahrer wieder abgeholt und wäre mit ihm nach Kroatien gefahren. Dort hätte er sich ca. ein Jahr lang aufgehalten und wäre in der Folge über Slowenien in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist. In seinem Antrag nach § 54 Abs. 1 FrG habe er vorgebracht, er könnte deshalb nicht mehr in seinen Wohnort zurückkehren, weil dieser von den Serben besetzt wäre. Ansonsten würde er in seinem Heimatstaat nicht verfolgt.

Der belangten Behörde sei es wegen des in § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen. Dies sei im Hinblick auf § 37 Abs. 2 FrG vielmehr naheliegend. Auch eine Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG sei nicht festzustellen, zumal der Beschwerdeführer selbst angegeben habe, in seinem Heimatstaat nicht verfolgt zu werden. Er könnte lediglich deswegen nicht mehr in seinen Wohnort zurückkehren, weil dieser von den Serben besetzt wäre. Es werde von der belangten Behörde nicht bestritten, dass weite Teile des Heimatstaates des Beschwerdeführers von den Serben besetzt seien, dies treffe jedoch nicht auf das ganze Gebiet seines Heimatstaates zu. Wenn auch die menschenrechtliche Situation in diesem Heimatstaat nicht der eines westlichen Staates entspreche und nicht gutzuheißen sei, indiziere doch eine Bürgerkriegssituation für sich allein noch keine "Flüchtlingseigenschaft". Die Auswirkungen der Auseinandersetzungen im Heimatland des Beschwerdeführers hätten alle Bewohner in gleicher Weise zu erdulden, sodass die dadurch bedingten Benachteiligungen als keine gegen ihn gerichtete individuelle Verfolgung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu werten sei. Der Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG habe nicht eine Feststellung zum Inhalt, ob die Abschiebung in ein bestimmtes Gebiet des Heimatstaates zulässig sei. Dass die Regierung seines Heimatstaates noch handlungsfähig sei, erweise sich daraus, dass dem Beschwerdeführer ein Reisepass ausgestellt worden sei.

Letztlich führte die belangte Behörde aus, es solle im Übrigen nicht unerwähnt bleiben, dass die Angaben des Beschwerdeführers teilweise widersprüchlich seien. Der Beschwerdeführer habe vorerst angegeben, über kein Reisedokument zu verfügen, dann jedoch zugegeben, dass er bereits vor seiner Ausreise aus seinem Heimatstaat einen bosnischen Reisepass hätte beheben können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung

einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. April 1999, Zl. 97/21/0494) hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der im § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind.

In der Beschwerde wird auf das Vorbringen im Verwaltungsverfahren verwiesen, demzufolge der Beschwerdeführer in einem Gefangenenlager immer wieder Opfer serbischer und kroatischer Übergriffe geworden und dadurch am linken Auge verletzt worden sei. Wegen dieses Aufenthalts im Kriegsgefangenenlager kenne der Beschwerdeführer einige Kriegsverbrecher und müsse befürchten, dass diese im Fall seiner Rückkehr in seine Heimat versuchen würden, den Beschwerdeführer zu beseitigen, weil dieser Angaben über ihre verbrecherischen Handlungen machen könnte.

Soweit der Beschwerdeführer in allgemeiner Weise die Bürgerkriegssituation in seinem Heimatstaat anspricht, ist ihm zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 6. November 1998, Zl. 95/21/1121) die Tatsache kriegerischer Handlungen in dem vom Antrag erfassten Staat für sich allein keinen hinreichenden Grund für die Annahme im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG darstellt. Kann ein Fremder in einen Teil des Staatsgebietes abgeschoben werden, der von seiner eigenen Bürgerkriegspartei oder Bevölkerungsgruppe kontrolliert wird, entsteht für ihn aus der Bürgerkriegssituation noch keine unmittelbare Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis Zl. 95/21/1121). Der Beschwerdeführer tritt der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Feststellung nicht entgegen, dass zwar weite Teile seines Heimatstaates, nicht jedoch dessen ganzes Gebiet von den Serben besetzt sei. Es ist den Verwaltungsakten kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nicht in den von seiner Bevölkerungsgruppe kontrollierten Teil von Bosnien-Herzegowina erfolgen könnte. Davon ausgehend kann aus dem behaupteten Umstand, dass der Beschwerdeführer einige Kriegsverbrecher kenne, keine drohende Verfolgung für den Fall seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat abgeleitet werden, weil der Beschwerdeführer nicht dartut, in welcher Weise diese (zweifellos der anderen Bevölkerungsgruppe angehörenden) Kriegsverbrecher in dem von der Bevölkerungsgruppe des Beschwerdeführers kontrollierten Gebiet Verfolgungshandlungen setzen könnten. Insofern kommt der Verfahrensrüge, die belangte Behörde sei auf die Berufungsausführungen, der Beschwerdeführer hätte im Gefangenenlager Kriegsverbrecher persönlich kennengelernt, nicht eingegangen, keine Relevanz zu.

Insgesamt begegnet daher die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe keine stichhaltigen Gründe für seine Gefährdung bzw. Bedrohung in Bosnien-Herzegowina im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG aufzeigen können, keinen Bedenken, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. Juni 1999

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