VwGH 95/18/1236

VwGH95/18/123613.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Juni 1995, Zl. SD 830/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
FrG 1993 §17 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
FrG 1993 §17 Abs1;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Juni 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesh, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Gründe des Bescheides der Erstbehörde seien auch für die Entscheidung der belangten Behörde maßgebend gewesen.

Der Beschwerdeführer habe in der Zeit von Oktober 1992 bis September 1993 über Sichtvermerke verfügt und sei als Zeitungsverkäufer tätig. Sein Einkommen für Februar 1993, worüber eine Bestätigung vorliege, sei allerdings mit ÖS 5.400,--, wovon noch Abgaben einschließlich der Mehrwertsteuer zu entrichten gewesen seien, pro Monat ziemlich gering gewesen. Ein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung sei vom "Amt der Wiener Landesregierung" mit Bescheid vom 20. März 1994 abgelehnt worden, weil der Beschwerdeführer keinen Krankenversicherungsschutz nachgewiesen habe. Die dagegen eingebrachte Berufung sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Februar 1995 als verspätet zurückgewiesen worden. Der Bescheid sei seit 1. März 1995 rechtskräftig.

Das Vorbringen in der Berufung, der Beschwerdeführer habe gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhoben und über diese Beschwerde sei noch nicht entschieden worden, sei nicht zielführend, weil dies nichts an der Rechtskraft des ablehnenden Bescheides zu ändern vermöge. Daß die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, sei nicht geltend gemacht worden. Der vom Beschwerdeführer gestellte Feststellungsantrag gemäß § 54 FrG stehe zwar einer allfälligen Abschiebung nach Bangladesh, nicht aber der Ausweisung entgegen. Wenn ein Fremder aber nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei, sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstehe.

Der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet keine Familienangehörigen und es lasse sich auch, entgegen seiner Meinung, aus der Dauer des bisherigen Aufenthaltes noch kein Eingriff in sein Privatleben im Sinn des § 19 FrG ableiten. Diese Bestimmung stehe daher einer Ausweisung nicht entgegen. In einem solchen Fall habe aber auch, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, eine Interessenabwägung im Sinn des § 20 Abs. 1 FrG nicht zu erfolgen. Schon aus diesem Grunde sei daher auf das Argument des Beschwerdeführers, daß die Ausweisung mit "voller Vehemenz" in sein Leben eingreifen und sein Aufenthalt im Falle positiver Erledigung seines Antrages auf Abschiebungsaufschub "legalisiert" werden würde, nicht weiter einzugehen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft.

Diese Beurteilung stößt auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen im Ergebnis auf keine Bedenken.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist der Aufenthalt des Beschwerdeführers mit der Erlassung des seinen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung ablehnenden Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 20. März 1994 rechtswidrig geworden, da die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid vom Bundesminister für Inneres als verspätet zurückgewiesen wurde.

Daß - wie der Beschwerdeführer vorbringt - der Verwaltungsgerichtshof über eine vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde gegen die ihn betreffende negative Entscheidung nach dem Aufenthaltsgesetz noch nicht abgesprochen habe, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der gegen den Beschwerdeführer verfügten Ausweisung ohne rechtliche Relevanz, existiert doch keine Vorschrift, welche die zur Erlassung einer Ausweisung zuständige Behörde verpflichtet, mit dieser Entscheidung bis zum Abschluß eines derartigen Beschwerdeverfahrens zuzuwarten. Daß aber der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, wird im übrigen in der Beschwerde nicht behauptet und war nach Ausweis des Beschwerdeaktes, Zl. 95/18/0733, tatsächlich nicht der Fall.

Damit hat die belangte Behörde das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzung - vorbehaltlich der Zulässigkeit nach § 19 FrG - für die Erlassung einer Ausweisung gegen den Beschwerdeführer zutreffend bejaht.

2. Die Beschwerde hält den bekämpften Bescheid im Grunde des § 19 FrG für rechtswidrig, weil die belangte Behörde auf das Privatleben des Beschwerdeführers (dieser lebe seit 1992 in Österreich, sei wirtschaftlich in Österreich eingebunden, habe einen festen Arbeitsplatz und sei dadurch - aber auch durch seinen großen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich - gesellschaftlich und sozial vollkommen integriert und habe dort den Mittelpunkt zu seinen Lebensinteressen gefunden, sodaß "die stärkste Bindung zu Österreich" bestehe) in keiner Weise Rücksicht genommen hätte.

Dieses Vorbringen ist verfehlt.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides bringt dadurch, daß sie die Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz - nämlich des Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. Mai 1995, Zl. IV-736.979/FrB/95 - vollinhaltlich übernimmt, zum Ausdruck, daß das Privatleben des Beschwerdeführers und dessen persönliche Interessen gegenüber dem einen hohen Stellenwert einnehmenden maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, welches die Ausweisung des Beschwerdeführers dringend gebieten würde, zurückzustehen hätten. Diese Beurteilung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Denn einerseits kommt den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. März 1996, Zl. 96/18/0116). Andererseits sind die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich angesichts seines noch keineswegs langen Aufenthaltes in der Dauer von weniger als zwei dreiviertel Jahren, wovon ein Zeitraum von etwa drei Monaten als unrechtmäßiger Aufenthalt zu Buche schlägt, nicht so stark ausgeprägt, und zwar auch nicht unter Bedachtnahme auf seine Beschäftigung, daß sie schwerer zu gewichten wären als das besagte maßgebliche öffentliche Interesse.

3. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist der Verfahrensrüge, derzufolge die belangte Behörde den § 45 Abs. 3 AVG betreffend das Parteiengehör nicht beachtet habe, der Boden entzogen, zumal - wie den Akten des Verwaltungsverfahrens entnommen werden kann - die belangte Behörde auch weitere Ermittlungen nicht durchgeführt, sondern ihrer Entscheidung jenen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, von dem schon die Erstbehörde in ihrer Entscheidung ausgegangen ist; da der Beschwerdeführer von diesem Sachverhalt aufgrund des Bescheides der Erstbehörde Kenntnis hatte und ihm auch Gelegenheit geboten worden war, in seinen Berufungsausführungen dazu Stellung zu nehmen, bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung, dem Beschwerdeführer vor der Erlassung ihres Bescheides im Sinn des § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben, zu dem dem Beschwerdeführer ohnehin bereits bekannten Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1966, Zl. 2167/65). Die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers erweist sich somit als unberechtigt.

4. Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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