VwGH 95/18/0888

VwGH95/18/088813.3.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des Y in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. März 1995, Zl. SD 339/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

21964A1229(01) AssAbk Türkei ;
ARB1/80 Art14 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18;
21964A1229(01) AssAbk Türkei ;
ARB1/80 Art14 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. März 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der (am 23. Jänner 1989 in das Bundesgebiet eingereiste) Beschwerdeführer verfüge erst ab Juli 1990 über eine Aufenthaltsberechtigung. Bereits Ende 1989 sei er zweimal wegen Entziehung von Energie (zu Geldstrafen von 30 und 50 Tagessätzen) rechtskräftig verurteilt worden. Eine im Jahre 1991 wegen des Verdachtes des schweren Betruges und der Urkundenunterdrückung erstattete Anzeige sei zurückgelegt worden. Im Frühjahr 1993 sei der Beschwerdeführer wegen Betruges zu einer Geldstrafe (im Ausmaß von 90 Tagessätzen) rechtskräftig verurteilt worden. Nunmehr (am 6. Juni 1994) sei er wegen Diebstahles, Betruges, Urkundenunterdrückung und dauernder Sachentziehung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Aufgrund dieser Verurteilungen wegen auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Straftaten sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Wegen der von den Straftaten bewirkten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit lägen auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG vor. Den beiden (rechtskräftigen) Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen unerlaubten Aufenthaltes, von denen eine bereits mehr als fünf Jahre zurückliege, komme diesbezüglich nur marginale Bedeutung zu.

Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG werde durch das Aufenthaltsverbot zweifellos bewirkt, weil sich die Gattin des Beschwerdeführers bereits ebenso lange wie dieser im Bundesgebiet aufhalte und dem Beschwerdeführer Ende 1990 gestattet worden sei, seine Kinder nachkommen zu lassen. Der Eingriff sei aber im Hinblick auf die wiederholten einschlägigen Straftaten zum Schutze der Rechte Dritter und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK gennanten Ziele, dringend geboten. Aufgrund der Straftaten sei den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein größeres Gewicht beizumessen als den zweifellos beträchtlichen Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da alle vier gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers jeweils auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen - auch beim Tatbestand der Entziehung von Energie gemäß § 132 StGB handelt es sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nach der Systematik des Strafgesetzbuches (siehe die Überschrift zum 6. Abschnitt dieses Gesetzes) um ein "Delikt gegen fremdes Vermögen" -, ist der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG erfüllt.

2. Aus den diesen Verurteilungen zugrunde liegenden strafbaren Handlungen läßt sich die negative Haltung des Beschwerdeführers gegenüber den Vorschriften zum Schutz fremden Eigentums ableiten. Schon deshalb begegnet die in der Beschwerde bekämpfte Ansicht der belangten Behörde, die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, keinen Bedenken. Diese Beurteilung trifft umso mehr zu, als der Beschwerdeführer auch eine Urkundenunterdrückung begangen hat und zweimal wegen unerlaubten Aufenthaltes bestraft wurde.

Es sei hinzugefügt, daß es sich - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung - bei der Bestimmung des § 18 Abs. 1 FrG, wonach bei Gerechtfertigtsein einer der in den Z. 1 oder 2 dieser Bestimmung umschriebenen Annahmen (vorbehaltlich der Zulässigkeit dieser Maßnahme nach den §§ 19 und 20 FrG) ein Aufenthaltsverbot zu erlassen IST, sehr wohl um eine "Mußbestimmung" handelt.

3. Die belangte Behörde hat aufgrund des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit 1989 (berechtigt allerdings erst seit Juli 1990) und der Tatsache, daß sich auch die Gattin und die (fünf) Kinder in Österreich befinden, zu Recht die Ansicht vertreten, mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei ein Eingriff in die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers verbunden. Ihre Ansicht, daß dieser Eingriff zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, kann indes nicht als rechtswidrig erkannt werden. Vor allem die den gerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegenden Angriffe gegen fremdes Vermögen machen angesichts des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer, insbesondere zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer, notwendig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/1142). Das der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Urkundenunterdrückung und den Bestrafungen wegen unbefugten Aufenthaltes zugrunde liegende Fehlverhalten zeigt, daß das Aufenthaltsverbot auch im Interesse der öffentlichen Ordnung (vor allem eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten ist.

4. Mit dem Beschwerdeeinwand, daß die Verhängung des Aufenthaltsverbotes einem für Österreich seit 1. Jänner 1995 rechtswirksamen Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Türkei widerspreche, bezieht sich der Beschwerdeführer offensichtlich auf das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei aus dem Jahre 1963 und den auf dessen Grundlage gefaßten Beschluß Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei. Diese beiden in Österreich seit dessen Beitritt zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 unmittelbar anwendbaren Rechtsakte schließen die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen türkische Staatsangehörige keineswegs aus. Vielmehr macht gerade Art. 14 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 ("Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.") deutlich, daß die die Beschäftigung und die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer regelnden Bestimmungen (Abschnitt 1 des Kapitels II des Beschlusses) der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehen, wenn es aus einem oder mehreren der vorgenannten Gründe gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0362). Im Beschwerdefall ist diese Rechtfertigung aus zwei der angeführten Gründe gegeben. Die wiederholte Eigentumskriminalität des Beschwerdeführers, die Urkundenunterdrückung und der unberechtigte Aufenthalt lassen die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes sowohl im Interesse der öffentlichen Sicherheit als auch im Interesse der öffentlichen Ordnung als notwendig erscheinen.

5. Bei der nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung hat die belangte Behörde die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers sowie seiner Gattin und der Kinder in Österreich berücksichtigt und kam daher zutreffend zu dem Ergebnis, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes "beträchtliche Auswirkungen" auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie habe. Auch bei zusätzlicher Berücksichtigung der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers würden die privaten Interessen nicht wesentlich verstärkt, wird doch die soziale Komponente der daraus ableitbaren Integration durch die Straftaten erheblich gemindert (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 95/18/1142). Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, bei einer Ausreise seiner Familie, welche in der Türkei nicht integriert sei, müßten die minderjährigen Kinder ihre Schulausbildung abbrechen, ist ihm zu entgegnen, daß mit einem Wechsel der Kinder an türkische Schulen zwar möglicherweise gewisse Umstellungsschwierigkeiten verbunden wären, eine Unmöglichkeit dieses Wechsels von der Beschwerde aber nicht aufgezeigt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/1222). Im übrigen bewirkt das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer keine Ausreiseverpflichtung seiner Familie. Die Kinder könnten also - bei Erfüllung der aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen - mit ihrer Mutter in Österreich verbleiben. Diesfalls könnte der Beschwerdeführer seiner Unterhaltsverpflichtung nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch vom Ausland aus nachkommen; der Kontakt zum Beschwerdeführer könnte durch Besuche seiner Gattin und der Kinder im Ausland zumindest in einem eingeschränkten Umfang aufrecht erhalten werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/0009).

Wenngleich den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers insgesamt betrachtet doch ein beachtliches Gewicht zukommt, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie zu einem für den Beschwerdeführer ungünstigen Ergebnis der Interessenabwägung gelangt ist. Das durch das beschriebene gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers, der sich nach dem Akteninhalt auch durch die Androhung der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht von weiteren Straftaten abhalten ließ, begründete öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme wiegen insgesamt nicht weniger schwer als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.

6. Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde hätte seine "Lebensumstände über die bloßen strafgerichtlichen Verurteilungen hinaus" erheben müssen, zeigt er nicht auf, welche weiteren Umstände die belangte Behörde festzustellen gehabt hätte und tut daher die Relevanz des damit geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar.

7. Da nach dem Gesagten der angefochtene Bescheid frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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