Spruch:
Der Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1946 geborene Beschwerdeführerin steht als Ministerialrätin in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; ihre letzte Dienststelle war das Bundeskanzleramt, wo sie als Abteilungsleiterin tätig war.
Aufgrund einer Wirbelsäulenerkrankung, die sich (nach Angaben der Beschwerdeführerin) ab April 1992 drastisch verschlechterte, trat ab diesem Zeitpunkt eine Häufung von Krankenständen auf (Krankenstände im Jahr 1992: 106 Tage - davon 21 Tage Kuraufenthalt; 1993: 148 Tage - davon 21 Tage Kuraufenthalt; 1994:
213 Tage. Zum Vergleich: 1991 machten die Krankenstände der Beschwerdeführerin 15 Tage, 1990 17 Tage aus). Sie befand sich ab April 1992 auch mehrfach in Spitalsbehandlung (u.a. drei Spitalsaufenthalte 1992 und 1993 im Orthopädischen Spital in Speising, ein Spitalsaufenthalt 1993 in Glain Glwyd Hospital in England).
Mit Schreiben vom 4. Dezember 1994 stellte sie den Antrag, sie aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand zu versetzen und die Voraussetzungen für die Zurechnung nach § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG) zu prüfen. Die umfassenden und intensiv durchgeführten Therapien (werden näher aufgezählt) würden ihr zwar vorübergehend Erleichterung bringen, jedoch keine nachhaltige Besserung des Gesundheitszustandes herbeiführen. Vor allem das Sitzen verursache ihr starke Schmerzen und Verspannungen, sodaß nach relativ geringen Belastungen Lumbalgien und Ischialgien ausgelöst werden würden. Die sie behandelnden Ärzte hätten ihr von einer Operation abgeraten und die Fortsetzung konservativer Therapien sowie eine Änderung der beruflichen Situation empfohlen. Ihr gesundheitlicher Zustand bringe, gemessen an den Bedingungen und Anforderungen an ihren Arbeitsplatz, eine auf Dauer unerträgliche Belastung mit sich; die Fortsetzung ihrer beruflichen Dienstleistungen lasse die Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes erwarten.
Diesem Antrag war folgender "Befundbericht" des sie behandelnden Facharztes für Orthopädie Dr. P. vom 28. November 1994 angeschlossen:
Diesem Antrag war folgender "Befundbericht" des sie behandelnden Facharztes für Orthopädie Dr. P. vom 28. November 1994 angeschlossen:
"Dg: | |
Lumbalgie, Lumboischialgie mit Seitenbetonung links | |
Faktoren: | schwerste Osteochondrose L4/5 mit dorsaler |
osteophytärer Reaktion | |
exzentrische Protrusion L5/S1 links | |
Coxalgie links | |
Faktoren: | Coxarthrose |
Rö: | |
LWS: | schwerste Osteochondrose L4/5 mit Spondylose und |
Facettenarthrose | |
Osteochondrose und Facettenarthrose geringeren | |
Ausmaßes auch L5/S1 |
Beckenübersicht: | |
Coxarthrose mäßigen Grades links, incip. rechts | |
Computertomographie: | |
Segment L5/S1 exzentrische Protrusion, Segment L4/5 | |
dorsale osteophytäre Reaktion mit deutlicher | |
Einengung des Neuroforamens L4/5 links |
Anamnese: | Beschwerdebeginn April 1992, seither 3 x stationärer Aufenthalt im KH Speising Abt. für Kons. Orth. |
Schon nach kurzer Belastung durch Sitzen (Auto, Büro, Flugzeug) werden akute Lumbalgien und Ischialgien ausgelöst. Somit ist eine Fortsetzung der derzeitigen beruflichen Tätigkeiten untragbar geworden. Aus orthopädischer Sicht wird der Patientin eine vorzeitige Pensionierung auf Grund schwerster degenerativer Veränderungen des Lumbalbereichs angeraten."
Über Veranlassung der belangten Behörde erstattete der Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. Sch. sein Gutachten vom 31. Jänner 1995, in dem er zum Ergebnis gelangte, die Beschwerdeführerin sei derzeit "vollschichtig" dienstfähig. Ein weiterer Krankenstand sei nicht gerechtfertigt. Dem schloß sich der Vertrauensarzt der belangten Behörde an. Daraufhin erteilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. Februar 1995 (ihr am 16. Februar 1995 zugestellt) die schriftliche Weisung, ihren Dienst an dem der Übernahme dieses Schreibens nächstfolgenden Arbeitstag anzutreten. Sollte sie wegen einer akuten Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes diese Weisung nicht befolgen können, habe sie sich ohne weitere Aufforderung der belangten Behörde spätestens an dem der Nichtbefolgung der Weisung nächstfolgenden Ordinationstag beim Vertrauensarzt zu einer vertrauensärztlichen Untersuchung einzufinden. Die Beschwerdeführerin trat ihren Dienst nicht an, suchte jedoch in Befolgung der genannten Weisung den Vertrauensarzt am 21. Februar 1995 auf.
Außerdem nahm die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20. Februar 1995 zum Gutachten Dris. Sch. vom 31. Jänner 1995, das die Grundlage für die Aufforderung zum Dienstantritt gebildet hatte, unter Vorlage der Stellungnahme ihres Arztes Dr. P. vom 20. Februar 1995 Stellung, in der dieses Gutachten (mit näherer Begründung) als fachlich nicht haltbar bewertet wurde. Außerdem ergänzte sie ihren Antrag vom 4. Dezember 1994 und führte dazu u. a. aus:
"Seit April 1992 setzen schwerwiegende Lendenwirbelsäulenbeschwerden ein, d.h. ständige Schmerzen bis zur totalen Blockierung von Wirbelsäulensegmenten mit extrem starken Schmerzen und Bewegungsunfähigkeit. ...
Die Blockierungen setzen schlagartig ein, kündigen sich jedoch in der Regel durch vorgehende stärkere Kreuzschmerzen und Bewegungseinschränkungen an. Ich brauchte in solchen Fällen sofort fachärztliche Hilfe in Form von Manipulationen, Epiduralstichen, Akkupunktur.
Auslösende Faktoren für diese Beschwerdefälle sind vor allem längeres Sitzen, Streß, Gehen auf Asphalt, Tragen oder Heben von bereits relativ geringen Gewichten, Kuppeln beim Autofahren und insbesondere das Fehlen von für mich notwendigen Ruhepausen."
Die belangte Behörde zog hierauf den Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. R. als weiteren Gutachter bei. Auf Grund der von ihm am 15. März 1995 durchgeführten Untersuchung und verschiedener Befunde, darunter auch der beiden von Dr. P. erstatteten Stellungnahmen, kam Dr. R. in seinem Gutachten vom 5. April 1995 zu folgendem Ergebnis:
"Diagnosen: | |
1) | Lumbosakralgie |
2) | Lumboischialgie m. Ausstrahlung nach li |
3) | Osteochondrose L4/5 und Verteprostenose L4/5 |
4) | Osteochondrose L5/S1 mit Verteprostenose undr echtsseitiger Neuroforamenstenose |
5) | Inzipiente Coxarthrose li |
6) | Discusprolaps L4/5 und Protrusion L3/4 und L5/S1 |
Gegenüber den SV-GA von Dr. Sch., der der Patientin eine volle Arbeitsfähigkeit adjustiert, bin ich der Ansicht, daß auf Grund der massiven Veränderungen der LWS bei der Patientin eine nur eingeschränkte Arbeitsfähigkeit vorliegt.
Da Frau ... (die Beschwerdeführerin) ein leitende Tätigkeit ausübt, in der sie keinen Zwangshaltungen ausgesetzt ist, und sie dabei auch in der Lage ist, ihre Tätigkeit großteils selbst einteilen zu können, sehe ich nicht die Notwendigkeit einer vorzeitigen Pensionierung. Da diese Veränderungen im Bereiche der WS einengender Natur sind, bin ich wie Dr. W. (Anmerkung: die Stellungnahme dieses Facharztes für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie legte die Beschwerdeführerin erst nach Durchführung der Untersuchung, aber vor Erstellung das Gutachten vor) der Meinung, daß bei vorherrschender Therapieresistenz eine operative Sanierung langfristig am sinnvollsten wäre.
Zusammengefaßt ist Frau ... (die Beschwerdeführerin) in der Lage folgende Tätigkeiten auszuüben: Sitzende Tätigkeit mit verlängerten Pausen und der Möglichkeit, eine Lageveränderung durchzuführen.
Zu vermeiden sind: das Tragen von Gewichten über 6 kg, Stiegensteigen, das Besteigen von Leitern.
Die Anfahrtswege im Stadtbereich mit öffentl. Verkehrsmitteln sind ihr zumutbar.
Kuraufenthalt jährlich muß der Patientin zugestanden werden. Anzustreben wäre entweder eine etwas reduzierte Arbeitszeit und die Möglichkeit, alle 2 Stunden eine Pause von 15 Minuten einlegen zu können.
Insgesamt wäre eine Streßreduktion für Frau ... (der Beschwerdeführerin) anzustreben, um ihre reduzierte Arbeitsfähigkeit zu erhalten."
Der Vertrauensarzt der belangten Behörde gelangte in seinem Gutachten vom 12. April 1995 zum Ergebnis, bei der Beschwerdeführerin sei auf Grund dieses Fachgutachtens derzeit und zumindest auch in absehbarer Zukunft die körperliche Eignung für die ganztägige Ausübung einer Leitungsfunktion nicht gegeben. Aus diesem Gutachten gehe jedoch eindeutig hervor, daß stundenweise sitzende Tätigkeiten zu Erwerbszwecken mit entsprechenden Pausen weiterhin zumutbar seien.
Die belangte Behörde übermittelte beide Gutachten der Beschwerdeführerin in Wahrung des Parteiengehörs mit Schreiben vom 20. April 1995 und wies darauf hin, infolge ihrer dauernden Dienstunfähigkeit sei die Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin nach § 14 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 in Aussicht genommen, zumal im Ressortbereich kein gleichwertiger Arbeitsplatz im Sinne des Abs. 3 der genannten Bestimmung zugewiesen werden könne. Im Gutachten Dris. R. werde eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß der Beschwerdeführerin jedoch weiterhin jedenfalls stundenweise sitzende Tätigkeiten zu Erwerbszwecken mit entsprechenden Pausen zumutbar seien. Mangels Erwerbsunfähigkeit sei eine Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG nicht möglich.
In ihrer Stellungnahme vom 5. Mai 1995 stimmte die Beschwerdeführerin den Ausführungen zu ihrer Dienstunfähigkeit zu, vertrat aber zur Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit eine andere Auffassung als die belangte Behörde. Zum einen wies sie darauf hin, daß die vom BKA gewährten Arbeitserleichterungen (Einlegen von Arbeitspausen; frühzeitige Beendigung des Dienstes bei Auftreten von Beschwerden, um nach Hause bzw. zur Behandlung gehen zu können) nicht zu einer Verringerung der Krankenstände in den Jahren 1992 bis 1994 geführt habe. Sie habe wiederholt beruflichen Verpflichtungen nicht nachkommen können, da in relativ kurzen Abständen immer wieder Beschwerden aufgetreten seien. Natürlich wäre sie bereit, zwischen den Anfällen in einer stundenweisen Tätigkeit berufstätig zu sein. Da das Auftreten der Schmerzen und Beschwerden aber nicht vorhersehbar sei, könne sie sich nicht zu einer kontinuierlichen oder längerfristig geplanten (wenn auch nur stundenweisen) Arbeit verpflichten. Es sei abzusehen, daß auch in Zukunft Krankenstände von mindestens sieben Wochen pro Jahr (tatsächlich voraussichtlich wesentlich mehr - der Durchschnitt der letzten drei Jahre habe 22 Wochen betragen) auftreten würden. Dies bedeute unter Berücksichtigung ihres Urlaubsanspruches von jährlich sechs Wochen einen Ausfall von mindestenes 13 bis 14 Wochen pro Jahr. Das stelle eine Grenze zur Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dar. Sie sei daher auf Grund der langen Absenzen vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen und daher aus diesem Grund erwerbsunfähig.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sprach die Behörde im (unangefochten gebliebenen) Spruchpunkt 1. die Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 mit Ablauf des 30. Juni 1995 aus. Im (angefochtenen) Spruchpunkt 2. verfügte sie, daß eine Zurechnung im Sinne des § 9 Abs. 1 PG nicht erfolge. In der Begründung zu Spruchpunkt 1. verwies die belangte Behörde im wesentlichen (ohne nähere Darstellung) auf das Gutachten Dris. R. vom 5. April 1995 und das (darauf gestützte) Gutachten des Vertrauensarztes vom 12. April 1995. Zu Spruchpunkt 2. gab die belangte Behörde - nach Wiedergabe des § 9 Abs. 1 PG und einen Hinweis auf den Unterschied zwischen Dienstunfähigkeit (im Sinne des § 14 Abs. 1 BDG 1979) und der Erwerbsunfähigkeit (im Sinne des § 9 Abs. 1 PG) - jenen Teil des Gutachtens Dris. R. vom 5. April 1995 wieder, zu welchen Tätigkeiten die Beschwerdeführerin noch imstande sei. Damit habe der Gutachter eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß die Beschwerdeführerin, wenn auch eingeschränkt, arbeitsfähig sei. Auf Grund dieses Gutachtens über den Leidenszustand sowie unter Bedachtnahme auf die Betätigung, die die Beschwerdeführerin nach ihrer körperlichen und geistigen Konstitution noch zu verrichten imstande sei, werde von der belangten Behörde festgestellt, daß die ihr "verbliebene körperliche und geistige Leistungsfähigkeit die Ausübung einer ihrer Ausbildung (Studium der Betriebswirtschaften) zum Diplomkaufmann entsprechende erwerbsmäßige Büroarbeit, wie z.B. Kalkulationsarbeit, ermöglicht". Erwerbsunfähigkeit liege vor, wenn die dem Beamten verbliebene Arbeitskraft nicht mehr ausreiche eine Beschäftigung anzunehmen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an sich begehrt und honoriert werde. Ob dem Beamten aber eine Beschäftigung, die Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes sei, tatsächlich vermittelt werden könne oder nicht, sei für die Beurteilung der Frage der Erwerbsunfähigkeit ohne Bedeutung. Der Verwaltungsgerichtshof habe schon mehrmals zum Ausdruck gebracht, daß Tätigkeiten, die der Beamte vom medizinischen Standpunkt beurteilt noch auszuüben vermöge, im Sinne des § 9 Abs. 1 PG dann zumutbar seien, wenn sie ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Vorbildung des Beamten annähernd gleichkämen, und wenn die Aufnahme der Tätigkeit vom Beamten auch nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen (z.B. Lage des Wohnsitzes) billigerweise erwartet werden könne. Nur soziale, d.h. die Wertung innerhalb der menschlichen Gesellschaft kennzeichnende, nicht aber auch wirtschaftliche (finanzielle) Gesichtspunkte seien in diesem Zusammenhang maßgebend. Ausfälle an Einkommen oder sonstige wirtschaftliche Nachteile, die ein sozial annähernd gleichwertiger Beruf mit sich bringe, müßten bei der Beurteilung, ob Zumutbarkeit gegeben sei, ebenso unberücksichtigt bleiben, wie wirtschaftliche Erscheinungen (z.B. Arbeitslosigkeit).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die nach der Anfechtungserklärung ausdrücklich nur gegen den Spruchpunkt 2. (keine Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG) erfolgt. Geltend gemacht werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 in der Fassung der 8. Pensionsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 426/1985, hat die oberste Dienstbehörde dem Beamten, der ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden ist, aus Anlaß der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenußbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch zehn Jahre, zu seiner ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Zurechnung zur ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit nach § 9 Abs. 1 PG durch unrichtige Anwendung dieser Norm sowie der Vorschrift über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG; §§ 37, 39 und 60 AVG) verletzt.
Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die belangte Behörde sei auf ihr Vorbringen vom 5. Mai 1995 (Ausmaß der künftig zu erwartenden jährlichen Krankenstände; Wirkungslosigkeit der ihr gewährten Arbeitserleichterungen) nicht eingegangen, obwohl dies unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 1 PG rechtserheblich gewesen wäre. Nach der einschlägigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes, auf die sie sich in ihrer Stellungnahme berufen habe, werde die Arbeitsfähigkeit bei einem Ausmaß von sieben Wochen Krankenstände pro Jahr verneint. Tatsache sei, daß sie in den letzten drei Jahren unter Berücksichtigung des Urlaubes, in den letzten zwei Jahren sogar unter dessen Ausklammerung, weniger als die Hälfte der vorgesehenen Arbeitszeit tatsächlich Dienst verrichten habe können. Wenn es zutreffe, daß für die Zukunft ein ähnliches Ausmaß an Krankenständen zu erwarten sei, sei ihre Erwerbsfähigkeit nicht gegeben. Es sei daher unerläßlich gewesen, den Sachverständigen-Beweis dahingehend zu ergänzen, ob diese Zukunftsprognose zutreffe, wobei auch ihr Vorbringen zu beachten sei, daß die ihr bisher gewährten Arbeitserleichterungen nicht zu einer Verringerung der Krankenstände geführt hätten.
Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht.
Die Anwendung des § 9 Abs. 1 PG setzt jedenfalls die Dienstunfähigkeit des Beamten voraus. Die Erwerbsunfähigkeit ist damit im Verhältnis zur Dienstunfähigkeit der weitere Begriff. Der Beamte ist dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen kann (medizinischer Aspekt) und kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz im Bereich seiner Dienstbehörde vorhanden ist, dessen Aufgaben der Beamte erfüllen kann und dessen Ausübung ihm billigerweise zugemutet werden kann (Vergleichsaspekt) (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1991, Zl. 90/12/0272).
Dem entgegen bedeutet der weitere Begriff der Erwerbsunfähigkeit, trotz des beruflich einschränkenden Zustandes, der Dienstunfähigkeit bewirkt hatte, doch in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit ist abstrakt zu beurteilen; es kommt also nicht darauf an, ob gerade ein Bedarf an der Verweisungstätigkeit besteht oder nicht. Maßgebend ist vielmehr, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Fähigkeit des Einsatzes für bestimmte Tätigkeiten gegeben sind. Hiebei ist auch zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit, Fähigkeit zur Selbstorganisation) gegeben ist (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juni 1994, Zl. 93/12/0150).
Voraussetzung für die Begünstigung nach § 9 Abs. 1 PG ist neben der Erwerbsunfähigkeit noch, daß diese ohne vorsätzliches Verschulden des Beamten eingetreten ist und die verbliebene Restarbeitsfähigkeit für einen zumutbaren Erwerb ausreicht. Die Erwerbsfähigkeit setzt jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit voraus (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juni 1994, Zl. 93/12/0150).
Der Oberste Gerichtshof hat in seinem Beschluß vom 16. Juni 1992, 10 Ob S 119/92, unter Angabe weiterer Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß bei regelmäßig zu erwartenden Krankenständen von sieben Wochen jährlich ein Ausschluß des so gesundheitlich Reduzierten vom Arbeitsmarkt anzunehmen ist (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, 96/12/0353).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund sowohl im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als auch des Obersten Gerichtshofes hätte aber die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 5. Mai 1995 vorgenommene durch die Dauer ihrer Krankheit in den letzten drei Jahren untermauerte Einschätzung, es sei auch in Zukunft auf Grund ihres Gesundheitszustandes mit längeren Krankenständen zu rechnen, die - selbst nach Abzug des von der Beschwerdeführerin teilweise in Rechnung gestellten sechswöchigen Erholungsurlaubes - mindestens sieben bis acht Wochen pro Jahr ausmachten, prüfen müssen, weil erst dann abschließend die unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 1 PG maßgebende Rechtsfrage hätte beurteilt werden können, ob sie im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt einsatzfähig ist bzw. ob ihre verbliebene Restarbeitsfähigkeit noch am Arbeitsmarkt verwertet werden kann. Diese Prüfung hat unabhängig von einer speziellen beruflichen Tätigkeit und deren Ausmaß zu erfolgen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der von der belangten Behörde herangezogene Vergleichsberuf (Kalkulant) seiner sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und Fortbildung der Beschwerdeführerin annähernd gleich kommt (vgl. dazu allgemein z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1998, 96/12/0340) und ob - wie die belangte Behörde insbesondere in der Gegenschrift gemeint hat - die Verweisung eines ganztägig beschäftigt gewesenen Beamten auf eine Teilzeitbeschäftigung nach § 9 Abs. 1 PG überhaupt zulässig ist.
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift hat die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen vom 5. Mai 1995 ihre Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 PG unter einem neuen bisher nicht geprüften Gesichtspunkt in Frage gestellt; dies selbst dann, wenn man - wie die belangte Behörde - davon ausgeht, daß die Beschwerdeführerin in der zitierten Stellungnahme der Feststellung des von der belangten Behörde herangezogenen Sachverständigen Dr. R. über ihre "Restarbeitsfähigkeit" aus medizinischer Sicht nicht entgegengetreten ist. Daß der medizinische Sachverständige sein Gutachten zur "Restarbeitsfähigkeit" der Beschwerdeführerin auch unter Berücksichtigung des Aspektes künftiger Krankenstände, die auf Grund ihres Gesundheitszustandes im maßgebenden Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung aus medizinischer Sicht erfahrungsgemäß zu erwarten seien, erstellt hat, läßt sich diesem Gutachten nicht entnehmen.
Abgesehen von der Verpflichtung der belangten Behörde zur amtswegigen Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 1 PG bezogen sich die Einwände der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 5. Mai 1995 entgegen der in der Gegenschrift von der belangten Behörde vertretenen Auffassung nicht bloß auf die Dienstunfähigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 BDG 1979, sondern unmißverständlich auf ihren Antrag auf Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG und den dafür maßgeblichen Begriff der Erwerbsunfähigkeit. Der Rückgriff auf die im Dienststand in den letzten Jahren aufgelaufenen Krankenstände diente offenkundig bloß der Untermauerung der im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand anzustellenden Prognose betreffend künftiger Krankenstände.
Die Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe sich in ihrer Stellungnahme vom 5. Mai 1995 bloß auf eine unbeachtliche Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes berufen, weil dessen Judikatur zu anderen Rechtsvorschriften ergangen sei, lassen erkennen, daß die belangte Behörde von einer rechtsirrigen Auffassung bezüglich des § 9 Abs. 1 PG (hier: Bedeutung von längeren Krankenständen für die Einsatzfähigkeit am Arbeitsmarkt) ausgegangen ist und deshalb eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin vom 5. Mai 1995 für entbehrlich hielt (sekundärer Verfahrensmangel).
Aus diesen Gründen war daher der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf hinweist, die Beschwerdeführerin wäre in der Lage gewesen, trotz ihrer Krankenstände zwischendurch (d.h. kurze Zeit nach deren Beendigung oder im unmittelbaren Anschluß daran) "umfangreiche Vortragstätigkeiten" an der Verwaltungsakademie zu entfalten, war auf die Frage, ob und gegebenenfalls wie sich dieser Umstand (wenn er zutreffen sollte) auf die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 PG auswirken könnte, im Beschwerdefall nicht näher einzugehen, weil sich die belangte Behörde auf dieses Argument im angefochtenen Bescheid nicht berufen hat. Ausführungen in der Gegenschrift ersetzen nicht die fehlenden Erörterungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Dezember 1998
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