Normen
AVG §41 Abs1;
AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §42 Abs2;
AVG §8;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §107 Abs1;
WRG 1959 §107 Abs2;
AVG §41 Abs1;
AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §42 Abs2;
AVG §8;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §107 Abs1;
WRG 1959 §107 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf Grundstück Nr. n1/1 bezieht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Eingabe vom 16. August 1994 suchte die mitbeteiligte Partei (MP) um Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung des Teilprojektes "Außerbraz" der Ortskanalisation von Bludenz an. Im Zuge der Antragstellung legte die Projektswerberin die Zustimmungserklärungen betroffener Grundstückseigentümer vor. Auch der Beschwerdeführer gab gemeinsam mit einer weiteren Miteigentümerin eine mit 6. August 1993 datierte Zustimmungerklärung ab, die sich auf Grundparzelle 2936/1 (GB Bludenz) bezog. Diese Erklärung hat folgenden Wortlaut:
"Ich (Wir) bin (sind) mit der Grundinanspruchnahme für die Erweiterung der Kanalanlage gemäß Projekt Nr. F 92.18 vom Februar 1993 des Ing. Büro X einverstanden und erhebe(n) gegen die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung keinen Einwand."
Als Anschrift gab der Beschwerdeführer "M-Weg 1" und die Miteigentümer - in der vorgenannten Gp. - "O, Nr/4" an.
Gemäß § 101 Abs. 3 WRG 1959 wurde die Bezirkshauptmannschaft Bludenz (BH) vom Landeshauptmann von Vorarlberg (LH) mit der Durchführung des wasserrechtlichen Verfahrens betraut und ermächtigt, bei im wesentlichen anstandslosem Ergebnis im Namen des LH zu entscheiden. In der Folge beraumte die BH am 6. Oktober 1994 für das eingereichte Detailprojekt eine mündliche Verhandlung an, zu der der Beschwerdeführer (ebenso wie die vorerwähnte Miteigentümerin) unter der Anschrift "O, Nr/4, R" geladen wurde. Diese Ladung wurde laut dem den Verwaltungsakten zuliegenden Zustellnachweis am 29. September 1994 auch hinsichtlich des Beschwerdeführers mit dem Hinweis "Mitbewohner an der Abgabestelle" übernommen.
Mit Bescheid vom 27. Jänner 1995 erteilte die BH aufgrund der vorgenannten Ermächtigung des LH unter Bezugnahme auf § 32 und § 33b WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung des "Detailprojektes Außerbraz" der Ortskanalisation Bludenz unter näher genannten Auflagen. Die Zustellverfügung dieses Bescheides lautete hinsichtlich des Beschwerdeführers auf die Anschrift "M-Weg 1, A". Laut Zustellnachweis wurde auch der erstinstanzliche Bescheid von der vorgenannten Miteigentümerin am 1. Februar 1995 mit dem Zusatz "Mitbewohner an der Abgabestelle" übernommen.
Gegen diesen Bescheid erhoben der Beschwerdeführer und die genannte Miteigentümerin einen von der belangten Behörde als Berufung gewerteten "Einspruch" mit dem Hinweis, daß den von der (erstinstanzlichen) Behörde genannten Zustimmungserklärungen für die Parzellen n1/1 und n1/2 nur unter näher ausgeführten "Bedingungen" zugestimmt worden sei. Diese Bedingungen seien der MP mitgeteilt und von dieser "zur Kenntnis" genommen worden. Da die MP offenbar nicht gewillt sei, diese Bedingungen einzuhalten, sei eine Verlegung des Ortskanals auf GP. n1/1 auszuschließen und werde von den Berufungswerbern nicht geduldet.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. April 1995 wies die belangte Behörde diese Berufung, soweit sie sich auf das Grundstück Nr. n1/2 bezieht, zurück und soweit sie sich auf das Grundstück Nr. n1/1 bezieht, ab.
In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, es liege eine von den Berufungswerbern unterzeichnete Zustimmungserklärung vom 6. August 1993 zu diesem Detailprojekt vor. In diese schriftliche Erklärung seien keine Bedingungen aufgenommen worden. Diese Erklärung beziehe sich auf das Grundstück Nr. n1/1.
Bezüglich des Grundstückes Nr. n1/2 komme den Berufungswerbern keine Parteistellung zu, weil es sich nicht in ihrem Eigentum, sondern im Eigentum von R. B. befinde. Die Berufung sei daher insoweit zurückzuweisen gewesen.
Die Berufungswerber hätten während des gesamten wasserrechtlichen Verfahrens keine Einwände gegen das Projekt bei der Behörde vorgebracht. Sie seien "ordnungsgemäß und nachweislich" zur mündlichen Verhandlung, die am 6. Oktober 1994 stattgefunden habe, geladen gewesen. Sie hätten an dieser Verhandlung nicht teilgenommen, sodaß sich die nunmehr erhobenen Einwände als "verspätet" erweisen würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, insoweit er sich auf das Grundstück n1/1 bezieht, beantragt wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht auf ordnungsgemäße Ladung "zu der wasserrechtlichen Verhandlung am 6. 10. 1994" verletzt, da ihm durch den ungesetzlichen Ladungsvorgang die Möglichkeit genommen" worden sei, "an der Verhandlung teil- und seine Rechte wahrzunehmen".
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Von der MP erfolgte keine Äußerung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich im wesentlichen gegen die Annahme der belangten Behörde, er sei zu der von der Wasserrechtsbehörde erster Instanz durchgeführten mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß und nachweislich geladen worden.
Wie aus dem angefochtenen Bescheid zu ersehen ist, beruht gerade auf dieser Annahme im wesentlichen die Begründung des angefochtenen Bescheides, daß der zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Beschwerdeführer seine Einwände (im Rahmen des Berufungsverfahrens) "verspätet" erhoben habe. Diese Annahme erweist sich jedoch als nicht zutreffend.
Auch wenn die Ladung zur mündlichen Verhandlung (vor der Wasserrechtsbehörde erster Instanz) von der genannten Miteigentümerin für den Beschwerdeführer mit dem Zusatz "Mitbewohner an der Abgabestelle" übernommen wurde, ändert dies nichts daran, daß der Beschwerdeführer bereits in der genannten Zustimmungserklärung vom August 1993 eine andere Abgabestelle als jene, an die die Zustellung dieser Ladung tatsächlich erfolgte, angab, und daß diese Zustellung offenbar auch an dieser anderen Abgabestelle erfolgt ist. Da der Beschwerdeführer - wie in der Beschwerde behauptet - erstmals von der Annahme einer "ordnungsgemäßen Ladung" zu dieser Verhandlung durch den angefochtenen Bescheid erfuhr, war es ihm - entgegen den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift - nicht verwehrt, entsprechende Verfahrensmängel im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erstmals geltend zu machen. Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch, an der von der Behörde in der Ladung angeführten Anschrift zu wohnen und von der diesbezüglichen Ladung jemals in Kenntnis gesetzt worden zu sein.
Gemäß § 4 Zustellgesetz ist Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort.
Gemäß § 13 Abs. 1 erster Satz Zustellgesetz ist die Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen.
Selbst wenn im Zuge der Vorlage der Berufungsakten auch ein Grundbuchsauszug vorgelegt wurde, aus dem zu ersehen ist, daß darin die Anschrift des Beschwerdeführers mit "Bludenz, R 4" festgehalten wurde, hat dieser Hinweis im Hinblick auf die Angabe einer anderen Abgabestelle im Rahmen der erst 1993 abgegebenen Zustimmungserklärung die Behörde ohne ergänzende Ermittlungen nicht zu der Annahme berechtigt, daß es sich bei diesem Ort um eine Abgabestelle hinsichtlich des Beschwerdeführers im Sinne des Zustellgesetzes handelt. Auch eine allfällige Ersatzzustellung nach § 16 Abs. 1 Zustellgesetz würde u.a. voraussetzen, daß es sich bei dem von der Wasserrechtsbehörde erster Instanz in der Ladung angeführten Ort um eine Abgabestelle in Bezug auf den Beschwerdeführer handelt. Die belangte Behörde räumt selbst im Zuge der erstatteten Gegenschrift ein, daß diesbezüglich ein Verfahrensfehler "vorliegen dürfte", weil die Zustelladresse keine Abgabestelle des Beschwerdeführers sei. Wie bereits ausgeführt, war es dem Beschwerdeführer auch nicht verwehrt, erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu behaupten, daß ihm diese Ladung nie ausgehändigt worden sei, sodaß gestützt auf diese Behauptung auch nicht von einer Heilung dieses Zustellmangels nach § 7 Zustellgesetz ausgegangen werden kann.
Da es die belangte Behörde unterlassen hat, zur Frage der ordnungsgemäßen Zustellung der Ladung des Beschwerdeführers zur mündlichen Verhandlung am 4. Oktober 1994 entsprechende Ermittlungen anzustellen, von den diesbezüglichen Feststellungen aber die Frage einer allfälligen Präklusion des Beschwerdeführers - wie noch darzustellen sein wird - abhängt, liegt somit ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.
Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer Miteigentümer der Parzelle Nr. n1/1, GB Bludenz, ist und die dieses Grundstück durch das wasserrechtlich bewilligte Projekt in Anspruch genommen werden soll.
Gemäß § 102 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 12 Abs. 1 WRG 1959 sind u.a. auch die Grundeigentümer etwa im Falle der sonstigen Berührung ihrer Rechte Parteien des wasserrechtlichen Verfahrens.
Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 23. Mai 1996, Zl. 95/07/0012, ausgeführt hat, ergibt sich aus einer Zusammenschau des § 41 Abs. 1 und 2 AVG und des § 107 Abs. 1 WRG 1959, daß für Personen, die rechtzeitig zu einer mündlichen Verhandlung persönlich geladen werden, Präklusion eintritt, wenn sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen eingebracht haben.
Nach § 107 Abs. 1 WRG 1959 sind u.a. die Eigentümer jener Grundstücke, die durch die geplanten Anlagen oder durch Zwangsrechte (§ 60) in Anspruch genommen werden sollen, persönlich zu laden. Der Beschwerdeführer hatte daher einen Anspruch auf persönliche Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Wasserrechtsbehörde erster Instanz.
Die von der belangten Behörde getroffene Annahme einer Präklusion des Beschwerdeführers ("verspätet erhobene Einwände") würde jedoch im Lichte der dargestellten Rechtslage voraussetzen, daß eine ordnungsgemäße und zeitgerechte persönliche Ladung des Beschwerdeführers erfolgt ist. Auch eine schriftliche vorherige Zustimmung des Beschwerdeführers zum gegenständlichen Projekt gegenüber der Bewilligungswerberin würde nichts am Erfordernis seiner persönlichen Ladung ändern.
Aus der gegenüber dem Bewilligungswerber vor Einreichung des Projektes zur wasserrechtlichen Bewilligung erfolgten schriftlichen "Zustimmung" des Beschwerdeführers kann nicht - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift meint - geschlossen werden, daß dem Beschwerdeführer die Eigenschaft einer "übergangenen Partei" fehle. Wie bereits dargestellt, hat nämlich der Beschwerdeführer Anspruch auf ordnungsgemäße Ladung zur mündlichen Verhandlung und auf rechtliches Gehör im Rahmen dieser Verhandlung gehabt.
Die gegenüber dem Projektanten vor Einreichung des Projektes zur wasserrechtlichen Bewilligung abgegebene Zustimmung zum Projekt einschließlich der Erklärung, gegen die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung "keinen Einwand" zu erheben, verwehrt es einer Partei nach § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 nicht, von ihren Parteirechten im wasserrechtlichen Verfahren in vollem Umfang Gebrauch zu machen. Eine Verletzung dieser Rechte konnte daher durchaus dazu führen, den Beschwerdeführer als "übergangene Partei" anzusehen. Die Relevanz dieses Verfahrensmangels ist offenkundig.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des dargestellten Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war dieser wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Stempelgebühren war abzuweisen, weil für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung lediglich die Vorlage von drei Ausfertigungen der Beschwerde (S 360,--) und einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides (S 30,--) erforderlich war.
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