VwGH 95/06/0077

VwGH95/06/007722.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des C in I, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 6. Februar 1995, Zl. MD/I-7041/1994, betreffend Straßenbaubewilligung (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Innsbruck, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauRallg;
LStG Tir 1989 §37 Abs1;
LStG Tir 1989 §43 Abs1;
LStG Tir 1989 §44 Abs4;
BauRallg;
LStG Tir 1989 §37 Abs1;
LStG Tir 1989 §43 Abs1;
LStG Tir 1989 §44 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Grundstücke Nr. 1946, 1947, 1949, 1950 und 1951 im Bereich des L-Weges, die durch den Ausbau des L-Weges von der A-Straße bis zum C-Weg nicht nur erschlossen werden, sondern die auch durch den Ausbau zum Teil beansprucht werden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 28. Juni 1994 wurde der Stadtgemeinde Innsbruck als Rechtsträgerin des öffentlichen Gutes die beantragte Baubewilligung zum Ausbau des L-Weges von der A-Straße bis zum C-Weg und die Baubewilligung für den Neubau der G-Straße vom C-Weg bis zum E-Weg erteilt. Die Einwendungen des Beschwerdeführers, der L-Weg sei nach dem Ausbau zu steil, wurden als unbegründet abgewiesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer seine bisherigen Einwendungen; die Berufung wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 6. Februar 1995 abgewiesen. Zur Begründung wurde in bezug auf den Beschwerdeführer im wesentlichen ausgeführt, das Vorbringen des Beschwerdeführers werde durch die dazu im erstinstanzlichen Verfahren abgegebene gutachtliche Stellungnahme des Sachverständigen dahingehend entkräftet, als durch die vorgenommene Absenkung des Kreuzungsbereiches C-Weg - G-Straße die ursprünglich vorgesehene Straßensteigung ohnehin von 17 % auf nunmehr 15,5 % reduziert wurde und derartige Steigungen im gebirgigen Landschaftsteil durchaus vertretbar seien, und daher auf Grund der Wertigkeit der südlichen Teilstrecke des L-Weges eine Reduktion der Straßensteigung zu Lasten des nördlichen Teilabschnittes des L-Weges, der nunmehr 17 % Steigung aufweise, aus straßenbautechnischer Sicht vertretbar sei, zumal schon heute im nördlichen Bereich des L-Weges Steigungen zwischen 17 % und 20 % vorlägen. Allgemein wurde festgehalten, daß die Trasse des Straßenbauprojektes durch die Bebauungspläne mit den Bezeichnungen AL-B12, AL-B13 und AL-B festgesetzt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in der Gegenschrift auf das bisherige Vorbringen verwiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 1 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989, können die Eigentümer der von einem Bauvorhaben betroffenen Grundstücke eine Änderung des Bauvorhabens hinsichtlich der Straßentrasse - unbeschadet des § 44 Abs. 4 - und der technischen Ausgestaltung der Straße beantragen, sofern dadurch die Beanspruchung ihrer Grundstücke vermieden oder verringert werden kann. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat die Behörde bei der Erteilung der Straßenbaubewilligung einem Antrag nach Abs. 1 Rechnung zu tragen, soweit die beantragte Änderung

  1. a) den Erfordernissen nach § 37 Abs. 1 entspricht und
  2. b) mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg wirtschaftlich vertretbaren Aufwand durchgeführt werden kann.

    Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem in § 37 des Tiroler Straßengesetzes gesetzlich gewährleistetem Recht, wonach das Straßenprojekt nicht zu bewilligen sei, verletzt. Nach § 37 Abs. 1 TStG 1989 müssen Straßen nach den Erfahrungen der Praxis und den Erkenntnissen der Wissenschaft so geplant und gebaut werden, daß

    a) sie für den Verkehr, dem sie gewidmet sind, bei Beachtung der straßenpolizeilichen und der kraftfahrrechtlichen Vorschriften sowie bei Bedachtnahme auf die durch die Witterung oder durch Elementarereignisse hervorgerufenen Verhältnisse ohne besondere Gefahr benützt werden können,

    b) sie im Hinblick auf die bestehenden und die abschätzbaren künftigen Verkehrsbedürfnisse den Erfordernissen der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs entsprechen,

    c) Beeinträchtigungen der angrenzenden Grundstücke durch den Bestand der Straße sowie Gefährdungen oder Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den Verkehr auf der Straße oder durch Erhaltungsarbeiten an der Straße, soweit solche Beeinträchtigungen nicht nach den örtlichen Verhältnissen und der Widmung des betreffenden Grundstückes zumutbar sind, soweit herabgesetzt werden, wie dies mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg wirtschaftlich vertretbaren Aufwand möglich ist. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung werden durch Abs. 1 lit. c subjektive Rechte der Nachbarn nicht begründet.

    Da die Straßenbaubehörde an den Bebauungsplan gebunden ist, solange - wie hier - die Trasse einer Straße darin festgelegt ist, ist die Wendung in § 43 Abs. 1, wonach der Eigentümer eines vom Bauvorhaben betroffenen Grundstückes Änderungen "unbeschadet des § 44 Abs. 4" verlangen kann, so zu verstehen, daß bei Vorhandensein einer entsprechenden Festlegung im Bebauungsplan eine mit dieser Festlegung im Widerspruch stehende Änderung des Straßenbauvorhabens von vornherein nicht mit Erfolg verlangt werden kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Juni 1993, Zl. 93/06/0077, vom 28. Jänner 1993, Zl. 91/06/0229, sowie vom 9. Juni 1994, Zlen. 92/06/0229, 93/06/0054).

    Zutreffend führt der Beschwerdeführer aus, daß er sich nicht grundsätzlich gegen die Trassenführung wende, die ja durch den Bebauungsplan festgelegt sei, sondern gegen die Steigung der Straße, die infolge der durch dieses Bauvorhaben erfolgten Absenkung des L-Weges im Kreuzungsbereich mit dem C-Weg zwangsläufig in dem sich von diesem Kreuzungsbereich nach Norden fortsetzenden L-Weg eine höhere Steigung als bisher bedeute, nämlich ein Gefälle von 17 % anstatt wie bisher 12 %, durch den Bebauungsplan aber die Steigung nicht determiniert sei, sodaß die Baubehörde in bezug auf die Steigung des L-Weges nicht durch den Bebauungsplan festgelegt sei. Die Einwendungen betreffend die Steigung hat der Beschwerdeführer schon im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, sinngemäß ist darin ein Antrag nach § 43 Abs. 1 TStG zu sehen. Dazu hat der straßenbautechnische Sachverständige in der Verhandlung vom 24. November 1993 folgendes ausgeführt:

    "Die mit 17 % geplante Teilstrecke des L-Weges stellt keine für landwirtschaftliche Fahrzeuge gravierende Steigung dar. Im Hinblick auf das zu erwartende Verkehrsaufkommen und die zu beachtende Verkehrssicherheit war es daher richtig, dem südlichen Teil des L-Weges eine höhere Wertigkeit einzuräumen und diesen mit 15 % Steigung zu trassieren und dafür die nunmehr fast ausschießlich dem landwirtschaftlichen Verkehr dienende nördliche Teilstrecke des L-Weges mit 17 % in Kauf zu nehmen, dies umsomehr, als schon heute im oberen Bereich des L-Weges Steigungen zwischen 17 % und 20 % vorhanden sind."

Der Beschwerdeführer wies darauf hin, daß ein gefahrloses Befahren des Zufahrtsweges mit Fahrzeugen, die zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung der Grundstücke des Beschwerdeführers erforderlich seien, nicht mehr möglich sei und dem während des Verwaltungsverfahrens gestellten Antrag auf Einholung eines Gutachtens der Bezirks- bzw. Landwirtschaftskammer nicht stattgegeben worden sei. Der Beschwerdeführer hat bereits in seinen Einwendungen im erstinstanzlichen Verfahren darauf hingewiesen, daß nach den Ausführungen der Landes-Landwirtschaftskammer für Tirol die Gefälls- bzw. Steigungsobergrenze im Güterwegbau bei 12 % und lediglich in Ausnahmefällen bei maximal 14 % liegen dürften.

Mit den lapidaren Hinweisen in der Stellungnahme des straßenbautechnischen Sachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren, daß die mit 17 % geplante Teilstrecke des L-Weges keine für landwirtschaftliche Fahrzeuge gravierende Steigung darstelle, ist aber weder auf die Stellungnahme der Landes-Landwirtschaftskammer, wonach die Gefällsobergrenze im Güterwegbau in Tirol bei 12 bis 14 % Steigung liegt und größere Steigungen von Spezialfahrzeugen, wie sie in Bergbauernbetrieben verwendet wurden, zwar bewältigt werden könnten, für Fahrzeuge, wie sie in Talbetrieben oder Gemüseanbaubetrieben üblich seien, solche Steigungen aber ein Problem seien, eingegangen worden, noch auf den Umstand, daß im Stadtgebiet von Innsbruck keine Bergbauern mit entsprechendem Fuhrpark ansässig sind, sodaß derzeit nicht davon ausgegangen werden kann, daß die vorliegende Steigung von 17 % in dem für den Beschwerdeführer relevanten Bereich den Erfordernissen des § 37 Abs. 1 TStG entspreche. Inwiefern die vom Beschwerdeführer geforderte Verminderung der Steigung mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg wirtschaftlich vertretbaren Aufwand durchgeführt werden könnte, hat die Behörde nicht ermittelt.

Diese Verfahrensmängel sind aber wesentlich, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Mängel zu einem anderen Bescheidergebnis gelangt wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren für eine nicht erforderliche Ausfertigung der Beschwerde und Belangen war abzuweisen.

Mit Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

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