VwGH 95/06/0020

VwGH95/06/002023.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des G in D, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 1. Dezember 1994, Zl. A 17-K-19.596/1978-4, betreffend Einwendungen gegen eine Widmungsänderungsbewilligung (mitbeteiligte Parteien: Dipl.Ing. Michael K und Brigitte K, beide in G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §40 Abs1;
AVG §42 Abs2;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §61;
BauRallg;
AVG §40 Abs1;
AVG §42 Abs2;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §61;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde und dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 26. September 1994 wurde den Mitbeteiligten dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Änderung der Widmung bestimmter Grundstücke der KG X unter Festsetzung von Bebauungsgrundlagen bewilligt. Gegenstand des Widmungsänderungsverfahrens war 1. die Festsetzung der Bebauungsdichte mit höchstens 0,3 der Nettobauplatzfläche,

2. die Festsetzung eines Gebäudemindestabstandes von der im Widmungsplan festgelegten Straßenfluchtlinie der Panoramagasse mit mindestens 3 m und 3. die Festsetzung, daß auf dem Bauplatz alle im "reinen Wohngebiet" zulässigen Nutzungen als Verwendungszweck zulässig seien.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer Berufung ein, die im angefochtenen Bescheid wiedergegeben wurde. Danach rügte der Beschwerdeführers insbesondere, daß der Verhandlungsschrift zu entnehmen sei, daß die Behörde anläßlich der Durchführung dieser Verhandlung gewußt habe, daß der Beschwerdeführer als Nachbar nicht ordnungsgemäß geladen worden sei. Trotz Kenntnis dieses Verfahrensmangels habe die Behörde den erstinstanzlichen Bescheid in Blitzeseile erlassen. Anläßlich einer Vorsprache des Beschwerdevertreters bei der Behörde erster Instanz sei diesem lediglich die Verhandlungsschrift vom 11. August 1994 sowie die vorangegangene Verhandlungsschrift vom 24. Juli 1978 sowie ein Bescheid vom 16. August 1978 übergeben worden. Der Widmungsbescheid lege zu geringe Mindestabstände zur Straßenfluchtlinie fest, als Verwendungszweck würden alle im reinen Wohngebiet zulässigen Nutzungen bezeichnet, was nicht ausreichend sei, es sei nicht untersucht worden, ob die Festsetzung der Bebauungsdichte mit 0,3 % zulässig sei.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 1. Dezember 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsverfahrens führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei nicht als präkludiert anzusehen, sodann ging sie inhaltlich auf das Berufungsvorbringen ein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren (bzw. im Widmungsbewilligungsverfahren nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung) in zweifacher Weise beschränkt:

Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat.

Im vorliegenden Verfahren ist die belangte Behörde ohnedies nicht von einer Präklusion des Beschwerdeführers ausgegangen, sie hat sich vielmehr mit dem Berufungsvorbringen im einzelnen auseinandergesetzt. Entgegen der Rechtsansicht des Beschwerdeführers herrscht im Geltungsbereich des AVG im Rechtsmittelverfahren kein Neuerungsverbot (vgl. § 65 AVG); der übergangene Nachbar hat aber keinen Anspruch auf Durchführung einer (neuerlichen) mündlichen Verhandlung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 1983, Zl. 82/05/0124, BauSlg. Nr. 5, sowie vom 20. September 1983, Zl. 83/05/0094, BauSlg. Nr. 101, u.a.).

Der Beschwerdeführer hatte als Partei des Verfahrens auch das Recht auf Akteneinsicht im Sinne des § 17 Abs. 1 AVG. Nach dem Berufungsvorbringen wurde dem Beschwerdeführer sowohl die Verhandlungsschrift vom 11. August 1994, sowie die vorangegangene Verhandlungsschrift vom 24. Juli 1978 und ein Bescheid vom 16. August 1978 übergeben. Damit ist auch die Behauptung des Beschwerdeführers, die Auflagen dieses Bescheides und den Bescheid nicht zu kennen, unzutreffend. Wenn auch dem Beschwerdeführer grundsätzlich das Recht zur gesamten Akteneinsicht (mit Ausnahme jener Aktenteile, die von der Akteneinsicht aus besonderen Gründen ausgenommen sind) zukam, so kann der Umstand, daß dem Beschwerdeführer während des Berufungsverfahrens nicht der gesamte Verwaltungsakt zur Einsicht vorgelegt wurde, zu keiner Aufhebung des Bescheides führen, hat es der Beschwerdeführer doch verabsäumt, durch konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen, daß er aus dem Bescheid nicht entnehmen konnte, um welches Bauvorhaben es geht und inwieweit seine Nachbarrechte damit berührt würden, und er führt auch nicht aus, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte kommen können (vgl. die diesbezügliche hg. Judikatur in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 616 oben).

Eine Rechtswidrigkeit erblickt der Beschwerdeführer in dem Umstand, daß unter "zulässigen Bauten", "alle im reinen Wohngebiet zulässigen Nutzungen" bezeichnet wurden; dies sei in dieser Allgemeinheit unzulässig. Die Widmungswerber wären somit jederzeit berechtigt, dort auch Kindergärten, Schulen, u.dgl. zu errichten und zu betreiben; tatsächlich handle es sich um ein reines Wohnhaus, wie sie auch bei allen Nachbarliegenschaften bestünden. Ein Kindergarten oder eine Schule würde dem Gebietscharakter widersprechen, die Behörde hätte die Widmung daher auf jene tatsächlichen Bauten und Verwendungszwecke einzuschränken gehabt, die zumindest dem Gebietscharakter nicht widersprechen.

Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde ist der gegenständliche Bauplatz im zweiten Flächenwidmungsplan 1992 der Landeshauptstadt Graz als "reines Wohngebiet" ausgewiesen. Gemäß § 23 Abs. 5 lit. a des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127 in der Fassung LGBl. Nr. 41/1991, sind Wohngebiete Flächen, die ausschließlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Nutzungen, die zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes dienen (Kindergärten, Schulen, Kirchen, udgl.) oder die dem Gebietscharakter nicht widersprechen, zulässig sind. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die Errichtung von Kindergärten, Schulen und Kirchen, wenn sie zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner dieses Wohngebietes dienen, auch dann im reinen Wohngebiet zulässig, wenn sie dem Gebietscharakter widersprechen. Durch den festgesetzten Verwendungszweck, nämlich alle im "reinen Wohngebiet zulässigen Nutzungen" wird der Beschwerdeführer aber nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, da diese Festsetzung einerseits mit der Bestimmung des § 23 Abs. 5 lit. a ROG übereinstimmt und der Beschwerdeführer im Baubewilligungsverfahren die Möglichkeit hat, einen allfälligen Widerspruch des konkreten Bauprojektes mit der im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmung geltend zu machen; tatsächlich ergibt sich aber aus dem Beschwerdevorbringen selbst, daß sich das Widmungsänderungsansuchen auf ein "reines Wohnhaus, wie sie auch bei allen Nachbarliegenschaften bestehen" bezieht.

Da schon die Beschwerdeausführungen erkennen lassen, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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