Normen
VStG §51e;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VStG §51e;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 12. November 1993 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, an einem näher bezeichneten Standort in der Zeit vom 17. Dezember 1992 bis 20. Jänner 1993 Getränke, und zwar Bier a S 50,--, Piccolo-Sekt a S 200,--, normale Sektflasche a S 700,-- und Cola (Preis unbekannt) ausgeschenkt und dadurch das konzessionierte Gastgewerbe in der Betriebsart einer Bar ausgeübt zu haben, ohne hiefür im Besitz einer Konzession gewesen zu sein. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992 begangen, weshalb gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. über sie eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt wurde.
In der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, infolge des Wegfalles konzessionierter Gewerbe durch die Gewerberechtsnovelle 1992 sei die ihr zur Last gelegte Tat nicht mehr strafbar. Außerdem sei kein Barbetrieb vorgelegen und es sei überdies nicht überprüft worden, ob der von der Behörde angenommene Getränkeausschank in unverschlossenen oder in handelsüblich verschlossenen Gefäßen erfolgt sei. Tatsächlich seien nur Getränke in geschlossenen Gefäßen abgegeben worden. Es liege auch keine Gewerbsmäßigkeit vor, weil die von der Behörde festgestellte Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt worden sei, nämlich nicht auf Rechnung und Gefahr der Beschwerdeführerin, weil nicht ihr der wirtschaftliche Vorteil zugute gekommen sei, sondern jener Dame, welche auf dieses Getränk eingeladen worden sei bzw. welche den Gast zur Konsumation animiert habe. Die Absicht, daraus einen Ertrag oder wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, sei niemals vorgelegen. Einnahmen habe sie lediglich aus der Zimmermiete erzielt. Bestritten werde auch der festgestellte Tatzeitraum, weil in der Zeit zwischen 17. Dezember 1992 und 20. Jänner 1993 der Betrieb an 19 Tagen, nämlich vom 23. Dezember 1992 bis 10. Jänner 1993, geschlossen gewesen sei. Dadurch reduziere sich der von der Behörde angenommene Tatzeitraum auf weniger als die Hälfte, was im Rahmen der Überprüfung der erstinstanzlichen Strafbemessung seinen Niederschlag finden müsse. Dazu komme, daß es nicht richtig sei, daß die genannten Preise für die gegenständlichen Getränke verlangt worden seien, es sei vielmehr so gewesen, daß von den meisten Gästen diese Beträge freiwillig entrichtet worden seien, wobei zugegebenermaßen diese oft gefragt hätten, wieviel sie bezahlen sollten und dabei - unter nochmaligem Hinweis auf das Nichtbestehen einer Zahlungspflicht - die in Rede stehenden Beträge genannt worden seien. Im übrigen wurde auch die Strafbemessung bekämpft.
Mit dem Bescheid vom 10. Jänner 1995 gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich der Berufung keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis sowohl hinsichtlich der Schuld als auch hinsichtlich der Strafe mit der Maßgabe, daß im Spruch die angewendete Gesetzesbestimmung, nach der die Strafe verhängt worden sei (§ 44a Z. 3 VStG), "§ 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO 1973" zu lauten habe. In der Begründung wird u.a. ausgeführt, bei der Akteneinsicht habe der Unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens seien in der Begründung des erstbehördlichen Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der Unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen könne. Weitere Beweise seien nicht mehr aufzunehmen. Diesen Sachverhalt lege der Unabhängige Verwaltungssenat auch seiner Entscheidung zugrunde. Da in der Berufung im wesentlichen nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht und eine Verhandlung nicht verlangt worden sei, sei eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen gewesen. Zur Strafbarkeit der in Rede stehenden Tat führte der Unabhängige Verwaltungssenat im Ergebnis aus, auch nach der Gewerberechtsnovelle 1992 sei das der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Verhalten unter derselben Strafdrohung strafbar, sodaß die Beschwerdeführerin nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht zu bestrafen gewesen sei. Was das Vorliegen eines Barbetriebes und die Abgabe von Getränken in unverschlossenen oder verschlossenen Gefäßen anlange, ergebe sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus der Niederschrift über die Vernehmung der Zeugin, eindeutig die von der Erstbehörde gezogene Schlußfolgerung, daß zum Tatzeitpunkt das Erscheinungsbild des gegenständlichen Gastgewerbebetriebes nur auf Bar habe lauten können. Aus der Vernehmung der genannten Zeugin gehe eindeutig hervor, daß Getränke nicht in verschlossenen Gefäßen verkauft, sondern eben ausgeschenkt worden seien. Dazu komme noch, daß sich der Ausschank von Sekt immer so darstelle, daß eine Flasche geöffnet und der Inhalt in ein oder mehrere Gläser gegeben (ausgeschenkt) werde. Damit sei eindeutig das vor der Gewerberechtsnovelle 1992 im § 189 Abs. 1 Z. 3 bzw. nunmehr im § 148 Z. 3 GewO 1994 umschriebene Verhalten erfüllt. Es sei geradezu denkunmöglich und absolut unvorstellbar, daß in einem Betrieb (Bar), wie ihn die Beschwerdeführerin führe, Bier und Sekt - ähnlich wie in einem Kaufhaus oder Supermarkt - in verschlossenen Gefäßen, ohne Gläser, zum Verkauf bereitgehalten bzw. angeboten werde. Nach Darstellung der Rechtsprechung zur Frage der Gewerbsmäßigkeit kam der Unabhängige Verwaltungssenat ferner zum Schluß, Gewerbsmäßigkeit sei vorgelegen, weil es unerheblich sei, wem der wirtschaftliche Vorteil aus dem Getränkeausschank zugeflossen sei. Was den Tatzeitraum anbelange, ergebe sich aus der Vernehmung der Zeugin eindeutig der vor der Erstbehörde angenommene Tatzeitraum. Die Zeugin habe ausgeführt, der Besuch habe durchschnittlich fünf bis sechs Personen, an Spitzentagen 20 bis 30 Kunden betragen. Wenn die Beschwerdeführerin erst in der Berufung anführe, sie habe in der Zeit vom 23. Dezember 1992 bis 10. Jänner 1993 den Club geschlossen gehabt, so sei dies unglaubwürdig. Zunächst sei für die Untermauerung dieser erstmals in der Berufung erhobenen Behauptung keinerlei Beweismittel vorgelegt worden. Außerdem bedeute der Umstand, daß die Beschwerdeführerin diese Einwendung erst in der Berufung erhoben habe, eine gewisse Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit dieser Behauptung. Weiters sei es eine offenkundige Tatsache, daß gerade im Zeitraum von Weihnachten (mit Ausnahme des 24. Dezember) bis etwa 6. Jänner die von der Zeugin angegebenen Spitzentage lägen, weil in dieser Zeit die meisten (potentiellen) Kunden Urlaub gemacht hätten und mehr bereit gewesen seien, derartige Clubs, insbesondere auch wegen des in dieser Zeit erhöhten Alkoholkonsums, zu besuchen. Außerdem sei die Zeugin nur im Zeitraum vom 17. Dezember 1992 bis 20. Jänner 1993 dort tätig gewesen, sodaß es kaum nachvollziehbar erscheine, wann sonst die Spitzentage gewesen sein sollten. Schließlich handle es sich bei derartigen Übertretungen um ein fortgesetztes Delikt, weshalb es unerheblich sei, wenn - was auch die Erstbehörde implicit angenommen habe, ohne es ausdrücklich im Spruch des Straferkenntnisses zu vermerken - der gegenständliche Club am 24. Dezember 1992 möglicherweise geschlossen gewesen sei. Der Einwand, daß die Preise für die Getränke nicht verlangt, sondern von den Gästen freiwillig entrichtet worden seien, widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, sodaß sich ein weiteres Eingehen darauf an sich erübrige. Es werde allerdings angemerkt, daß dem Unabhängigen Verwaltungssenat aus zahlreichen einschlägigen Verfahren bekannt sei, daß im Fall einer nicht "freiwilligen" Bezahlung regelmäßig die sogenannten Beschützer der in solchen Clubs arbeitenden "Damen" erschienen und sehr schnell für eine "freiwillige" Spende Sorge trügen. Die weiteren Ausführungen betreffen die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 12. Juni 1995, B 560/95-3, ab. Über entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin trat er sodann mit Beschluß vom 19. September 1995, B 560/95-5, die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes rügt die Beschwerdeführerin zunächst die Unterlassung der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde. Sie habe auf Grund des in ihren Augen klaren gesetzlichen Auftrages mit der Durchführung einer solchen gerechnet und hätte in deren Rahmen die von der belangten Behörde zu vernehmenden Zeugen zu den in der Berufung erfolgten Bestreitungen der erstbehördlichen Feststellungen befragen können. Weiters hätte sie zur Strafbemessung ausgeführt und entsprechend belegt, daß die Annahme des Einkommens ihres Ehemannes von S 25.000,-- monatlich nicht den Tatsachen entspreche, sondern daß dieses monatlich lediglich S 12.000,-- betrage. Zum im erstinstanzlichen Straferkenntnis angenommenen Tatzeitraum hätte sie auch im Sinne der Berufung vorgebracht und zur Verhandlung die Nachbarn als Zeugen stellig gemacht. Weiters hätte sie allenfalls nach Aufnahme der Beweise die Berufung vor Schluß der Verhandlung zurückziehen können, womit sie sich den Verfahrenskostenbeitrag erspart hätte.
Bereits mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht.
Gemäß § 51e Abs. 1 VStG in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige zu laden. Wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, ist nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde.
Wie sich aus dem oben wiedergegebenen wesentlichen Inhalt der von der Beschwerdeführerin gegen das erstbehördliche Straferkenntnis erhobenen Berufung ergibt, wurden darin neben Rechtsausführungen auch die Feststellungen im erstbehördlichen Straferkenntnis, soweit sie den Tatzeitraum sowie die Art und die Entgeltlichkeit der Verabreichung der Getränke betrafen, als unrichtig bekämpft. Damit hat die Beschwerdeführerin in der Berufung die Begehung der Tat auch in für die Beurteilung der Strafbarkeit ihres Verhaltens wesentlichen Punkten bestritten. Von ihr wurde daher entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet und die Höhe der Strafe bekämpft. Die belangte Behörde hat daher dadurch gesetzwidrig gehandelt, daß sie ohne gesetzlichen Grund von der Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung absah. Dies umsomehr, als die belangte Behörde in den strittigen Sachverhaltsfragen allein auf Grund der ihr vorliegenden Aktenlage eine selbständige Beweiswürdigung vornahm. Für den Fall gesetzmäßigen Vorgehens hätte sie bei der sich so darstellenden Beweislage nämlich im Hinblick auf den Unmittelbarkeitsgrund des § 51i VStG bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der Verhandlung vorgekommen ist (vgl. sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1995, Zl. 93/17/0124).
Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ist vom Verwaltungsgerichtshof der vor ihm angefochtene Bescheid aufzuheben, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im vorliegenden Fall läßt sich nicht ausschließen, daß die belangte Behörde bei Beachtung der Bestimmungen der §§ 51e und 51i VStG insbesondere in der Frage des Tatzeitraumes und damit bei der Strafbemessung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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