Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
VStG §19;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
VStG §19;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 5. November 1992 um 10.48 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws auf der S 16 im Gemeindegebiet von Zams bei Straßenkilometer 0,3 in Fahrtrichtung Westen fahrend entgegen den Bestimmungen des § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nach Abzug einer Meßfehlertoleranz um 57 km/h überschritten. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 begangen, wofür gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe von S 4.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe vier Tage und zwölf Stunden) verhängt wurde.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es u.a., unter Zugrundelegung der nicht maßstabgerechten Anlage 1 der Verordnung vom 1. Oktober 1992, mit dem die verfahrensgegenständliche Geschwindigkeitsbegrenzung verordnet worden sei, ergebe sich ohne jeden Zweifel, daß der Tatort, wie im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angegeben, bei Straßenkilometer 0,3 gelegen sei. Die beiden Beamten hätten mit Sicherheit angegeben, daß die gegenständliche Geschwindigkeitsübertretung in der 50 km/h-Beschränkung gesetzt worden sei.
Hinsichtlich der Strafzumessung heißt es, der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung sei nicht unerheblich, weil durch die Nichteinhaltung der gesetzlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer entstehen könnten und zudem die Umwelt stärker als notwendig durch Lärm und Abgase belastet werde. Als Verschuldensgrad sei zumindest grobe Fahrlässigkeit anzunehmen; mildernd sei die Unbescholtenheit, erschwerend nichts zu berücksichtigen gewesen. Der Beschwerdeführer habe im gesamten Verwaltungsverfahren keine Angaben zu seinen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen gemacht und sei damit seiner ihn treffenden Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Einzig aus der Anzeige vom 5. November 1992 sei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt Schüler gewesen sei. Im Hinblick auf den erheblichen Unrechtsgehalt und das Verschulden des Beschwerdeführers sei eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe auch unter Hinzunahme eines neuen Milderungsgrundes nicht geboten gewesen. Die Strafe sei schuld- und tatangemessen und entspreche den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers. Die Verhängung der Strafe sei aus spezialpräventiven Gründen notwendig, insbesondere um den Beschwerdeführer künftighin von derartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtbestrafung wegen der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung sowie in seinem Recht auf gesetzmäßige Strafbemessung gemäß § 19 VStG verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird gerügt, die Gendarmeriebeamten seien laut Meßprotokoll 211 m von einer 50 km/h-Tafel entfernt gestanden. Bei Betrachtung der Anlage 1 der "Geschwindigkeitstrichterverordnung" ergebe sich, daß sich der Kilometrierungspunkt 0,0 noch in der 80 km/h-Zone befinde. In weiterer Folge seien zwei 50 km/h-Tafeln angeführt, wobei nicht geklärt habe werden können, von welcher 50 km/h-Tafel die Gendarmeriebeamten 211 m entfernt gestanden seien. Zudem seien die Handskizzen weder maßstabgetreu, noch wiesen sie sonst Angaben über entsprechende Entfernungen auf, weshalb weder der genaue Standort der Gendarmeriebeamten noch die Entfernungsmessung und damit im Zusammenhang stehend auch der Tatort genau eruiert werden könne. Dies wäre nur dann möglich gewesen, hätte die belangte Behörde unter Zuziehung der Gendarmeriebeamten einen Lokalaugenschein durchgeführt. Bei dieser Gelegenheit hätten sodann die wahren Entfernungsverhältnisse der Skizze zugrunde gelegt werden können und es wäre sodann möglich gewesen, den tatsächlichen Tatort ausfindig zu machen und in diesem Zusammenhang auch festzustellen, ob die Übertretung innerhalb der 50 km/h oder innerhalb der 80 km/h-Zone begangen worden sei. Dies sei sowohl für die rechtliche Beurteilung, als auch insbesondere im Hinblick auf die Strafbemessung (Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung) von wesentlicher Bedeutung.
Der Beschwerdeführer ist insoweit im Recht, daß der beantragte Lokalaugenschein ohne Angabe von Gründen nicht durchgeführt wurde. Es liegt nun zwar im Wesen der freien Beweiswürdigung, daß bei genügend geklärtem Sachverhalt weitere Beweise nicht mehr berücksichtigt zu werden brauchen (vgl. etwa schon das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1953, Zl. 2771/52 und 689/53, nur Rechtssatz in Slg. N.F. Nr. 3046/A). Derartiges liegt aber im Beschwerdefall nicht vor und zeigt der Beschwerdeführer mit seinem diesbezüglichen Vorbringen auch die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels auf. So hat sich die belangte Behörde mit dem vom Vertreter des Beschwerdeführers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vertretenen Standpunkt in keiner Weise auseinandergesetzt, daß der Kilometrierungspunkt 0,0 sich unmittelbar vor der 50 km/h-Tafel befinde. Unter Berücksichtigung des Standortes des Meßbeamten und des Tatortes bei Kilometrierungspunkt 0,3 ergebe sich, daß diesbezüglich ein Widerspruch bestehe; der Tatort müßte sich nach dieser Angabe 300 m nach der Kilometrierung 0,0 befinden, die Entfernung des Meßbeamten von der 50 km/h-Tafel betrage jedoch 211 m. Dies würde der Angabe widersprechen, daß der Beschwerdeführer von vorne (offenbar gemeint: in Richtung Kilometrierung 0,0) gemessen worden sei.
Die belangte Behörde hat damit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Zu Recht bemängelt der Beschwerdeführer aber auch die verwaltungsbehördliche Strafbemessung.
Nach § 60 AVG - diese Bestimmung gilt zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren - sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtslage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Die Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Demnach obliegt es der Behörde, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1980, Slg. N.F. Nr. 10.077/A).
Diesem Begründungserfordernis kam aber die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht nach. Wenn es nämlich auch zutrifft, daß der Verfahrensgrundsatz, wonach die Verwaltungsbehörde von Amts wegen vorzugehen hat, die Partei auch im Verwaltungsstrafverfahren nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen, befreit, und daß der Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes insbesondere dort Bedeutung zukommt, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenhang mit der Partei geklärt werden kann, wenn also der amtswegigen behördlichen Erhebung im Hinblick auf die nach den Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt sind, so bildet - ungeachtet der Frage, ob bzw. inwieweit der Beschwerdeführer bei der Feststellung seiner persönlichen Verhältnisse mitgewirkt hat - die bloße Anführung im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer sei zum Tatzeitpunkt Schüler gewesen, keine geeignete Grundlage, um eine Ermessenskontrolle des Verwaltungsgerichtshofes in Ansehung der Strafbemessung durch die belangte Behörde zu ermöglichen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1987, Zl. 86/07/0089). Dies insbesondere auch in Ansehung des vom Beschwerdeführer zutreffend hervorgehobenen Umstandes, daß die belangte Behörde bei der Strafbemessung von der "Hinzunahme eines neuen Milderungsgrundes" (offenbar gemeint: in Ansehung der erstbehördlichen Strafzumessung) ausging.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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