VwGH 94/19/0251

VwGH94/19/025110.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in T, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. November 1993, Zl. 4.337.577/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. November 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines chinesischen Staatsangehörigen, der "im Februar 1992" in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 9. April 1992, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 31. März 1992 im wesentlichen angegeben, er sei in seinem Heimatland nicht Mitglied einer politischen Organisation oder Partei gewesen. Grundsätzlich habe er auch seine Religion frei ausüben können, sei jedoch bei Lohnerhöhungen manchmal wegen seines buddhistischen Glaubens benachteiligt worden. Der Grund für die Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland liege jedoch in der Teilnahme an einer Demonstration in Shanghai im Mai 1989 (bei der es um Freiheit und Demokratie und gegen die Korruption der Regierung gegangen sei) und an einer Demonstration in Peking am 27. und 28. Mai 1989 in der Nähe des "Platzes des Himmlischen Friedens". Bei beiden Demonstrationen, bei denen er die Funktion des Platzsprechers innegehabt habe, sei er von der Polizei zwar nicht verhaftet, aber beobachtet und wahrscheinlich auch identifiziert worden, weil er - nach Shanghai zurückgekehrt - sein Jusstudium nicht habe abschließen können. Es seien ihm nämlich vom Justizamt keine Fälle zur Bearbeitung mehr zugeteilt worden. Er müsse jedoch, um sein Studium abschließen zu können, zwanzig Fälle bearbeitet haben. Diese Benachteiligung sei eindeutig auf seine Demonstrationsteilnahme zurückzuführen.

Überdies sei ihm von den Beamten des Justizamtes gedroht worden, daß er, sollte er an weiteren Demonstrationen teilnehmen, mit Haft zu rechnen habe. Durch die Verweigerung des Praktikums sei er arbeitslos geworden und es sei zur Zeit sehr schwer, in China einen Arbeitsplatz zu finden. Auch dies sei ein Grund für ihn gewesen, das Land zu verlassen. Müßte er nach China zurückkehren, so hätte er mit einer Gefängnisstrafe zu rechnen, weil er aus dem Land geflüchtet sei. Außerdem habe er erfahren daß sein Vater von Beamten des Sicherheitsbüros von Shanghai bedroht worden sei, nachdem der Beschwerdeführer sein Heimatland verlassen habe.

Er sei im September 1990 legal nach Hongkong ausgereist, von dort nach Bangkok geflogen, weiter nach Berlin und schließlich nach Budapest. Dort habe er viereinhalb Monate als Transportarbeiter gearbeitet, und im Februar 1991 sei er unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, er habe in seiner Heimat im Juni 1989 am "Platz des Himmlischen Friedens" gegen die Kommunistische Partei demonstriert. Aus Angst vor Repressalien und einer Verhaftung habe er das Land verlassen, und er wolle nunmehr in Österreich bleiben. Er könne nicht erkennen, weshalb es nicht glaubwürdig sein sollte, daß die Zustände in seinem Heimatland für ihn unerträglich geworden seien und er große Angst vor einer Inhaftierung gehabt habe.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, daß das durchgeführte Ermittlungsverfahren nicht ergeben habe, daß der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1991 sei. Die Angst des Beschwerdeführers vor Verhaftung erscheine unglaubwürdig, zumal er erst im September 1990, nachdem er seinen Arbeitsplatz verloren habe, aus China ausgereist sei. Unwahrscheinlich sei auch, daß die chineschischen Behörden einer "politisch zu verfolgenden Person" einen Reisepaß ausstellten. Wirtschaftliche Schwierigkeiten des Beschwerdeführers würden keinen Grund darstellen, ihn als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1991 anzuerkennen. Auch schließe der Umstand, daß es in China schwierig sei, einen Arbeitsplatz zu finden, die Möglichkeit nicht aus, "bei ernsthafter Anstrengung" Arbeit zu finden, um seinen Lebensunterhalt legal bestreiten zu können. Schließlich sei zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe im Falle seiner Rückkehr nach China mit einer Gefängnisstrafe zu rechnen, auszuführen, daß damit kein "Anerkennungsgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention" geltend gemacht werde.

Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, die belangte Behörde habe - abgesehen von seiner Einvernahme - überhaupt kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und sich damit über die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hinweggesetzt. Sie habe es unterlassen, Ermittlungen über die politische Situation im Heimatland des Beschwerdeführers anzustellen, insbesondere im Zusammenhang "mit den Ereignissen im Mai 1992 (Demonstration am Platz des Himmlischen Friedens in Peking etc.)". Darüberhinaus hätte die belangte Behörde auch Erhebungen über die in China geltenden paß- und fremdenpolizeilichen Bestimmungen vorzunehmen gehabt. Das Ermittlungsverfahren sei sohin offenkundig mangelhaft geblieben. Die belangte Behörde habe es weiters unterlassen, den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Frage, ob die vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptungen tatsächlich zuträfen, ausreichend zu begründen.

Rechtswidrigkeit des Inhaltes hafte dem angefochtenen Bescheid schließlich insoferne an, als der Beschwerdeführer - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - sehr wohl glaubhaft gemacht habe, daß er begründete Furcht vor behördlicher Verfolgung habe. "Nicht recht verständlich" sei ihm auch die Auffassung der belangten Behörde, die Furcht des Beschwerdeführers vor der Rückkehr in sein Heimatland würde auf Sanktionen wegen Übertretung paß- und fremdenpolizeilicher oder sonstiger den Aufenthalt im Ausland regelnder Vorschriften beruhen. Habe er doch klar zum Ausdruck gebracht, daß seine Furcht vor Sanktionen auf die Demonstrationsteilnahme im Mai 1989 zurückgehe.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit darzutun:

Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des - im vorliegenden Fall anzuwendenden - § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Bloß subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung genügt nicht; es müssen vielmehr (allenfalls drohende) Maßnahmen dargetan werden, die sowohl aus objektiver Sicht, als auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffs einen weiteren Verbleib im Heimatland unerträglich erscheinen lassen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1057).

Ausgehend von den Angaben des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren kann der Auffassung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer komme die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht zu, jedenfalls im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Denn die Verweigerung des Hochschulstudiums bzw. des Hochschulabschlusses ist keine Maßnahme von solcher Intensität, daß von einer asylrechtlich relevanten Verfolgung gesprochen werden könnte (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1992, Zl. 92/01/0604). Gleiches gilt auch für die Androhung von Haft für den Fall einer weiteren Demonstrationsteilnahme durch die Beamten des Justizamtes (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. März 1993, Zl. 92/01/0879). Auch der Verlust des Arbeitsplatzes wäre nach der ständigen hg. Judikatur nur dann als Verfolgung zu werten, wenn dadurch die Lebensgrundlage des Asylwerbers massiv bedroht würde (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1041). Daß dies jedoch der Fall wäre, hat der Beschwerdeführer freilich nicht dargetan. Schließlich befindet sich die belangte Behörde auch mit ihrer Auffassung, daß in der Befürchtung des Beschwerdeführers, wegen der Übertretung von seinen Aufenthalt im Ausland regelnden Vorschriften bestraft zu werden, kein Fluchtgrund im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 erblickt werden könne, in Übereinstimmung mit der hg. Judikatur (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1993, Zl. 92/01/1014).

Der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe - abgesehen von seiner Einvernahme - kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, ist zunächst entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß und es daher ihm obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1992, Zl. 92/01/0407). Die belangte Behörde war daher auch nicht gehalten, die tatsächlichen politischen und rechtlichen Verhältnisse in China zu eruieren. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 rügt, ist darauf hinzuweisen, daß diese Bestimmung die Behörde nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen des Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 in Frage kommt, dazu verpflichtet, in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Beschwerdeführers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992,

Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die - bereits behandelten - Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz unbestrittenermaßen nicht enthalten waren, hatte die belangte Behörde - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 nicht anzuordnen. Da eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens sohin weder dem Berufungs- noch dem Beschwerdevorbringen entnommen werden kann (die übrigen Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 kommen im vorliegenden Fall nicht in Betracht), war die belangte Behörde vielmehr nach § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verpflichtet, ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen, ohne auf die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung zusätzlich vorgebrachten Umstände einzugehen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die Rüge des Beschwerdeführers in Ansehung der Begründung des angefochtenen Bescheides einzugehen, zumal die belangte Behörde auch bei Vermeidung ihr in diesem Zusammenhang allenfalls unterlaufener Fehler zu keinem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf diese Entscheidung erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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