VwGH 94/18/0113

VwGH94/18/011314.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen die beiden Bescheide der BPolDion Wien vom 3.11.1993, jeweils Zl. IV-107.793/FrB/93, betr Abschiebungsaufschub und betr Zurückweisung eines Antrages auf Durchsetzungsaufschub sowie gegen die beiden Bescheide der SDion für das Bundesland Wien vom 10.11.1993, jeweils Zl. SD 603/93, betr Zurückweisung eines Devolutionsantrages und betr Zurückweisung einer Berufung, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

I.

1. Mit hg. Verfügung vom 17. Dezember 1993,

Zlen. 93/18/0591-0594, wurde der Beschwerdeführer - unter anderem - aufgefordert, eine weitere Ausfertigung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen (dort dreifach eingebrachten) und von diesem mit Beschluß vom 2. Dezember 1993,

B 1955-1958/93-3, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretenen Beschwerde beizubringen, weil von der Beschwerde zwei verschiedene belangte Behörden betroffen seien und eine Ausfertigung dem Bundesminister für Inneres zuzustellen sei (§§ 24 Abs. 1 und 29 VwGG).

2. Der Beschwerdeführer legte mit dem ergänzenden Schriftsatz vom 12. Jänner 1994 als weitere Ausfertigung eine Ablichtung des Beschwerdeschriftsatzes vor, die jedoch (auch nicht in Kopie) die Bezeichnung des Beschwerdevertreters und dessen Unterschrift aufweist.

3. Mit hg. Beschluß vom 10. Februar 1994,

Zlen. 93/18/0591-0594, wurde daraufhin das Beschwerdeverfahren gemäß § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt, weil die vorgelegte Ablichtung nicht als Ausfertigung des Beschwerdeschriftsatzes im Sinne des § 24 Abs. 1 VwGG anzusehen und der Beschwerdeführer daher dem ihm erteilten Mängelbehebungsauftrag in diesem Punkt nicht nachgekommen sei.

4. Im vorliegenden Antrag begehrt der damalige Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und bringt dazu vor, nach Erhalt der Verfügung vom 17. Dezember 1993 habe der Vertreter des Antragstellers einer (namentlich bezeichneten) langjährigen und verläßlichen Angestellten den Auftrag erteilt, eine Abschrift der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde innerhalb der gesetzten Frist dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen, um dem Mängelbehebungsauftrag nachzukommen. Die Angestellte habe die im Handakt befindliche Abschrift der Beschwerde, die erfahrungsgemäß nicht mit der Unterschrift des Anwaltes und der Stampiglie versehen sei, kopiert und diese nach Diktat des ergänzenden Schriftsatzes ohne Anbringung der Kanzleistampiglie beigelegt.

Durch dieses Versehen, das jedenfalls als Versehen minderen Grades zu qualifizieren sei, habe es geschehen können, daß die geforderte weitere Ausfertigung der Beschwerde nicht mit der Kanzleistampiglie und der Unterschrift des Antragstellervertreters versehen worden sei. Dieses Versehen stelle für den Antragsteller ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar.

Dem Wiedereinsetzungsantrag ist eine eidesstättige Erklärung angeschlossen, in der die genannte Angestellte erklärt, es sei ausschließlich ihr Versehen gewesen, daß die vorgelegte weitere Ausfertigung der Beschwerde nicht mit der Kanzleistampiglie und Unterschrift des Antragstellervertreters versehen gewesen sei.

II.

1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (siehe den hg. Beschluß vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0003, mwN). Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0285).

2. Auf den Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Bei Anlegung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Vertreter des Antagstellers obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich bei der Unterfertigung des ergänzenden Schriftsatzes vom 12. Jänner 1994 zu vergewissern, daß dem Schriftsatz eine Ausfertigung der Beschwerde angeschlossen ist. Dies hat er unterlassen und sich - nach den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag - damit begnügt, seiner Angestellten den Auftrag zu erteilen, eine Ausfertigung der Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen, obwohl er wußte, daß die im Handakt befindliche Abschrift der Beschwerde schon im Hinblick auf das Fehlen der Unterschrift keine Ausfertigung darstellt und seine Angestellte daher gar nicht in der Lage ist, durch Abschreiben oder Kopieren der im Handakt befindlichen Abschrift eine Ausfertigung der Beschwerde herzustellen und dem ergänzenden Schriftsatz anzuschließen.

Das Außerachtlassen der im gegebenen Fall erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt ist als ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Antragstellervertreters zu werten.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.

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