Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
VStG §25 Abs2;
VStG §46 Abs2;
VStG §51g Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Zur Vorgeschichte dieser Beschwerdesache wird auf das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/17/0332, hingewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides damit begründet, daß die belangte Behörde verkannt habe, die Möglichkeit der Bestellung von gewerberechtlichen Filialgeschäftsführern (eine solche sei nicht erfolgt, da der "Filialgeschäftsführer" der Gewerbebehörde gegenüber nicht namhaft gemacht worden sei) schließe nicht aus, daß der gewerberechtliche Geschäftsführer (der Beschwerdeführer) im Falle der Nichtbestellung von Filialgeschäftsführern glaubhaft machen könne, ihn treffe an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden (§ 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG). Nach der Rechtsprechung müsse es dem Unternehmer bzw. Arbeitgeber bzw. strafrechtlich Verantwortlichen zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf das Setzen von möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu beschränken, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Allerdings reiche die bloße Erteilung von Weisungen nicht aus, vielmehr sei entscheidend, ob auch eine wirksame Kontrolle der erteilten Weisungen erfolgt sei. Ein in diese Richtung gehendes Vorbringen habe der Beschwerdeführer in der Berufung erstattet, wenn er auf entsprechende Auftragszuweisungen, Aufträge und Kontrollmechanismen, was die Tätigkeit des J als Leiter der Filiale anlange, hingewiesen habe. Wegen ihrer unrichtigen Rechtsauffassung habe die belangte Behörde jedoch die Effizienz dieser Weisungen und ihrer Kontrollen nicht weiter geprüft.
Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren die vom Beschwerdeführer geführten Zeugen J (Filialleiter) und T (Filialinspektor) vorgeladen bzw. ersucht, diese zur Verhandlung stellig zu machen. Auch der Beschwerdeführer wurde geladen. Dieser teilte der belangten Behörde mit, daß der Zeuge J nicht stellig gemacht werden könne und ersucht werde, ihn unter seiner Wohnanschrift, die auch genannt wurde, vorzuladen.
1.2. Mit Ersatzbescheid vom 13. September 1994 wies der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol die Berufung neuerlich als unbegründet ab. Der Spruch wurde wie im vorangegangenen Berufungsbescheid formuliert.
Nach der Begründung dieses Bescheides habe die belangte Behörde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anberaumt, zu der der Beschwerdeführer trotz ausgewiesener Ladung aus beruflichen Gründen nicht erschienen und bei der Beweis durch Einvernahme des Zeugen T aufgenommen worden sei, weiters durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt sowie in den Akt der belangten Behörde.
Sodann werden folgende Sachverhaltsfeststellungen getroffen:
"Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angenommene entscheidungswesentliche Sachverhalt als erwiesen fest. Der einvernommene Zeuge ist unter anderem Filialinspektor im Unternehmen des Berufungswerbers. Er hat glaubwürdig und widerspruchsfrei dargetan, daß sich der Berufungswerber im Rahmen seines Unternehmens ausschließlich mit der Gesamtleitung desselben befaßt, Routinekontrollen der Filialen im Hinblick auf die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften führt er persönlich grundsätzlich nicht durch. Für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften sind im Unternehmen des Berufungswerbers die Filialleiter aufgrund der mit ihnen abgeschlossenen Verträge sowie 6 Filialinspektoren zuständig. Die 6 Filialinspektoren sind zur Kontrolle von insgesamt 67 Filialen in Tirol, Vorarlberg und Salzburg berufen. Der Zeuge hat ausgeführt, daß er nicht nur in dieser Funktion, sondern daneben auch als Verkaufsleiter beschäftigt ist. Nach Aussage des Berufungswerbers werden die Filialen im Durchschnitt einmal wöchentlich kontrolliert. Der Berufungswerber wird grundsätzlich von diesen Kontrollen bzw. dabei festgestellten Mißständen nicht informiert. Der Berufungswerber hat darüber hinaus keine weiteren Maßnahmen getroffen, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sicherstellen sollen, insbesondere bestehen keine Richtlinien für die Tätigkeit der Filialinspektoren. Der Berufungswerber informiert sich auch nicht einmal stichprobenartig über die Ergebnisse der Routinekontrollen und unternimmt selbst nichts, allfällig festgestellte Mißstände abzustellen. Lediglich wenn mit einem Filialleiter gravierende Probleme über einen längeren Zeitraum auftreten, erfolgt als Konsequenz die Trennung des Unternehmens von diesem Arbeitnehmer.
Der Zeuge hat weiters ausgesagt, daß der Filialleiter der gegenständlichen betroffenen Filiale in der H-F-Straße in I als "Schlamperer" bekannt war. Obwohl es häufig Mißstände gab, wurde dieser Filialleiter jedoch nur im Rahmen der routinemäßigen Kontrollen inspiziert, zum Tatzeitpunkt gab es keine speziellen Kontrollen dieser Filiale. Der Berufungswerber war zum Tatzeitpunkt von diesen Mißständen auch nicht informiert. Erst im Jahre 1993, also nach dem verfahrensgegenständlichen Vorfall, wurde die Filiale verstärkt kontrolliert, in der Folge hat man sich dann auch vom Filialleiter getrennt. Der Zeuge hat vom gegenständlichen Vorfall erst auf Grund einer Mitteilung des Filialleiters Kenntnis erlangt.
Bei der Beweiswürdigung war zu berücksichtigen, daß der Berufungswerber dem Grund nach nicht bestritten hat, daß zum Tatzeitpunkt am Tatort die im Spruch genannten Waren nicht entsprechend dem Preisauszeichnungsgesetz gekennzeichnet waren. Der Zeuge hat glaubwürdig und widerspruchsfrei ausgesagt, seine Angaben stehen auch im Einklang mit dem erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt. Es war daher der festgestellte entscheidungswesentliche Sachverhalt als erwiesen anzusehen."
In rechtlicher Hinsicht kam die Bescheidbegründung zu folgendem Ergebnis: Im Unternehmen des Beschwerdeführers bestehe kein wirksames Kontrollsystem, das sicherzustellen vermöchte, daß die einschlägigen Verwaltungsvorschriften eingehalten würden. Fest stehe, daß hauptverantwortlich für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften die intern bestellten Filialleiter seien, die wiederum von Filialinspektoren überprüft würden. Gehe man jedoch davon aus, daß die Kontrolle von 67 Filialen in drei Bundesländern, auch wenn einzelne dieser Filialen örtlich nahe aneinder lägen, nur sechs Inspektoren obliege, so könne man nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgehen, daß diese kaum in der Lage sein würden, jede einzelne dieser Filialen eingehend und umfassend zu kontrollieren. Dazu komme noch, daß zumindest einzelne dieser Filialinspektoren im Unternehmen noch mit anderen Aufgaben betraut seien. Im Fall des einvernommenen Zeugen sei dieser beispielsweise als Verkaufsleiter tätig. Darüber hinaus bestünden keinerlei Richtlinien, wie und in welchem Umfang die Kontrollen durchgeführt werden sollten; nach Aussage des Zeugen sei man offensichtlich auf den "goodwill" des jeweiligen Filialleiters angewiesen. Erst bei langdauernden, gravierenden Übertretungen folgten personelle Konsequenzen. Der Beschwerdeführer selbst sei mit diesen Kontrollen grundsätzlich nicht befaßt, er lasse sich hinsichtlich der Routinekontrollen auch nicht informieren und gebe keine Weisungen zur Beseitigung von "nicht grundsätzlichen" Mißständen in seinem Unternehmen. Es könne daher nicht von Maßnahmen gesprochen werden, "die unter vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen". Dies umso weniger, als bekannt gewesen sei, daß der Filialleiter der in Rede stehenden Filiale unzuverlässig gewesen sei und man trotzdem zum Tatzeitpunkt keine besonderen Kontrollmaßnahmen vorgesehen habe; auch habe sich der Beschwerdeführer in keiner Weise über die Mißstände informiert und keine Maßnahmen getroffen, um diese abzustellen.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. In der Beschwerde wird unter anderem geltend gemacht, die belangte Behörde hätte zur Frage der Auftragszuweisungen, Aufträge und Kontrollmechanismen den Beschwerdeführer selbst als Partei sowie J und T als Zeugen einvernehmen sollen. Die belangte Behörde habe jedoch nur den Zeugen T einvernommen und sich damit begnügt. Sie habe damit den Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt. Die belangte Behörde habe nicht einmal eine Begründung dafür gegeben, warum von der persönlichen Einvernahme des Beschwerdeführers sowie des Zeugen J abgesehen worden sei.
2.2. Dieses Beschwerdevorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.
Der Beschwerdeführer hat zum Beweis für tatsächlich erfolgte Auftragszuweisungen, Weisungen und Kontrollmaßnahmen, was die Tätigkeit des J als Filialleiter der in Rede stehenden Filiale anlangt, sowie für die Sicherstellung der Effizienz dieser Weisungen und Kontrollen die Zeugen J und T genannt. Der erstgenannte Zeuge wurde nicht vernommen. Die Nichtaufnahme dieses Beweises wird im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt und nicht begründet. Dieser Begründungsmangel hindert den Verwaltungsgerichtshof angesichts des auf Grund der Aussage des Zeugen T im übrigen vorliegenden Beweisergebnisses an der Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe. Im besonderen ist es dem Verwaltungsgerichtshof, insbesondere mangels einer diesbezüglichen Begründung der belangten Behörde, verwehrt, von vornherein davon auszugehen, daß die Einvernahme des betroffenen J als Leiter der gegenständlichen Filiale ein untaugliches Beweismittel gebildet hätte - dies vor dem Hintergrund des festzustellenden maßgebenden Sachverhaltes, nämlich ob der Beschwerdeführer bei Delegierung der Pflichterfüllung an bestimmte Dienstnehmer die ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen gesetzt hat, die unter vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grunde erwarten ließen. Solange dem genannten Zeugenbeweis die grundsätzliche Eignung, zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen, nicht abgesprochen werden kann, wäre in einer (ausdrücklichen) Feststellung der belangten Behörde, der Zeuge hätte ohnedies nichts Wesentliches beitragen können, eine unzulässige vorwegnehmende Beweiswürdigung gelegen. Die gleiche Wertung liegt auch dem stillschweigenden Übergehen eines beantragten Beweises zugrunde. Eben diese antizipative Beweiswürdigung nähme auch der Verwaltungsgerichtshof vor, wenn er im Rahmen der von ihm anzustellenden Erwägungen über die Relevanz des unterlaufenen Verfahrensmangels zum Ergebnis gelangte, der Zeuge J hätte wohl nichts zur Wahrheitsfindung beigetragen und nicht allenfalls eine ganz andere Darstellung als der Filialinspektor gegeben.
Die begründungslose Unterlassung der Einvernahme dieses Zeugen belastet daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Ohne Begründung ist auch geblieben, warum die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer, der seine Vernehmung als Partei beantragt hatte, vorgebrachte berufliche Unabkömmlichkeit zum Ladungstermin nicht als tauglichen Entschuldigungsgrund beurteilt hat.
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
2.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Ersatz des Schriftsatzaufwandes war nur im beantragten Ausmaß zuzusprechen.
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