VwGH 94/10/0187

VwGH94/10/018729.5.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der EK in H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Bezirksschulrates Jennersdorf vom 19. September 1994, Zl. BSR-H-9/44-1994, betreffend Erfüllung der Schulpflicht, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs1;
AVG §56;
SchPflG 1985 §11 Abs3;
SchPflG 1985 §11 Abs4;
SchUG 1986 §71 Abs2 lite;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §39 Abs1;
AVG §56;
SchPflG 1985 §11 Abs3;
SchPflG 1985 §11 Abs4;
SchUG 1986 §71 Abs2 lite;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 20. Februar 1985 geborene Tochter der Beschwerdeführerin, HK, erfüllte im Schuljahr 1993/94 ihre Schulpflicht durch "Teilnahme am häuslichen Unterricht" im Sinne des § 11 Abs. 2 SchPflG. Mit Schreiben vom 21. Juni 1994 an einen Lehrer der Volksschule in Wien 8, X-Gasse, erklärte WT (offenbar der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin), HK zur Externistenprüfung für die 3. Schulstufe anzumelden. Die Schule teilte mit Schreiben vom 24. Juni 1994 mit, daß die Externistenprüfungen für das laufende Schuljahr bereits abgehalten worden seien. Mit Schreiben an die belangte Behörde vom 8. Juli 1994 beantragte die Beschwerdeführerin, die "Versäumung der Externistenprüfung nachzusehen" und ihre Tochter zum nächstmöglichen Termin zur Prüfung (an der Volksschule in Wien 8) zuzulassen.

Mit einem bei der belangten Behörde am 2. September 1994 eingelangten Schreiben erklärte die Beschwerdeführerin, ihre Tochter für die 4. Schulstufe "zum häuslichen Unterricht abzumelden".

Am 5. September 1994 legte HK an der Volksschule in Wien 8 die Externistenprüfung für die 3. Schulstufe ab. Nach dem Inhalt des von der Vorsitzenden der Externistenprüfungskommission und der Prüferin gefertigten Prüfungsprotokolls waren entgegen der Aufforderung der Prüfungskommission keine Materialien (Hefte, Bücher, Arbeitsmappen) beigebracht worden, die die Ausgangsbasis für ein Prüfungsgespräch über die Lernfortschritte hätten bilden können. Die Gegenstände Deutsch, Lesen und Mathematik betreffend wird dargelegt, H sei beim Rechnen im Zahlenbereich bis 100 unsicher und verwende Rechenkugeln. Ein Quadrat und ein Rechteck mit vorgegebenen Seiten könne sie zeichnen. Divisionen seien ihr kein Begriff. Sie könne fließend und der Schulstufe entsprechend lesen. Beim freien Aufsatzthema habe sich jedoch herausgestellt, daß sie lediglich die Blockschrift beherrsche. Groß- und Kleinschreibung seien ihr nicht geläufig. "Weitere" Rechtschreibkenntnisse bestünden nicht. Ein positiver Abschluß in Deutsch und Mathematik sei nicht vertretbar. Nach Ausweis des Zeugnisses wurde die Externistenprüfung nicht bestanden; die Beurteilung lautete in den Gegenständen Deutsch, Lesen und Mathematik auf Nicht genügend (5).

Mit dem angefochtenen, an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheid untersagte die belangte Behörde für HK die Teilnahme am häuslichen Unterricht und ordnete an, daß diese ihre Schulpflicht im Sinne des § 5 SchPflG zu erfüllen habe. Begründend wurde unter Hinweis auf § 11 Abs. 4 leg. cit. dargelegt, für die Schülerin sei bisher der Nachweis des zureichenden Erfolges nicht erbracht worden.

Eine von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Landesschulrat für Burgenland mit seinem Bescheid vom 25. Oktober 1994 gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück.

Gegen den oben erwähnten Bescheid des Bezirksschulrates erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluß vom 5. Dezember 1994, B 2227/94, ab und trat die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerde Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aus folgenden Gründen geltend: Der zureichende Erfolg des häuslichen Unterrichtes sei durch die Vorlage des Prüfungszeugnisses über die am 5. September 1994 abgelegte Externistenprüfung nachgewiesen worden. HK sei trotz eines gegen das Prüfungsergebnis erhobenen Rechtsmittels nicht zu einer Wiederholung der Externistenprüfung zugelassen worden. Bei der Externistenprüfung sei nur der Prüfer, nicht aber der Vorsitzende der Prüfungskommission anwesend gewesen.

Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 11 Abs. 2 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer in § 5 genannten Schule - ausgenommen den Polytechnischen Lehrgang - mindestens gleichwertig ist.

Nach Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem in Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht dem Bezirksschulrat jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Der Bezirksschulrat kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht innerhalb eines Monates ab dem Einlangen der Anzeige untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die in Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichts nicht gegeben ist. Gegen die Entscheidung des Bezirksschulrates kann Berufung an den Landesschulrat erhoben werden; gegen die Entscheidung des Landesschulrates ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Nach Abs. 4 leg. cit. ist der zureichende Erfolg eines in Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer in § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat der Bezirksschulrat anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat. Gegen die Entscheidung des Bezirksschulrates ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Aus § 11 Abs. 3 und 4 SchPflG ergibt sich die Schuljahrbezogenheit der dort getroffenen Regelungen. Die rechtliche Zulässigkeit der Erfüllung der Schulpflicht durch Teilnahme am häuslichen Unterricht während eines bestimmten Schuljahres ergibt sich aus einer Nichtuntersagung im Sinne des § 11 Abs. 3 SchPflG. Vor dem Schulschluß dieses Schuljahres ist der zureichende Erfolg der Teilnahme am häuslichen Unterricht durch eine Prüfung an einer entsprechenden Schule nachzuweisen; andernfalls hat der Bezirksschulrat im Sinne des § 11 Abs. 4 zweiter Satz die Erfüllung der Schulpflicht im Sinne des § 5 (durch Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen der dort angeführten Schularten) anzuordnen.

Vom "Nachweis des zureichenden Erfolges" im Sinne der zitierten Vorschrift kann nur dann gesprochen werden, wenn die Externistenprüfung bestanden wurde. Die Beschwerde zeigt daher mit dem Hinweis, es sei der Nachweis des zureichenden Erfolges durch die Vorlage des Zeugnisses über die Externistenprüfung erbracht worden, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die Prüfung nach Ausweis dieses Zeugnisses (im Hinblick auf die Beurteilung in zwei Pflichtgegenständen mit Nicht genügend) nicht bestanden wurde.

Ebensowenig zeigen die Hinweise der Beschwerde auf bei der Externistenprüfung unterlaufene Verfahrensmängel (Abwesenheit des Vorsitzenden der Prüfungskommission während der Prüfung; vgl. hiezu § 42 Abs. 14 iVm Abs. 4 erster und dritter Satz, Abs. 9 erster Satz SchUG und § 37 Abs. 4 erster Satz SchUG) und die behauptete Möglichkeit der Wiederholung einer Externistenprüfung (vgl. § 42 Abs. 14 iVm Abs. 12 letzter Satz SchUG; siehe allerdings "vor Schulschluß abzulegende Prüfung" in § 11 Abs. 4 SchPflG) eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Thema des im Verfahren nach § 11 Abs. 4 SchPflG zu führenden Ermittlungsverfahrens ist der "Nachweis des zureichenden Erfolges" und nicht etwa ein (von der Schulbehörde zu führender) "Nachweis des unzureichenden Erfolges". Der nach § 11 Abs. 4 SchPflG bezogen auf das Schuljahr 1994/1995 zu treffenden Entscheidung hatte die Behörde die Sachlage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Bezogen auf diesen Zeitpunkt ist nicht zweifelhaft, daß der "Nachweis eines zureichenden Erfolges" im Sinne des § 11 Abs. 4 erster Satz SchPflG nicht erbracht worden war. Dabei kann auf sich beruhen, ob die Beschwerdeführerin die belangte Behörde vom Ergebnis der Externistenprüfung vor Erlassung des Bescheides in Kenntnis setzte; denn dieses lautete - wie auch die Beschwerde zugesteht - "Nicht bestanden". Allenfalls bei der Externistenprüfung unterlaufene Verfahrensmängel (deren Wahrnehmung nicht in einem Verfahren nach § 11 Abs. 4 SchPflG, sondern gegebenenfalls in jenem nach § 71 Abs. 2 lit. e SchUG zu erfolgen hätte) oder die Möglichkeit der Wiederholung der Externistenprüfung vermögen nichts daran zu ändern, daß der Nachweis eines zureichenden Erfolges des häuslichen Unterrichts - in Gestalt des Zeugnisses über eine bestandene Externistenprüfung an einer entsprechenden Schule - im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht vorlag. Eine rechtliche Grundlage für eine Vorgangsweise der zur Entscheidung nach § 11 Abs. 4 SchPflG berufenen Behörde, den Nachweis des zureichenden Erfolges des häuslichen Unterrichts durch eine Prüfung an einer entsprechenden Schule ungeachtet des Umstandes, daß das Ergebnis der Externistenprüfung als "Nicht bestanden" beurkundet wurde, im Hinblick auf bei der Prüfung allenfalls unterlaufene Verfahrensmängel oder die Möglichkeit einer Wiederholung der Prüfung als erbracht anzusehen, besteht nicht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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