VwGH 94/07/0151

VwGH94/07/015114.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des A in N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 11. August 1994, Zl. LAS-429/2, betreffend Regulierung, (mitbeteiligte Parteien: 1.) H und 2.) E), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
FlVfGG §28;
FlVfLG Tir 1978 §62 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §62 Abs2;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
FlVfGG §28;
FlVfLG Tir 1978 §62 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §62 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den mitbeteiligten Parteien zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Stammsitzliegenschaft EZ 90021, GB. N. (I.-Hof), mit der die Mitgliedschaft - mit einem Anteilsrecht - an der Agrargemeinschaft Nachbarschaft D (AG) verbunden ist. Weitere Mitglieder der AG sind die mitbeteiligten Parteien (mP), und zwar die zweitmitbeteiligte Partei als Eigentümer der Stammsitzliegenschaften "K." in EZ 90018 und "S." in EZ 90019 mit je einem Anteilsrecht für beide Stammsitzliegenschaften sowie die erstmitbeteiligte Partei als Eigentümer der Stammsitzliegenschaft "G." in EZ. 90020 mit zwei Anteilsrechten. Die Anteilsrechte an der AG sind daher im Verhältnis 1 : 1 : 1 : 2 auf die Stammsitzliegenschaften verteilt. In bezug auf die Eigentümer der Stammsitzliegenschaften ergibt sich ein Verhältnis von 1 (Beschwerdeführer) : 2 (erstmitbeteiligte Partei): 2 (zweitmitbeteiligte Partei), da die Stammsitzliegenschaften K. und S. in einer Hand vereinigt sind. Der Beschwerdeführer ist weiters Eigentümer der Liegenschaft mit der Gutsbezeichnung "P." in EZ. 5, GB. N. Zugunsten dieser Liegenschaft besteht auf den Grundstücken Nr. 281, 282 und 283 (D.-Alpe) in EZ. 9 die Dienstbarkeit der Weide mit eigenen überwinterten Rindern und Schafen.

Am 8. April 1994 beantragte der Beschwerdeführer beim Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) die Einleitung eines Regulierungsverfahrens in bezug auf die AG und die Aufteilung der Anteilsrechte im Verhältnis 1 : 1 : 1. Er begründete seinen Antrag damit, die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse entsprächen den Anteilsrechten nicht mehr. Bei der Stammsitzliegenschaft K. sei früher der S-Hof dabeigewesen. Dieser sei nach und nach verkauft worden. Der formell und aus ungeklärten Gründen 1941 als Stammsitzliegenschaft ausgeschiedene P.-Hof bilde tatsächlich eine Einheit mit der Stammsitzliegenschaft des Beschwerdeführers. Die seinerzeit zugunsten des P.-Hofes begründete Weidedienstbarkeit bestehe längst nicht mehr.

Mit Bescheid der AB vom 12. April 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 1 Abs. 1 AgrVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, die AG sei mit dem agrarbehördlichen Regelungsplan vom 1. April 1937 in der Fassung des Nachtrages vom 16. Juni 1941 reguliert worden. Gegen den Regelungsplan vom 1. April 1937 sei eine Berufung eingebracht worden, welche durch ein Parteienübereinkommen in der Verhandlung vom 9. Juni 1941 bereinigt worden sei. Dieses Parteienübereinkommen sei in Form eines Nachtrages (zum Regelungsplan) vom 16. Juni 1941 beurkundet und der Regelungsplan vom 1. April 1937 entsprechend abgeändert worden. Hinsichtlich des Beschwerdeführers habe der Nachtrag insofern eine Änderung gebracht, als die Liegenschaft EZ. 5 (P.-Hof) als Stammsitzliegenschaft aus der AG ausgeschieden und anstelle des Anteilsrechtes ein Weiderecht begründet worden sei. Der Nachtrag zum Regelungsplan vom 16. Juni 1941 sei rechtskräftig. Die Behauptung des Beschwerdeführers, das Weiderecht zugunsten des P.-Hofes sei erloschen, treffe nicht zu. Das Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz 1978, LGBl. Nr. 54 (TFLG 1978) kenne das Rechtsinstitut der Neuregulierung nicht. Die einmal erfolgte Regulierung bewirke eine "Petrifizierung" der Anteilsrechte. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken könnten nur einmal reguliert werden; eine neuerliche Regulierung einer bereits regulierten Agrargemeinschaft sei nicht statthaft. Die Regulierung der AG sei eine rechtskräftig entschiedene Sache. Seither habe sich die Rechtslage nicht geändert. Der Antrag des Beschwerdeführers ziele auf eine Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung ab, wofür eine Rechtsgrundlage fehle. Der Antrag des Beschwerdeführers sei daher wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.

Der Beschwerdeführer berief.

Mit Bescheid vom 11. August 1994 wies die belangte Behörde

die Berufung als unbegründet ab.

Begründet wurde diese Entscheidung damit, der angeblich mit der Stammsitzliegenschaft des Beschwerdeführers eine Einheit bildende P.-Hof sei insofern bereits bei der Regulierung berücksichtigt worden, als diesem Hof ein Weiderecht für die eigenen überwinterten Rinder und Schafe auf der D.-Alpe eingeräumt worden sei. An diesem Sachverhalt habe sich seit 1941 nichts geändert, sodaß hinsichtlich der Stammsitzliegenschaft des Beschwerdeführers keine Neuerung eingetreten sei. Aber auch hinsichtlich der Stammsitzliegenschaft EZ. 90018, zu welcher der angeblich verkaufte S-Hof gehört haben solle, liege kein neuer Sachverhalt vor. Die Abschreibung von Teilstücken aus der Liegenschaft K. habe einer agrarbehördlichen Genehmigung bedurft. Wenn diese Genehmigung erteilt worden sei, sei davon auszugehen, daß die Behörde sich mit der Frage des Bedarfes an Anteilsrechten für die verbleibende Stammliegenschaft auseinandergesetzt habe. Demnach sei auch bei der Stammsitzliegenschaft K. durch Abschreibung von Teilen kein neuer Sachverhalt eingetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer bringt unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1992, Zl. 91/07/0089, vor, die Behörde hätte darzulegen gehabt, warum eine rechtserhebliche Änderung der Sachlage nicht erfolgt sei. Feststellungen zum Vorbringen, wonach die Ertragsfähigkeit der Liegenschaft, die betrieblichen und flächenmäßigen Gegebenheiten der Stammsitzliegenschaften insgesamt sich derart geändert hätten, daß dem eine Aufteilung 1 : 1 : 1 gerecht werde, seien keine getroffen worden. (Allein) auf die (unstrittig erfolgte) Abschreibung von Teilstücken habe sich der Beschwerdeführer nicht (nur) gestützt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Mp haben ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragen, der Beschwerde keine Folge zu geben und ihnen den Aufwandersatz für die Gegenschrift zuzuerkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Feststellung der Anteilsrechte in bezug auf die AG erfolgte im Regelungsplan vom 1. April 1937 in der Fassung des Nachtrages vom 16. Juni 1941. Dieser Regelungsplan ist rechtskräftig. Er erging auf der Grundlage des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1935, LGBl. Nr. 42. Die Übergangsbestimmungen der auf das Tiroler Fluverfassungslandesgesetz 1935 folgenden Flurverfassungslandesgesetze verfügten, daß die auf Grund der bisher geltenden Vorschriften in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungen der Agrarbehörde, wie die Liste der Partei, das Verzeichnis der Anteilsrechte, weiters die Zusammenlegungs-, Teilungs- und Regulierungspläne in Kraft bleiben und dem weiteren Verfahren zugrundezulegen sind (§ 113 des Flurverfassungslandesgesetzes 1952, LGBl. Nr. 32, § 86 Abs. 1 des Flurverfassungslandesgesetzes 1969, LGBl. Nr. 34 und § 87 Abs. 1 TFLG 1978).

Die Behauptung des Beschwerdeführers, die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Stammsitzliegenschaften entsprächen den Anteilsrechten nicht mehr, stellte selbst dann, wenn sie zuträfe, keine eine neue Entscheidung über die Anteilsrechte rechtfertigende Sachverhaltsänderung dar.

Nicht jede nach Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung sich ergebende Sachverhaltsänderung führt zu einem Anspruch auf eine neue Entscheidung. Ob ein solcher Anspruch besteht, hängt vielmehr von der anzuwendenden Verwaltungsvorschrift ab (vgl. Ringhofer, Von der Bedeutung des Sachverhaltes für die Rechtskraft verwaltungsbehördlicher Bescheide, ÖJZ 1953, 121, 123).

§ 62 Abs. 1 TFLG 1978 sieht vor, daß das Regulierungsverfahren auf Antrag oder von Amts wegen mit Bescheid einzuleiten ist.

Auf Antrag ist das Regulierungsverfahren nach Abs. 2 leg. cit. einzuleiten, wenn sich mindestens ein Viertel der bekannten Parteien, bei Teilwäldern die Mehrheit der Parteien des in Aussicht genommenen Regulierungsgebietes, für die Einleitung des Verfahrens erklären.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung überhaupt eine Grundlage dafür bietet, bei Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eine neuerliche Regulierung durchzuführen. Selbst wenn dies bejaht wird, kommt eine solche Neuregulierung nur auf Antrag einer im Gesetz festgesetzten Mindestanzahl der Parteien des in Aussicht genommenen Regulierungsgebietes oder von Amts wegen in Betracht. Einem einzelnen bietet sie jedenfalls keinen Anspruch auf Durchführung einer neuen Regulierung.

Auch der die Abänderung von Regulierungsplänen regelnde § 69 TFLG 1978 räumt dem einzelnen keinen Anspruch auf eine solche Abänderung im Falle der Änderung des Sachverhaltes ein. Eine solche Abänderung kann nämlich nur entweder auf Antrag der Gemeinschaft oder von Amts wegen erfolgen. Der Antrag der Gemeinschaft muß auf einem den Verwaltungssatzungen entsprechenden Beschluß des zuständigen Organes der Gemeinschaft beruhen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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