VwGH 93/09/0355

VwGH93/09/035521.10.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der I-Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 28. Juni 1993, Zl. IIc6702 B/10375, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AuslBG §4 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die in Wien einen "Sanitär-Heizung-Lüftung"-Betrieb führt, beantragte am 29. März 1993 beim Arbeitsamt Metall-Chemie die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den polnischen Staatsangehörigen C. als "Baustellen-Leiter in Polen" mit einer Brutto-Stundenentlohnung von S 75,--, wobei als Beschäftigungsorte Wien und Polen genannt wurden.

Diesen Antrag lehnte das Arbeitsamt unter Berufung auf § 4 Abs. 3 Z. 4 und § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Begründend führte das Arbeitsamt aus, der Stundenbruttolohn von S 75,-- entspreche nicht den Bestimmungen des Kollektivvertrages für das metallverarbeitende Gewerbe. Es erscheine daher nicht die Gewähr gegeben, daß diese Vorschriften eingehalten würden. Außerdem habe der Vermittlungsausschuß im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet, und darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung rügte die Beschwerdeführerin das Fehlen jeglichen Ermittlungsverfahrens und machte geltend, es läge ein iS des § 4 Abs. 6 AuslBG besonders wichtiger Grund für die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung vor, weil C. ein Jahr lang im Inland für die speziellen Erfordernisse des Betriebes der Beschwerdeführerin ausgebildet und sodann als Leiter eines Zweigbetriebes in Warschau eingesetzt werden solle; in dieser Tätigkeit sei er als Schlüsselkraft anzusehen, von deren Einsatz Arbeitsplätze im Inland abhingen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. Juni 1993 gab die belangte Behörde dieser Brufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 1 und 6 sowie § 13a AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, die mit Verordnung BGBl. Nr. 598/1991 für 1992 festgelegte Landeshöchstzahl sei seit Beginn des Kalenderjahres 1992 weit überschritten, weshalb der Antrag der Beschwerdeführerin im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen sei. Die dort geforderten wichtigen Gründe seien jedoch im Beschwerdefall "grundsätzlich" nicht gegeben. Darauf ging die belangte Behörde jedoch mit Rücksicht darauf nicht näher ein, weil ihrer Auffassung nach die Abweisung des gestellten Antrages bereits gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG berechtigt war. Dazu führte die belangte Behörde begründend aus, es handle sich bereits um den dritten Antrag der Beschwerdeführerin um Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für C., wobei nun erstmals eine Tätigkeit des C. als "Baustellen-Leiter" und damit als einer angeblichen Schlüsselkraft vorgesehen sei. Die im Zuge des Berufungsverfahrens durchgeführte Überprüfung der Lage auf dem Arbeitsmarkt habe ergeben, daß derzeit grundsätzlich Ersatzkräfte, die für die konkret beantragte Beschäftigung geeignet wären, zur Vermittlung vorgemerkt seien und der Beschwerdeführerin zur Deckung ihres Arbeitskräftebedarfes zur Verfügung stünden. Im Gegensatz zu diesen Ersatzkräften gehöre C. nicht dem nach § 4b AuslBG begünstigten Personenkreis an. Es habe deshalb das Arbeitsamt der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12. Mai 1993 die Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung angeboten, doch habe die Beschwerdeführerin darauf nicht binnen der gesetzten Frist reagiert. Die belangte Behörde habe daher schlüssig annehmen müssen, daß die Beschwerdeführerin die Einstellung einer vom Arbeitsamt vermittelten Ersatzkraft von vornherein nicht in Betracht ziehe und C. in jedem Fall den Vorzug gebe. Es hätten daher konkrete Zuweisungen von Ersatzkräften, "die nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Antragstellers erfolgen können", zu unterbleiben gehabt. Die Ersatzkraftstellung habe den Zweck, herauszufinden, ob sich unter den beim Arbeitsamt vorgemerkten, im Leistungsbezug stehenden und deshalb bevorzugt zu behandelnden Ersatzkräften eine befinde, die bereit und fähig sei, die konkret beantragte Beschäftigung zu den gestellten Bedingungen auszuüben. Dazu sei es erforderlich, dem Arbeitgeber objektiv geeignete Bewerber zu vermitteln. Nur dann, wenn kein derart qualifizierter Arbeitnehmer gestellt werden könne, erlaube die Arbeitsmarktlage die Beschäftigung des beantragten Ausländers. Durch ihr Desinteresse an der angebotenen Ersatzkraftstellung habe sich die Beschwerdeführerin die Möglichkeit genommen, sich von der Eignung der zur Verfügung stehenden Ersatzkräfte zu überzeugen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die offene Stelle mit einer begünstigt zu vermittelnden Arbeitskraft hätte besetzt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung in einem mängelfreien Verfahren verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Das Arbeitsamt hat die Abweisung des Antrags der Beschwerdeführerin u.a. auf § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG gestützt. Da die belangte Behörde diesen Abweisungsgrund nicht aufgegriffen und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, war darauf vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen. Im angefochtenen Bescheid ist auch eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG unterblieben. Diesbezüglich erübrigt sich eine weitere Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof indes schon deshalb, weil der angefochtene Bescheid im Jahre 1993 erlassen (zugestellt) worden ist, die belangte Behörde aber nur das Überschreiten der für 1992 festgesetzten Landeshöchstzahl festgestellt hat. Da eine Rechtsmittelbehörde im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1977, Zl. 898/75 = VwSlg. 9315/A), war die belangte Behörde nicht berechtigt, ihre Entscheidung auf die mit Ablauf des 31. Dezember 1992 außer Kraft getretene Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, BGBl. Nr. 598/1991, zu stützen.

Die belangte Behörde geht in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung bereits aus § 4 Abs. 1 AuslBG abzuleitende Umstände entgegenstehen.

Nach dieser Gesetzesstelle ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich

1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und

2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, Zl. 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, sowie vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164, u.v.a.).

Im Beschwerdefall wurde von der Beschwerdeführerin die Stellung von Ersatzkräften nicht von vornherein abgelehnt, doch glaubte die belangte Behörde daraus, daß die Beschwerdeführerin im Zuge des Berufungsverfahrens das Schreiben vom 12. Mai 1993 unbeantwortet gelassen hat, schlüssig ableiten zu können, bei der Beschwerdeführerin habe ein "Desinteresse" bestanden, eine andere Arbeitskraft als C. aufzunehmen. Ohne eine ausdrückliche Erklärung des Antragstellers, nur den beantragten Ausländer und keinesfalls eine Ersatzkraft zu wünschen, fehlt es einer derartigen (verfahrensentscheidenden) Annahme jedoch an einer zureichenden Grundlage. Es bedurfte auch nicht etwa zusätzlich zum Antrag auf Beschäftigungsbewilligung eines "Vermittlungsauftrages" an das Arbeitsamt, weil das Ziel der Arbeitsvermittlung von Amts wegen durch das Arbeitsamt anzustreben ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1993, Zl. 93/09/0026, und die dort angeführte Vorjudikatur). Es trifft daher keinesfalls zu, daß konkrete Zuweisungen geeigneter Bewerber oder Bewerberinnen nur "mit ausdrücklicher Zustimmung des Antragstellers" erfolgen könnten. Auf Grund dieser rechtlich unzutreffenden Beurteilung dieses Sachverhaltes durch die belangte Behörde steht im Beschwerdefall noch nicht fest, ob für die gewünschte Beschäftigung ein inländischer Arbeitssuchender oder ein diesem gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten Bedingungen auszuüben. Erst entsprechende Ermittlungen werden die Beurteilung der allfälligen Berechtigung oder Nichtberechtigung einer Ablehnung gestellter Ersatzkräfte durch die Beschwerdeführerin ermöglichen.

Da die belangte Behörde somit infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der bisher vorliegenden Verfahrensergebnisse von der Vornahme weiterer Ermittlungen abgesehen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG als inhaltlich rechtswidrig.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für eine zur Rechtsverfolgung nicht erforderliche Beilage.

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