VwGH 93/09/0245

VwGH93/09/02458.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde der X Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 13. April 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte im Dezember 1992 beim Arbeitsamt Persönliche Dienste - Gastgewerbe in Wien einen undatierten Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den pakistanischen Staatsangehörigen M.Y. als Abwäscher mit einer Bruttoentlohnung von S 10.500,-- im Monat. Spezielle Kenntnisse oder Ausbildung wurden nicht verlangt.

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 28. Dezember 1992 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab, wobei es begründend ausführte, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet, darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin neben anderen Verfahrensmängeln geltend, die dem erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG zugrunde liegende Annahme der Überschreitung der Landeshöchstzahl sei für sie mangels ihr bekanntgegebener, verwertbarer und überprüfbarer Zahlen oder sonstiger Anhaltspunkte nicht nachvollziehbar. Der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung für M.Y. stünden im übrigen keine wichtigen öffentlichen oder gesamtwirtschaftlichen Interessen entgegen.

Im Zuge des Berufungsverfahrens legte die Beschwerdeführerin dem Arbeitsamt am 11. Februar 1993 einen Vermittlungsauftrag mit dem Ersuchen vor, ihr beim Arbeitsamt vorgemerkte Abwäscher zuzuweisen. Im Akt findet sich dann noch ein nicht weiter zuordenbarer Computerausdruck, wonach "im Zuge der EK-Stellung ... 11 Ersatzkräfte zugewiesen" worden seien. Namentlich genannt wird nur ein R, der sich laut Bestätigung der Beschwerdeführerin bei ihr am 26. Februar 1993 vorgestellt habe, aber nicht eingestellt worden sei, weil "zuwenig Praxis vorhanden" sei; weitere Vorstellungen würden seitens der Beschwerdeführerin nicht gewünscht. Einer mit Herrn R offenbar vom Arbeitsamt aufgenommenen Niederschrift zufolge gab dieser an, er habe sich am 26. Februar 1993 vorgestellt, doch sei der Chef nicht anwesend gewesen. Eine Kellnerin habe ihm gesagt, daß eigentlich kein Abwäscher, sondern eine Küchenhilfe mit Kochkenntnissen gebraucht werde. Da er über solche Kenntnisse nicht verfüge, sei er nicht eingestellt worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. April 1993 hat die belangte Behörde ohne weitere Verfahrensschritte der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 1 und Abs. 6 und § 13a AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge gegeben. In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde ausführlich die einschlägigen Rechtsvorschriften wieder und stellte fest, daß die mit Verordnungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales, BGBl. Nr. 598/1991 und BGBl. Nr. 254/1992 (richtig wohl: 738/1992), für 1992 und 1993 festgesetzten Landeshöchstzahlen "laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Beginn der betreffenden Kalenderjahre weit überschritten" seien. Es seien daher die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung sowohl nach § 4 Abs. 1 als auch nach § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen. Eine Überprüfung der Lage auf dem verfahrensgegenständlichen Arbeitsmarkt habe ergeben, daß derzeit für die konkret beantragte Beschäftigung geeignete Ersatzarbeitskräfte zur Deckung des Arbeitskräftebedarfes der Beschwerdeführerin zur Verfügung stünden, die zur Vermittlung vorgemerkt seien und gleichzeitig dem nach dem AuslBG begünstigten Personenkreis angehörten. Hingegen erfülle M.Y. nicht die Voraussetzungen, durch die er dem vorrangig zu vermittelnden Personenkreis des § 4b AuslBG zugeordnet werden könne. Angesichts der dargestellten Situation auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt sei der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren die Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung angeboten worden, doch sei "bei den folgenden Zuweisungen eher der Bedarf einer Küchenhilfe mit Kochkenntnissen" zutage gekommen. Die Berufungsausführungen seien daher gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für M.Y. zu begründen. Außerdem seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch von der Beschwerdeführerin vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG erfüllt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und 6 AuslBG idF gemäß der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.

Zu § 4 Abs. 1 AuslBG:

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber in der Regel einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt. Die Beschäftigungsbewilligung ist nach § 4 Abs. 1 AuslBG im allgemeinen zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. April 1993, Zl. 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben. Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, und vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).

Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes iS des § 4 Abs. 1 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistung aus der Arbeitslosenversicherung etc.) vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt einen Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, wenn entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen wäre, weil z.B. der einzelne ausländische Arbeitnehmer einen zu seiner Einstellung bereiten Arbeitgeber gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0179).

Zu den danach relevanten Fragen hat die belangte Behörde nach der Aktenlage kein ausreichendes Ermittlungsverfahren geführt. Eine Ablehnung jeglicher Ersatzkraft von vornherein hat die belangte Behörde nicht unterstellt und die Beschwerdeführerin auch nicht zu erkennen gegeben, diese hat vielmehr im Vermittlungsauftrag vom 11. Februar 1993 um die Zuweisung geeigneter Ersatzkräfte selbst angesucht. Dem Akt und dem angefochtenen Bescheid ist jedoch - mit einer Ausnahme - nicht zu entnehmen, welche Ersatzkräfte der Beschwerdeführerin tatsächlich angeboten wurden, und aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin gegebenenfalls die Einstellung dieser Kräfte abgelehnt hat. Aber auch im Falle des R ist dem Akt nicht zu entnehmen, was nun wirklich zu seiner Nichteinstellung bei der Beschwerdeführerin geführt hat und ob diese Ablehnung durch die Beschwerdeführerin begründet war oder nicht. Mit dem - übrigens nicht einmal dem Parteiengehör unterzogenen - Hinweis dieser Ersatzkraft auf eine dazu von einer Kellnerin im Betrieb der Beschwerdeführerin geäußerte Meinung läßt sich die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Annahme, die Beschwerdeführerin habe in Wahrheit gar keinen Bedarf nach einem Abwäscher gehabt, nicht zureichend begründen. Es ist somit die für eine Beurteilung des Falles nach § 4 Abs. 1 AuslBG relevante Frage ungeklärt geblieben, ob es überhaupt taugliche Ersatzkräfte zur Deckung des von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Arbeitskräftebedarfes gibt, und ob deren Einstellung allenfalls aus von der Beschwerdeführerin zu vertretenden Gründen unterblieben ist. Der bloße Hinweis auf derzeit zur Vermittlung vorgemerkte einschlägige Ersatzkräfte vermag die Vornahme konkreter Vermittlungsversuche nicht zu ersetzen.

Zu § 4 Abs. 6 AuslBG:

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

  1. 1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
  2. 2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
    1. a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
    2. b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
    3. c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
    4. d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
  1. 3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
  2. 4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

    Schon das Arbeitsamt ist im erstinstanzlichen Bescheid vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung des nach dieser Gesetzesstelle erschwerten Verfahrens für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ausgegangen. Es hat allerdings nur auf die Nichtbefürwortung des Antrags der Beschwerdeführerin durch den Vermittlungsausschuß hingewiesen, zur Überschreitung der Landeshöchstzahl hingegen keine Feststellung getroffen. Die Beschwerdeführerin hat eine Zustimmung durch den Vermittlungsausschuß nicht behauptet, sie hat aber schon in ihrer Berufung geltend gemacht, daß ihr die Behörde die Grundlagen für ihre Annahme der Überschreitung der Landeshöchstzahl nicht vorgehalten habe. Die belangte Behörde ist dessenungeachtet auf diese Frage im Ermittlungsverfahren nicht eingegangen, hat aber dem angefochtenen Bescheid wiederum zugrunde gelegt, die (mit Rücksicht auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides in diesem Kalenderjahr maßgebliche) Landeshöchstzahl für 1993 seit laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bereits seit Beginn des Jahres 1993 weit überschritten.

    Die Feststellung der Überschreitung der Landeshöchstzahl ist eine Sachverhaltsfeststellung und nicht etwa eine dem Parteiengehör nicht zu unterziehende rechtliche Beurteilung. Die belangte Behörde traf daher die Verpflichtung, der Beschwerdeführerin im Ermittlungsverfahren den Inhalt dieser Statistik zur Kenntnis zu bringen und ihr gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Da dieses Beweismittel nicht aktenkundig ist und die belangte Behörde trotz des darauf abzielenden Berufungsvorbringens der Beschwerdeführerin nicht offengelegt hat, aus welchen Daten diese Statistik gespeist und auf welche Weise sie auf dem laufenden gehalten wird, ist es auch dem Verwaltungsgerichtshof nicht möglich, den angefochtenen Bescheid diesbezüglich auf sein Übereinstimmen mit dem Gesetz zu prüfen.

    Die Beschwerde zeigt daher zusammenfassend sowohl zum Ablehnungsgrund des § 4 Abs. 1 AuslBG als auch zu jenem nach § 4 Abs. 6 AuslBG relevante Verfahrensmängel auf, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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