Normen
AlVG 1977 §25 Abs2;
AlVG 1977 §44;
AlVG 1977 §46 Abs2;
AlVG 1977 §46 Abs4;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs2;
AlVG 1977 §44;
AlVG 1977 §46 Abs2;
AlVG 1977 §46 Abs4;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Aktenlage beantragte B am 17. März 1992 beim Arbeitsamt Angestellte (Wien) unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formulars die Gewährung von Notstandshilfe. In diesem Formular führte er als "Nettoeinkommen" seiner Ehegattin als kaufmännischer Angestellter der Beschwerdeführerin S 16.000,-- an. Die Beschwerdeführerin bezifferte in einer im Akt erliegenden "Lohnbestätigung (zur Vorweisung beim Arbeitsamt)" vom 25. März 1992 den "Bruttobarlohn" der Ehegattin des Beschwerdeführers im Zeitraum vom 1. März bis 31. März 1992 mit S 16.157,30 und die Abzüge (Steuer und soziale Abgaben) mit S 6.842,70. Unter Bedachtnahme auf die zuletzt genannte Lohnbestätigung gewährte das Arbeitsamt dem B. für die Zeit vom 11. April 1992 bis 31. Dezember 1992 Notstandshilfe in der Gesamthöhe von S 24.167,--.
Mit Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste (Wien) vom 11. März 1993 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 69 Abs. 2 und 71 Abs. 1 AlVG zum Ersatz der durch ihr Verschulden an B. ausbezahlten unberechtigten Bezüge an Notstandshilfe in der Höhe von S 24.167,-- verpflichtet. Begründet wurde diese Entscheidung nach Zitierung der im Spruch genannten Bestimmungen wie folgt:
Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß von der Beschwerdeführerin am 25. März 1992 eine Lohnbestätigung über das Einkommen der Ehegattin des B. mit dem obgenannten Inhalt ausgestellt worden sei. Im Zuge einer neuerlichen Überprüfung dieser Angaben sei der erstinstanzlichen Behörde telefonisch von der Beschwerdeführerin bekannt gegeben worden, daß der Bruttobarlohn im Jahre 1992 nicht S 16.157,30, sondern S 23.000,-- betragen habe. Es sei daher eine Neuberechnung der dem B. gebührenden Leistung notwendig geworden, die ergeben habe, daß insgesamt S 24.167,-- an Notstandshilfe unberechtigt ausbezahlt worden sei. Da von seiten der Beschwerdeführerin unrichtige Angaben gemacht worden seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, ein Ersatz nach § 25 Abs. 2 AlVG setze voraus, daß eine dritte Person vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe. Diese Schuldform liege aber im Beschwerdefall nicht vor. Wie sich aus einem Aktenvermerk der erstinstanzlichen Behörde über ein Telefonat mit der "Lohnverrechnung" der Beschwerdeführerin am 25. Jänner 1993 ergebe, sei die unrichtige Lohnbestätigung lediglich irrtümlich ausgestellt worden. Der Lohnverrechner der Beschwerdeführerin habe irrtümlicherweise den Bruttobezug in Nettobezug und Abzüge aufgeteilt. Dieser Irrtum sei so offensichtlich, daß er dem zuständigen Sachbearbeiter bei gründlicher Prüfung hätte sofort auffallen müssen. Denn einerseits ergebe die Zusammenrechnung der beiden in der Lohnbestätigung angeführten Beträge genau den Bruttbezug von S 23.000,-- und andererseits wäre bei einem "Bruttolohn" von S 16.157,30 die Belastung der Ehegattin des B. mit Steuern und sozialen Abgaben im Betrag von S 6.842,70 exorbitant hoch. Überdies sei die Terminologie der "Lohnbestätigung" (Verwendung des Begriffes "Bruttobarlohn") völlig abweichend zu der sonst im Steuerrecht üblichen Terminologie. Auch dies habe den Irrtum des Mitarbeiters der Beschwerdeführerin mitverursacht. Die erstinstanzliche Behörde hätte zumindest Ermittlungen darüber anzustellen gehabt, ob überhaupt ein Verschulden vorliege bzw. ob der Beschwerdeführerin grobe Fahrlässigkeit angelastet werden könne. Schließlich handle es sich bei § 25 Abs. 2 AlVG um eine sogenannte "Kannbestimmung". Die erstinstanzliche Behörde habe daher die Bestimmung "nach pflichtgemäßem Ermessen" anzuwenden gehabt. Diesbezüglich sei aber nicht angeführt worden, warum diese Vorschrift angewandt worden sei. Insbesondere gehe aus dem bekämpften Bescheid nicht hervor, daß die erstinstanzliche Behörde versucht habe, den zuviel ausbezahlten Betrag vom Versicherten selbst zurückzuerhalten.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründend wurde ausgeführt, es sei unbestritten, daß es aufgrund der von der Beschwerdeführerin unrichtig ausgefüllten Lohnbestätigung für die Ehegattin des B. zu einer fehlerhaften Anweisung der Notstandshilfe an B. gekommen sei, dem dadurch eine Leistung ausbezahlt worden sei, die bei richtiger Ausstellung der Lohnbestätigung nicht gebührt hätte. Da vom Leistungsbezieher unberechtigt empfangene Leistungen nur unter den Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 AlVG, die im Beschwerdefall nicht vorlägen, zurückgefordert werden könnten, habe der zuviel ausbezahlte Betrag dem B. selbst nicht zum Rückersatz vorgeschrieben werden können. Die Beschwerdeführerin habe aber durch ihren Angestellten dem Arbeitsamt eine Lohnbestätigung ausgestellt, die unwahre Angaben enthalten habe, wodurch dem Arbeitsamt ein Schaden erwachsen sei. Dem Einwand der steuerrechtlich unüblichen Verwendung des Begriffes "Bruttobarlohn" sei entgegenzuhalten, daß die Bezeichnung derart determiniert sei, daß eine Verwechslung mit dem "Nettobetrag" eines Lohnes/Gehaltes ausgeschlossen erscheine. Sollte daher der Mitarbeiter der Beschwerdeführerin, obwohl eine "Verwechslung" ausgeschlossen erscheine, dennoch den "Nettobetrag" bewußt eingetragen haben, liege Vorsatz vor. Sollte er aber den Begriff "Bruttobarlohn" nicht gekannt haben, so wäre er unter Einhaltung der nötigen Sorgfalt verpflichtet gewesen, sich über seine Bedeutung zu informieren, um unwahre Angaben zu vermeiden; dies umsomehr, als ein allfälliger Schaden ausschließlich bei Dritten hätte auftreten können. Durch die zu unterstellende Einstellung des Angestellten der Beschwerdeführerin, "Ihrem Unternehmen könne bei allenfalls unrichtiger Ausstellung der Lohnbestätigung ohnehin kein Schaden erwachsen", habe er die ihm mögliche Sorgfalt außer acht gelassen und liege insofern "grobe Fahrlässigkeit" vor. Da der Mitarbeiter aber im Auftrag der Beschwerdeführerin gehandelt habe und diese dem Arbeitsamt als Betriebsinhaber für alle erforderlichen Auskünfte hafte (§ 69 Abs. 2 AlVG in Verbindung mit § 1313a ABGB), sei auch der Tatbestand des § 25 Abs. 2 AlVG erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes aus den schon in der Berufung angeführten Gründen das Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in Abrede stellt. Für die ihrem Mitarbeiter unterstellte Einstellung fänden sich im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte. Diesbezüglich hätte der Mitarbeiter befragt werden müssen. Insofern leide der angefochtene Bescheid auch an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie zur "Sachverhaltsdarstellung" unter anderem folgendes ausführte: Da B. in seinem Antrag vom 17. März 1992 angegeben gehabt habe, daß seine Ehegattin in einem Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin stehe, aus dem sie ein Entgelt erziele, das auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen auf seine Notstandshilfe anzurechnen gewesen sei, sei er zur Übermittlung einer diesbezüglichen Lohnbestätigung eingeladen worden. Diese sei dem Arbeitsamt auch vorgelegt worden, wobei die darin enthaltenen, von der Beschwerdeführerin getätigten Angaben der Anspruchsberechnung zugrundegelegt worden seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der gemäß § 38 AlVG im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmung des § 25 Abs. 2 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 502/1993 (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 7. Juli 1992, Zl. 92/08/0018, und vom 22. Juni 1993, Zl. 92/08/0159) kann eine dritte Person, die eine ihr nach diesem Bundesgesetz obliegende Anzeige vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit unterlassen oder falsche Angaben gemacht und hiedurch einen unberechtigten Bezug (von Notstandshilfe) verursacht hat, zum Ersatz verpflichtet werden.
Die Ersatzpflicht einer dritten Person nach dieser Bestimmung wegen "falscher Angaben" setzt unter anderem voraus, daß sie "HIEDURCH" (d.h. durch die - gegenüber dem Arbeitsamt gemachten - falschen Angaben) einen unberechtigten Bezug von Leistungen nach dem AlVG, unter anderem von Notstandshilfe, verursacht hat. Da die Notstandshilfe aber vom Arbeitsamt nach Durchführung eines in den §§ 44 ff AlVG näher geregelten Verfahrens zu gewähren ist, liegt eine solche "Verursachung" durch falsche Angaben jedenfalls dann nicht vor, wenn - wie im Beschwerdefall - der Arbeitslose selbst in dem nach § 46 Abs. 2 AlVG zur Geltendmachung seines Anspruches auf Notstandshilfe zu verwendenden Antragsformular (dessen Angaben das Arbeitsamt in die Lage versetzen sollen zu beurteilen, ob - u.a. unter Bedachtnahme auf das Einkommen seines Ehegatten - ein Anspruch besteht: vgl. u.a. das Erkenntnis vom 11. Mai 1993, Zl. 92/08/0182) zum "Nachweis" seines Anspruches im Sinne des § 46 Abs. 4 AlVG (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse vom 20. Juni 1985, Zl. 84/08/0099, vom 21. November 1989, Zl. 88/08/0258, und vom 10. März 1992, Zl. 92/08/0023), der unter anderem auch vom Einkommen seines Ehegatten abhängt, dessen Nettoeinkommen im wesentlichen richtig angibt und nur die dem Arbeitsamt zum Beweis seiner Behauptung über dessen Aufforderung als Beweismittel vorgelegte Lohnbestätigung des Dienstgebers seines Ehegatten davon abweichende "falsche Angaben" enthält. Denn bei dieser Aktenlage hat das Arbeitsamt den offenkundigen Widerspruch zwischen den primär entscheidenden Angaben des Arbeitslosen und dem diese Angaben nicht bestätigenden Beweismittel vor Gewährung der Notstandshilfe aufzuklären und darf sich nicht - zugunsten des Arbeitslosen, aber zu Lasten der "dritten Person" - ohne den Versuch einer solchen Aufklärung zu unternehmen ohne weiteres auf das Beweismittel stützen. Der unberechtigte Bezug von Notstandshilfe ist in einem solchen Fall nicht auf diese "falschen Angaben", sondern (primär) auf Verfahrensverstöße des Arbeitsamtes zurückzuführen.
Bei diesem Ergebnis brauchte nicht geprüft zu werden, ob der auf "falsche Angaben" einer dritten Person gestützte Ersatztatbestand des § 25 Abs. 2 AlVG voraussetzt, daß die dritte Person - ebenso wie nach dem ersten Ersatztatbestand - nicht nur mit derselben Verschuldensform gehandelt, sondern auch eine Verpflichtung zu "Angaben" gegenüber dem Arbeitsamt "nach diesem Bundesgesetz" getroffen hat, ob sich bejahendenfalls, wie die belangte Behörde annimmt, eine solche Verpflichtung aus den §§ 69 Abs. 2 und 71 Abs. 1 AlVG ergibt, und ob die Verpflichtung der dritten Person zum Ersatz - sowie bei einer Rückforderung nach § 25 Abs. 1 AlVG (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 22. Juni 1993, Zl. 92/08/0159) - den bescheidmäßigen Widerruf bzw. die rückwirkende Berichtigung der Bemessung gegenüber dem Leistungsempfänger zur Voraussetzung hat.
Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)