VwGH 93/06/0232

VwGH93/06/023214.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der

I in X, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 29. Dezember 1992, Zl. I - 5/3/Blu/92, betreffend Verlängerung der Wirksamkeit einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien:

1. AF, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in B; 2. Stadt Bludenz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §31 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §36 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §36 Abs2;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §31 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §36 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §36 Abs2;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 8. September 1988 wurde dem Erstmitbeteiligten die Baubewilligung für den Abbruch und die Neuerrichtung des bestehenden Tischlereibetriebes auf dem der Beschwerdeführerin benachbarten Grundstück erteilt. Die Berufung der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid vom 9. Jänner 1989 abgewiesen. Der Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Oktober 1990 keine Folge gegeben. Der zuletzt erwähnte Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1992, Zl. 91/06/0143, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

In einem am 14. Dezember 1990 bei der Baubehörde erster Instanz eingelangten Schreiben beantragte der Erstmitbeteiligte die Verlängerung der Baubewilligung um zwei Jahre mit der Begründung, das Verfahren zur gewerblichen Bewilligung der Betriebsanlage sei noch nicht abgeschlossen.

Mit Bescheid vom 12. September 1991 hat der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Stadtgemeinde die Wirksamkeit der Baubewilligung vom 8. September 1988 "um zwei Jahre verlängert, das ist bis zum 11. Jänner 1993".

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, worin sie zunächst das Vorbringen in ihrer Berufung im Baubewilligungsverfahren wiederholt und sich mit der vom Erstmitbeteiligten, der zweitmitbeteiligten Stadtgemeinde und der belangten Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu Zl. 91/06/0143 erstatteten Gegenschriften auseinandersetzt. Dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich dahin zusammenfassen, daß eine Baubewilligung für das Projekt des Erstmitbeteiligten nicht erteilt werden dürfe.

Nach Einholung einer Gegenäußerung des Erstmitbeteiligten hat die Stadtvertretung der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 2. April 1992 die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen und dazu ausgeführt, daß kein zwischen der Wirksamkeit der Baubewilligung und dem Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingetretener Versagungsgrund behauptet worden wäre.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, in der neuerlich das schon in ihrer Berufungsschrift enthaltene Vorbringen wiederholt wird.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 1992 wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 27. September 1993, B 213/93-8, die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt und sie mit einem weiteren Beschluß vom 17. November 1993, B 213/93-10, antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat.

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Beschwerdeergänzung erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Versagung der Verlängerung der Baubewilligung und "auf Entscheidung durch die zuständige Behörde" als verletzt. In diesem Beschwerdeschriftsatz legt die Beschwerdeführerin ausführlich dar, aus welchem Grund sie die Erteilung der ursprünglichen Baubewilligung für rechtswidrig hält und führt zum hier maßgebenden Beschwerdegegenstand aus, daß "ein Verlängerungsbescheid jedenfalls dann inhaltlich anfechtbar ist, wenn der ihm zugrundeliegende Baubescheid vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde". Andernfalls würde man zum absurden Ergebnis kommen, daß die Aufhebung eines Baubescheides nach Ergehen des Verlängerungsbescheides für die Nachbarn wirkungslos wäre.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972 in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 47/1983, verliert die Baubewilligung ihre Wirksamkeit, wenn nicht binnen zwei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft mit der Ausführung des Vorhabens begonnen oder die bereits begonnene Ausführung durch zwei Jahre unterbrochen und die Wirksamkeit der Baubewilligung nicht verlängert worden ist. Die Vornahme von Aushubarbeiten gilt noch nicht als Beginn der Ausführung des Vorhabens.

Gemäß § 36 Abs. 2 leg. cit. ist die Wirksamkeit der Baubewilligung auf schriftlichen Antrag jeweils um zwei Jahre zu verlängern, wenn in der Zwischenzeit kein Versagungsgrund eingetreten ist. Anläßlich der Verlängerung darf die Baubewilligung hinsichtlich der Auflagen nach § 32 Abs. 3 in jeder Richtung abgeändert werden.

Gemäß der zuletzt genannten Gesetzesbestimmung hat die Behörde durch Auflagen die Schaffung von Grünanlagen oder das Pflanzen von Bäumen oder Streuchern anzuordnen, wenn dies zum Schutz des Landschafts- und Ortsbildes oder zur Vermeidung von Belästigungen der Nachbarn erforderlich ist.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt zunächst die Auffassung der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, daß - so wie im Baubewilligungsverfahren - die Nachbarn auch in das Verfahren betreffend die Verlängerung der Wirksamkeit der Baubewilligung als Partei einzubeziehen sind. Ein Mitspracherecht kommt ihnen allerdings auch hier nur im Umfang des § 30 Baugesetz und nur in jenem Rahmen zu, in dem im Verfahren zur Verlängerung der Baubewilligung auf solche Umstände Bedacht zu nehmen ist. Für eine neuerliche Untersuchung, ob die Baubewilligung hätte erteilt werden dürfen bzw. für eine Auseinandersetzung mit Umständen, die im Zeitpunkt der Baubewilligung bereits vorlagen, ist im Verfahren zur Verlängerung der Baubewilligung kein Raum, da letztere nur dann versagt werden darf, wenn ein Versagungsgrund "in der Zwischenzeit" eingetreten ist. Diese Überlegungen reduzieren das Mitspracherecht der Nachbarn im Verfahren gemäß § 36 Abs. 2 des Baugesetzes auf die Frage, ob in der Zwischenzeit hinsichtlich jener Umstände, in denen den Nachbarn nach § 30 Abs. 1 Baugesetz ein Mitspracherecht zusteht, ein Versagungsgrund eingetreten ist. Ob den Nachbarn in diesem Verfahren auch die Geltendmachung zusätzlicher Auflagen nach § 32 Abs. 3 Baugesetz zusteht, kann - in Ermangelung eines diesbezüglichen Vorbringens der Beschwerdeführerin im vorliegenden Beschwerdefall - auf sich beruhen.

Behauptungen darüber, daß in der Zwischenzeit ein Versagungsgrund in Ansehung des Bauvorhabens des Erstmitbeteiligten eingetreten sei, hat die Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren aufgestellt noch vor dem Verwaltungsgerichtshof erhoben. Mit ihren - vorstehend zitierten - Beschwerdeausführungen verkennt sie, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides über die Verlängerung der Wirksamkeit der Baubewilligung vom 2. April 1992 der Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom 10. Oktober 1990, vor dem Verwaltungsgerichtshof zwar angefochten, jedoch noch nicht aufgehoben worden war. Die Behörde hatte somit von der Rechtskraft der mit Berufungsentscheidung vom 10. Oktober 1990 erteilten Baubewilligung auszugehen und war daher an diese Berufungsentscheidung gebunden. § 36 Abs. 2 des Vorarlberger Baugesetzes bietet - abgesehen von der darin ausdrücklich genannten Ausnahme der Auflagen nach § 32 Abs. 3 Baugesetz - keine Handhabe dafür, anläßlich der Antragstellung um die Verlängerung der Wirksamkeit der Baubewilligung deren Voraussetzungen von neuem aufzurollen.

Die Verlängerung der Wirksamkeit der Baubewilligung ist ihrer Natur nach an den Bestand der ursprünglichen Baubewilligung geknüpft: Sollte diese Baubewilligung (d.h. hier: der sie erteilende BERUFUNGSBESCHEID - nicht schon der Vorstellungsbescheid -) aus welchen Gründen immer behoben werden, so verlöre ein Bescheid auf Verlängerung der Wirksamkeit dieser Baubewilligung seinen Anwendungsbereich und würde daher keine weiteren Wirkungen mehr entfalten, zumal im fortgesetzten Baubewilligungsverfahren für den Fall der neuerlichen Erteilung der Baubewilligung eine neue Frist im Sinne des § 36 Abs. 1 Baugesetz in Gang gesetzt würde. Das in der Beschwerde befürchtete "absurde Ergebnis" kann daher gar nicht eintreten.

Da somit durch den angefochtenen Bescheid Rechte der Beschwerdeführerin nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Durch die Entscheidung in der Sache selbst ist eine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, entbehrlich.

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