Normen
AVG §52;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 lita;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litf;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs2;
BauG Vlbg 1972 §4 Abs1;
BauRallg impl;
BauRallg;
AVG §52;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 lita;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litf;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs2;
BauG Vlbg 1972 §4 Abs1;
BauRallg impl;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die H. Wohnbaugesellschaft m.b.H. hat mit Ansuchen vom 16. November 1992 die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit neun Wohnungen samt Tiefgarage auf GP 1 beantragt. Die mitbeteiligte Partei ist Eigentümer der GP 2, die unmittelbar an die zu bebauende Parzelle anschließt. Über das Ansuchen der Bauwerberin hat der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde mit Kundmachung vom 3. Februar 1993 eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der auch die mitbeteiligte Partei unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurde. In der Verhandlung vom 15. Februar 1993 brachte die mitbeteiligte Partei, vertreten durch ihren Rechtsbeistand wörtlich folgendes vor:
"Das Bauvorhaben wird auf feuchtem, sumpfigem Boden gebaut und ist durch den zu errichtenden Bau, insbesondere durch die Tiefgarage, mit Auswirkungen auf das Anwesen des Herrn Josef Hütter zu rechnen. Es werden Einwendungen gemäß § 30 in Verbindung mit § 4 Baugesetz erhoben. Im übrigen liegt keine rechtlich gesicherte Verbindung zum öffentlichen Verkehrsnetz vor. Durch die Einräumung des Geh- und Fahrrechtes durch die Bauwerberin an die insgesamt 9 künftigen Wohnungseigentümer liegt eine unzulässige Erweiterung eines Dienstbarkeitsrechtes vor."
Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 9. März 1993 wurde der Bauwerberin die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Die Einwendungen der Nachbarn wurden gemäß § 30 Abs. 2 als unzulässig zurückgewiesen und soweit sie sich auf das Privatrecht stützten, auf den Rechtsweg verwiesen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die mitbeteiligte Partei vor, der Bürgermeister habe im Baubewilligungsbescheid die Behauptung aufgestellt, daß die im §§ 4 Abs. 1 des Baugesetzes genannten Gefahren bei der gegenständlichen Liegenschaft mit Sicherheit auszuschließen seien. Dabei übersehe der Bürgermeister aber, daß in der genannten Bestimmung nicht nur Lawinen und Steinschlag genannt seien, sondern auch Rutschungen und dergleichen. Aufgrund der Erfahrungen in diesem Gebiet müsse aber mit Rutschungen gerechnet werden. Die schlechten Bodenverhältnisse im Bereich der gegenständlichen Grundstücksnummer 1 GP seien allgemein, insbesondere aber der Baubehörde bekannt. Rutschungen und dergleichen, nämlich nachhaltige Beeinträchtigungen für das Gebäude der mitbeteiligten Partei und besonders wegen der geplanten Tiefgarage seien zu erwarten. Diese deutlich formulierten Gefahren einfach damit abzutun, daß solche "mit Sicherheit auszuschließen seien", sei eine behördliche Anmaßung. Die mitbeteiligte Partei habe als Nachbar rechtzeitig im Sinne des Gesetzes Einwendungen erhoben und auf diese Gefahren hingewiesen.
Diese Berufung hat die mitbeteiligte Partei mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist verbunden. Mit Bescheid der Berufungskommission der Marktgemeinde Hard vom 24. Mai 1993 wurde dem Wiedereinsetzungsantrag der mitbeteiligten Partei stattgegeben, ihre Berufung gegen die Erteilung der Baubewilligung wurde abgewiesen. Die Abweisung der Berufung wurde damit begründet, daß bei den taxativ aufgezählten Nachbarrechten der § 4 des Baugesetzes angeführt sei, soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücken zu rechnen sei. Bei den Bestimmungen des § 4 spreche der "Kommentar zum Baugesetz" davon, daß bei Grundstücken, die möglicherweise durch Lawinen, Hochwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen u.a. gefährdet seien, Gutachten der einschlägig berührten Dienststellen einzuholen wären. Aus den Tatbeständen gehe ganz klar hervor, daß "keine Rutschungen im Sinne der Bauführung selbst unter dieser Bestimmung subsumiert werden" könnten. Aus diesem Grunde sei davon auszugehen, daß es sich bei den Einwendungen um solche handle, mit denen die Verletzung anderer als im § 30 Abs. 1 (wohl des Baugesetzes) genannter öffentlich-rechtlicher Vorschriften behauptet werde und diese als unzulässig zurückzuweisen seien, Einwendungen, die sich auf das Privatrecht stützten, seien auf den Rechtsweg zu verweisen.
Die Berufungskommission stelle fest, daß auf dem Baugrundstück mit 1214 m2 eine Wohnanlage mit insgesamt 9 Einheiten errichtet werden solle. Die Baunutzzahl betrage knapp unter 60, was dem ortsüblichen Ausmaß in Wohngebieten entspreche. Vorgesehen sei eine Unterkellerung zur Unterbringung einer Tiefgarage und verschiedener Kellerabteile im erforderlichen Ausmaß. Die Bauabstände zum Nachbargrundstück der mitbeteiligten Partei würden eingehalten. Es werde einhellig festgestellt, daß keine Nachbarrechte, die im § 30 des Baugesetzes taxativ aufgezählt seien, berührt würden.
Aufgrund der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung der mitbeteiligten Partei hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 5. Juli 1993 den Bescheid der Berufungskommission aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde Hard zurückverwiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die mitbeteiligte Partei habe rechtzeitig die auf § 30 Abs. 1 lit. a des Baugesetzes gestützte Einwendung, das Bauvorhaben sei auf feuchtem, sumpfigem Boden gebaut und es sei deshalb insbesondere durch die Tiefgarage mit negativen Auswirkungen auf das Anwesen der mitbeteiligten Partei zu rechnen, erhoben. Bei der Aufzählung möglicher Gefährdungen im zweiten Satz des Abs. 1 des § 4 des Baugesetzes handle es sich um eine demonstrative Aufzählung. Es sei davon auszugehen, daß den Nachbarn in Fragen der Statik und der Tragfähigkeit des Untergrundes ein Rechtsanspruch insoweit zustehe, als sich eine Gefahr von der zu verbauenden Liegenschaft auf ihre Grundflächen zu erstrecken vermöge. Die Baubehörden der beschwerdeführenden Marktgemeinde hätten einen solchen Rechtsanspruch des Nachbarn ohne nachvollziehbare Begründung verneint und damit die inhaltliche Tragweite des § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 30 Abs. 1 lit. a des Baugesetzes verkannt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich nach dem Beschwerdepunkt zwar nicht verfassungs- aber gesetzwidrig in ihrem Recht auf Selbstverwaltung in Angelegenheit der örtlichen Baupolizei auf Selbstverwaltung verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Zur Gegenschrift der mitbeteiligten Partei hat die Beschwerdeführerin eine Replik eingebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist mit Bezug auf Ausführungen in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei, wonach die Beschwerde der Marktgemeinde Hard nicht zulässig sei, weil der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz keine rechtzeitige Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben habe, festzustellen, daß nicht die Baubehörde erster Instanz, sondern die Gemeinde als Gebietskörperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung (Art. 116 Abs. 1 B-VG), die sich, wie auch der Beschwerde zu entnehmen ist, in diesem Recht auf Selbstverwaltung verletzt erachtet, die Beschwerde eingebracht hat.
Das Mitspracherecht des Nachbarn ist im Baubewilligungsverfahren nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbarn solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, und seither ständige Rechtsprechung).
Die Rechte der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nach dem Vorarlberger Baugesetz LGBl. Nr. 39/1972 in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 47/1983, werden im § 30 Abs. 1 und 2 leg. cit. wie folgt umschrieben:
"(1) Über Einwendungen der Nachbarn, die sich auf Rechte stützen, die durch folgende Vorschriften begründet werden, ist in der Erledigung über den Bauantrag abzusprechen:
a) § 4, soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist;
b) § 6, insoweit er den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm, betrifft;
c) § 9 Abs. 1 hinsichtlich von Einfriedungen an der Grenze eines Nachbargrundstückes;
d) § 12 Abs. 1, insoweit er sich auf Einrichtungen auf Nachbargrundstücken bezieht, die eines besonderen Schutzes gegen Lärm und sonstige Belästigungen bedürfen;
e) § 17, soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist;
f) § 37 Abs. 4, soweit er dem Schutz der Nachbarn dient.
(2) Einwendungen der Parteien, mit denen die Verletzung anderer als im Abs. 1 genannter öffenticher-rechtlicher Vorschriften behauptet wird, sind als unzulässig zurückzuweisen, Einwendungen, die sich auf das Privatrecht stützen, sind auf den Rechtsweg zu verweisen."
Die Aufzählung der Nachbarrechte im § 30 Abs. 1 Baugesetz ist - wie sich aus Abs. 2 dieser Bestimmung zweifelsfrei ergibt - eine taxative (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. Juli 1981, Slg. Nr. 10.514/A vom 21. Mai 1992, Zl. 91/06/0143, u.v.a.).
Daraus ergibt sich, daß ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht gemäß § 30 Abs. 1 lit. a des Baugesetzes hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften des § 4 leg. cit., soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist, besteht.
§ 4 Abs. 1 leg. cit. lautet:
"(1) Baugrundstücke für Gebäude müssen eine solche Lage, Form und Größe haben, daß auf ihnen den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechende Gebäude errichtet werden können. Sie dürfen nicht durch Lawinen, Hochwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen u.dgl. gefährdet sein. Eine Baubewilligung (§ 31) darf nur erteilt werden, wenn solche Gefahren durch entsprechende Auflagen oder Bedingungen abgewendet werden können."
Nun begründet § 30 Abs. 1 lit. a des Vorarlberger Baugesetzes ein Nachbarrecht dann, wenn mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist. Die Frage, ob mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist, wird nicht immer eindeutig zu beantworten sein. Wenn aber ein Nachbar eine derartige Beeinträchtigung seines Grundstückes geltend macht, so hat sich die Baubehörde damit inhaltlich insofern auseinanderzusetzen, als sie, allenfalls durch Sachverständige, zu ermitteln hat, ob aufgrund der örtlichen Gegebenheiten mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist. Der Rechtsansicht der Berufungskommission der beschwerdeführenden Gemeinde, aus der Anführung der Gefährdungstatbestände des § 4 des Baugesetzes gehe ganz klar hervor, daß keine Rutschungen im Sinne der Bauführung selbst unter dieser Bestimmung subsumiert werden könnten, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Im § 4 Abs. 1 wird zwar nur demonstrativ aufgezählt, welche Gefährdungen in Betracht kommen, jedoch sind gerade Rutschungen explizit angeführt; darüberhinaus räumt gerade das (Vorarlberger) Baugesetz dem Nachbarn im § 30 Abs. 1 lit. f ein subjektiv-öffentliches Recht auf Maßnahmen in bezug auf die Bauausführung selbst ein. Es ist daher davon auszugehen, daß den Nachbarn in der Frage der Beschaffenheit des Bauplatzes ein Mitspracherecht auch insoweit zusteht, als sich für ihre Liegenschaft eine Gefahr von der zu verbauenden Liegenschaft durch die Bauausführung ergibt (vgl. auch Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 3. Auflage Seite 177). Das Beschwerdevorbringen, aus der Möglichkeit, daß die Bauausführung Auswirkungen auf ein Nachbargrundstück haben könne, ergebe sich kein subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn, geht somit an der durch das Vorarlberger Baugesetz geschaffenen Rechtslage vorbei.
Aber auch mit dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe die eingetretene Präklusion nicht beachtet, vermag die Beschwerdeführerin ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen: Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, liegt eine dem § 42 AVG entsprechende Einwendung dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht, wobei Einwendungen präzisiert werden müssen. Die Präzisierung muß aber nur soweit gehen, daß aufgrund einer Einwendung jedenfalls erkennbar sein muß, welche Rechtsverletzung behauptet wird (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 280, zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Nun hat die mitbeteiligte Partei in der Verhandlung vom 15. Februar 1993 die bereits in der Sachverhaltsdarstellung wörtlich wiedergegebenen Einwendungen erhoben. Aufgrund der gewählten Formulierung, die noch dazu einen Hinweis auf § 30 in Verbindung mit § 4 des Baugesetzes enthielt, war aber mit hinreichender Klarheit dargetan, daß der Mitbeteiligte aufgrund der geologischen Gegebenheiten negative Auswirkungen auf seine Liegenschaft befürchtete. Die Einwendungen waren somit hinreichend präzisiert, da sie auch rechtzeitig erhoben wurde, ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Baubehörde mit dieser Einwendung der mitbeteiligten Partei inhaltlich auseinandersetzen hätte müssen. Zu Recht hat sie daher den Bescheid der Berufungskommission der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 24. Mai 1993 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde zurückverwiesen.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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