VwGH 93/01/0875

VwGH93/01/087515.12.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Bernegger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundeministers für Inneres vom 28. Juni 1993, Zl. 4.292.405/3-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige ungarischer Nationalität, ist am 10. Februar 1990 in das Bundesgebiet eingereist und stellte am 15. Februar 1990 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Mit Bescheid vom 17. Juli 1991 sprach die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien aus, daß bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht vorliegen. Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

In der Ersteinvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gab die Beschwerdeführerin an, daß sie Angehörige der ungarischen Minderheit in Rumänien sei. Sie sei von 1983 bis 1989 "Mitglied des UTC" gewesen. Sie sei in Rumänien aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit immer unterdrückt worden. Das habe im Kindergarten begonnen, in dem die Ungarn verspottet worden seien. Auch in der Schule sei sie durch ihre Sprache ausgesondert und dem Spott der Lehrer und Mitschüler ausgesetzt gewesen. Als sie dann Lehrerin geworden sei, habe sie keine fixe Anstellung bekommen, sondern nur einen befristeten Vertrag, und das auch nur deshalb, weil ihre Eltern ihr helfen hätten können. Die Revolution 1989 habe keine Besserung gebracht. Es sei im Gegenteil noch schlechter geworden. Sie habe kein Vertrauen in die wirtschaftliche und politische Zukunft ihres Heimatlandes. Ihr Schwager und ihre Schwester seien schon längere Zeit in Wien. Ihre Schwester wolle ihr finanziell helfen und sie würde gern in Österreich die Hochschule besuchen. In Rumänien sei sie wegen ihrer Volkszugehörigkeit von der Aufnahmsprüfung für die Universität ausgeschlossen gewesen. Sie habe Rumänien erst nach dem politischen Umbruch verlassen, weil sie sich zunächst seit 1987 vergeblich um eine offizielle Ausreise aus Rumänien bemüht habe. Sie sei dann ausgereist, nachdem die Reisebestimmungen gelockert worden seien und sie einen Reisepaß erhalten habe. In Ungarn habe sie nicht bleiben wollen, weil sie dort als Rumänin genauso behandelt werde wie die Ungarn in Rumänien.

In der Berufung trug die Beschwerdeführerin vor, daß die Einvernahme im erstinstanzlichen Verfahren insofern mangelhaft gewesen sei, daß sie auf einen Ungarisch-Dolmetsch eine Stunde habe warten müssen und die Dauer der Einvernahme infolge der vorgerückten Zeit sehr kurz gewesen sei. Es seien dadurch nicht alle ihre Argumente im Protokoll festgehalten worden. Sie habe in ihrem Dorf im Jahr 1988 den Posten einer stellvertretenden Biologielehrerin erhalten und damit zu jenem intellektuellen Kreis bzw. zu jener Berufsgruppe gehört, die von den rumänischen nationalistischen Kreisen und auch von den rumänischen Behörden sowie von der rumänischen Regierung als gefährlich eingestuft worden seien. Sie sei aufgrund dessen sowohl beruflich als auch im Privatleben diskriminiert worden. Es habe sich an den Verhältnissen nach dem Regimewechsel im Dezember 1989 nichts geändert. Man habe bereits im Jänner 1990 gedroht, man werde die ungarische Schule schließen und es den ungarischen Lehrern untersagen, weiter zu unterrichten. Ab Jänner 1990 seien es vor allem die Aktivitäten der

"Vatra romaneasca" gewesen, die Schwierigkeiten bereitet hätten. Im Jänner und Februar 1990 sei sie bedroht worden, wenn sie ihre Lehrerstelle nicht aufgebe. Daß sie mit ihren Befürchtungen recht gehabt habe, zeige sich daran, daß die ungarische Schule in ihrem Heimatdorf im Sommer des Jahres 1990 geschlossen worden sei und die ungarischen Kinder aus diesem Dorf nunmehr gezwungen würden, in das Nachbardorf in eine rumänische Schule zu gehen. Ihr Vater, der ebenfalls Lehrer gewesen sei, sei zwangspensioniert worden. Wäre sie zu Hause geblieben, hätte sie ihren Beruf nicht weiter ausüben können und wäre der Auflösung der ungarischen Schule zum Opfer gefallen.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß im gesamten Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht worden seien, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß sich die Beschwerdeführerin aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlandes befinde und nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Die Furcht vor Verfolgung müsse sich auf Umstände beziehen, die im zeitlichen Naheverhältnis zur Ausreise aus dem Heimatland liegen würden, weshalb das Vorbringen der Beschwerdeführerin in bezug auf ihre Schulzeit nicht relevant sein könne. Die Nachteile, die die Beschwerdeführerin wegen ihrer Zugehörigkeit zur ungarischen Minderheit zu tragen gehabt habe, stellten keine asylrechtlich relevanten Sachverhalte dar. Sie habe nach ihrer Ausbildung eine ihren Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung ausgeübt. Es sei daher im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Laufbahn keine Verfolgung erkennbar. Es bestehe auch in demokratischen Gesellschaften kein Anspruch eines Arbeitnehmers auf Arbeit. Dies gelte umso mehr, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes nicht vom Heimatstaat adäquat verursacht und daher diesem nicht zurechenbar sei. Auch die Maßnahmen, die in der Berufung geltend gemacht worden seien, seien nicht von der Intensität, daß von einer Verfolgung der Beschwerdeführerin im Sinne des Asylgesetzes gesprochen werden könne. Mit den Schwierigkeiten, die die Beschwerdeführerin bei der Ausübung ihres Berufes Anfang 1990 gehabt habe bzw. ihrer Auffassung bei einer Rückkehr nach Rumänien zu erwarten hätte, seien keine konkreten gegen sie gerichteten Maßnahmen, die in ihrer Intensität eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage der Beschwerdeführerin darstellen würden, aufgezeigt worden. Zu den geltend gemachten Mängeln bei der eineinhalb Stunden dauernden Vernehmung stellte die belangte Behörde fest, daß die Beschwerdeführerin mit ihrer eigenhändigen Unterschrift auf der Niederschrift zur Kenntnis genommen habe, daß diese Niederschrift die Grundlage für die erstinstanzliche Entscheidung darstelle und daß sie Gelegenheit gehabt habe, sämtliche Fluchtgründe vorzubringen. Eine Mangelhaftigkeit der erstinstanzlichen Einvernahme liege daher nicht vor. Da die Beschwerdeführerin somit nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei, könne ihr nicht gemäß § 3 leg. cit. Asyl gewährt werden.

In der Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Gewährung des Asylrechtes in Österreich sowie in ihrem Recht auf Durchführung eines mängelfreien Verfahrens verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da das Berufungsverfahren am 1. Juni 1992 anhängig war, war gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 dieses Gesetz anzuwenden.

Sofern die Beschwerdeführerin als Verfahrensmangel geltend macht, daß die belangte Behörde zu Unrecht unterlassen habe, sich von der derzeitigen politschen Situation in Rumänien, insbesondere der ungarischen Minderheit, zu informieren, ist ihr die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, daß Ermittlungen der Behörde über die allgemeinen Verhältnisse im Heimatland eines Asylwerbers nicht geboten sind, da allgemeine Verhältnisse in einem Heimatstaat für sich allein nicht ausreichen, wohlbegründete Furcht im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0894).

Sofern die Beschwerdeführerin auf gerichtliche Strafverfahren im Zusammenhang mit der Revolution verweist, welche nach ihrer Ansicht aufgrund unrichtiger Strafanzeigen und ohne Anhörung von Zeugen gegen Mitglieder der ungarischen Volksgruppe geführt würden, handelt es sich dabei um ein neues Vorbringen, das im Hinblick auf das vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltende Neuerungsverbot nicht beachtlich ist. Es handelt sich dabei auch nicht, wie es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1989, Zl. 89/01/0287-0291), um konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete oder ihm drohende Verfolgungshandlungen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hat die belangte Behörde die Ergebnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren ihrer Entscheidung zugrundezulegen, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vor, aufgrund derer eine Ergängung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens geboten ist. Daß eine solche Ergänzung oder Wiederholung des Asylverfahrens im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 geboten gewesen wäre, wurde von der Beschwerdeführerin weder behauptet noch ist dies dem Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Verwaltungsakten erkennbar. Auf den im Berufungsverfahren geltend gemachten Verfahrensmangel, daß auf den Ungarisch-Dolmetsch gewartet werden mußte, sodaß nur mehr wenig Zeit zur Einvernahme zur Verfügung stand, war schon deshalb nicht einzugehen, weil dies in der Beschwerde nicht geltend gemacht wurde.

Auch die Auffassung der belangten Behörde trifft zu, daß die von der Beschwerdeführerin im Rahmen des maßgeblichen erstinstanzlichen Verfahrens vorgetragenen Schwierigkeiten bei der Ausübung ihres Berufes keine Maßnahmen von der Art darstellen, daß sie im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1992, Zl. 91/01/0207, 0208, und vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0486) die Lebensgrundlage der Asylwerberin massiv bedroht hätten.

Sofern sich die Beschwerdeführerin in der Beschwerde auf die von ihr ins Treffen geführten Vorladungen zur Polizei und Verhöre im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Lehrerin an einer ungarischen Schule bezieht, genügt der Hinweis, daß es sich dabei um ein Vorbringen der Beschwerdeführerin im Asylverfahren handelt, das sie erst vor der Berufungsbehörde geltend gemacht hat und daher gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 als Entscheidungsgrundlage im vorliegenden Fall nicht heranzuziehen war. Abgesehen davon kann auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden, nach der Verhöre allein, wenn sie ohne weitere Folgen bleiben, keine Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (übereinstimmend mit § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991) darstellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0819, und vom 9. September 1987, Zl. 86/01/0024 und 0025).

Die belangte Behörde ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin das Vorliegen einer wohlbegründenden Furcht im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht glaubhaft machen konnte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte