Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. April 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer - ein rumänischer Staatsangehöriger, der am 16. August 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 20. August 1990 den Asylantrag gestellt hat - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Mai 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides zur Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer "im gesamten Verwaltungsverfahren" keine Umstände glaubhaft gemacht habe, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß er sich im Sinne des von ihr zitierten § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch rumänische Behörden außerhalb seines Heimatlandes befinde und nicht gewillt sei, "sich wieder unter dessen Schutz zu stellen". Dafür war lediglich maßgebend, daß sie sowohl die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Befragung am 1. September 1990 als auch sein Berufungsvorbringen in dieser Richtung einer rechtlichen Beurteilung unterzogen hat. Damit stellt sich die (von ihr nicht beantwortete) Frage, ob bzw. inwieweit die belangte Behörde auch auf das Berufungsvorbringen Bedacht zu nehmen hatte, gilt doch zufolge der Bestimmung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 grundsätzlich, daß sie ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hat, und läßt eine Ausnahme davon nur § 20 Abs. 2 leg. cit. in den dort genannten Fällen, bei deren Vorliegen eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen ist, zu. Der Beschwerdeführer macht geltend, daß ein derartiger Fall gegeben gewesen sei, weil das Ermittlungsverfahren offenkundig mangelhaft gewesen sei, was damit begründet wird, daß die Verpflichtung bestanden habe, ihn darauf hinzuweisen, "daß die belangte Behörde die Argumentation des Beschwerdeführers dahingehend wertet, daß es sich bloß um "private" Gründe handle"; damit nimmt er offensichtlich auf die (alleine damit in Zusammenhang zu bringende) Begründung im angefochtenen Bescheid, die vom Beschwerdeführer angeführten Probleme im beruflichen Bereich seien seinen eigenen Angaben nach "auf Meinungsverschiedenheiten mit Arbeitskollegen bzw. Vorgesetzten zurückzuführen" gewesen und daher nicht seinem Heimatstaat zurechenbar, Bezug.
Der Beschwerdeführer hat nach der Begründung des angefochtenen Bescheides am 1. September 1990 im wesentlichen angegeben, daß er in seiner Heimat sowohl mit der Liberalen Partei als auch mit der Bauernpartei sympathisiert habe. Nach seiner (was die belangte Behörde nicht wiedergegeben hat, im Jänner 1990 auf Grund seiner Teilnahme an Demonstrationen am
21. und 22. Dezember 1989 in Bukarest erfolgten) Ernennung zum Abteilungsleiter in einem Nuklearbetrieb habe er "alle alten Führungskräfte" entlassen. In der Folge hätten die Betroffenen gegen ihn intrigiert, um ihn seines Postens zu entheben. So habe man im März und im Mai 1990 Sabotageakte im Reaktor gesetzt, wodurch es beinahe zu einer Katastrophe gekommen sei. Er habe auf Grund dessen seine Versetzung beantragt, welche von der Betriebsleitung nicht genehmigt worden sei. Im Juni 1990 habe ein Arbeiter ihm vertraulich mitgeteilt, daß er mit seiner Entlassung zu rechnen habe (der Beschwerdeführer gebrauchte dabei die Worte, daß er "beseitigt werden solle"). Da er einen weiteren Sabotageakt befürchtet habe, habe er es vorgezogen, Rumänien zu verlassen.
Schon der Erstbehörde hätte auffallen müssen, daß es nach den Erfahrungen des täglichen Lebens wohl unwahrscheinlich erscheint, daß der Beschwerdeführer als Abteilungsleiter eines Betriebes "alle alten Führungskräfte" habe entlassen können, sodaß sie gehalten gewesen wäre, vor Erlassung ihres Bescheides diesbezüglich eine Klärung herbeizuführen. Dieser Umstand, der einen entscheidenden Punkt der Angaben des Beschwerdeführers betraf, hätte daher auch bei der belangten Behörde - ungeachtet der abschließenden Erklärung des Beschwerdeführers in der Niederschrift, daß er deren Inhalt verstanden und nichts hinzuzufügen habe - Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben (in dem Sinne, ob sie vom Beschwerdeführer tatsächlich so gemeint waren) entstehen lassen müssen, dies umso mehr, als der Beschwerdeführer in der Berufung den Sachverhalt insofern wesentlich anders dargestellt hat. Demnach seien nach der Revolution im Dezember 1989 "ein paar Führungskräfte, die total korrupt waren, ausgewechselt worden" und "die Beförderungskriterien für die frei gewordenen Stellen berufliche und moralische" gewesen. Im Jänner 1990 sei der Beschwerdeführer zum Abteilungschef befördert worden, während "die anderen Abteilungs- und Sektionsleiter blieben". Diese seien Sympathisanten der Front zur nationalen Rettung gewesen, er jedoch ein Sympathisant der Nationalen Liberalen Partei, woraus er "kein Geheimnis" gemacht habe. Deshalb hätten ihn "die anderen Abteilungs- und Sektionsleiter durch zweimaliges Sabotieren (im März und Mai 1990) der von meiner Abteilung hergestellten Produkte beseitigen" wollen. Dem Beschwerdeführer hätte wohl - entgegen seiner Ansicht - weder auf Grund des § 13a AVG noch zufolge des § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 der von ihm vermißte Vorhalt darüber gemacht werden müssen, wie die belangte Behörde seine Angaben zu werten gedenke; sie wäre aber nach dem bisher Gesagten verpflichtet gewesen, auch dieses Berufungsvorbringen zu beachten und (nur) insoweit gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, zumal der ihr unterlaufene Mangel als wesentlich anzusehen ist.
Die Auffassung der belangten Behörde, es seien die Schwierigkeiten, mit denen der Beschwerdeführer dort konfrontiert gewesen sei, nicht seinem Heimatstaat zuzurechnen, kann im Hinblick darauf, daß er in einem Staatsbetrieb tätig war, selbst dann, wenn man lediglich von seinen erstinstanzlichen Angaben ausginge, nicht ohne weiteres geteilt werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/0285). Es hätte sich auch in keinem Fall bloß um "Meinungsverschiedenheiten mit Arbeitskollegen bzw. Vorgesetzten" gehandelt. Die belangte Behörde wäre zwar, hätte sie (insgesamt) ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde legen können, im Ergebnis damit im Recht, daß daraus nicht abgeleitet werden könne, daß der Beschwerdeführer einer Verfolgung aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) taxativ angeführten Gründe ausgesetzt gewesen sei und weiterhin eine solche zu befürchten gehabt habe. Anders verhielte es sich aber, wenn in dem bereits genannten Rahmen auch das Berufungsvorbringen als Sachverhaltsgrundlage herangezogen werden müßte, wäre doch in den gegen den Beschwerdeführer gerichteten Aktivitäten eine Verfolgung wegen seiner politischen Gesinnung zu erblicken (vgl. auch dazu das zuletzt zitierte Erkenntnis vom 15. Dezember 1993). Die belangte Behörde hat, ohne ergänzende Befragung des Beschwerdeführers, ohnehin auch auf das (gesamte) Berufungsvorbringen Bedacht genommen, insoweit aber auf Grund ihrer unrichtigen rechtlichen Beurteilung eine Begründung dahingehend unterlassen, wieso diese Aktivitäten unter Berücksichtigung der nach der Revolution bestehenden politischen Verhältnisse in Rumänien aus objektiver Sicht nicht eine solche Situation geschaffen haben, daß ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland für ihn unerträglich gewesen sei. Dabei wäre auch zu prüfen gewesen, ob dem Beschwerdeführer das freiwillige Ausscheiden aus dem Betrieb in Ansehung einer allfälligen massiven Bedrohung seiner Lebensgrundlage zumutbar gewesen wäre und ihn ein derartiger Schritt vor einer (weiteren) Verfolgung bewahrt hätte, ist doch auf Grund der vom Beschwerdeführer (sowohl bei seiner Vernehmung als auch in der Berufung) verwendeten Worte, daß es darum gegangen sei, ihn zu "beseitigen", fraglich, ob seine Verfolgung nur auf den beruflichen Bereich beschränkt gewesen sei.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich, im Rahmen des gestellten Begehrens, auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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