VwGH 92/09/0156

VwGH92/09/015625.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der NN Gesellschaft m.b.H. & Co in X, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. Jänner 1992, Zl. 631.556/1-2a/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
ZustG §17 Abs3;
AuslBG;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
ZustG §17 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der offenbar unter Zuhilfenahme automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellten, als Bescheid bezeichneten Erledigung vom 23. Dezember 1991 hat das Landesarbeitsamt Vorarlberg den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG für den türkischen Staatsangehörigen CC als Stickereiarbeiter abgelehnt. Gemäß dem dazu im Akt erliegenden Rückschein wurde am 24. Dezember 1991 der Versuch unternommen, diese Erledigung an die Beschwerdeführerin unter der Adresse X, R-Straße, zuzustellen. Es wurde damals eine Verständigung in den Briefkasten der Beschwerdeführerin eingelegt, wonach die betreffende Sendung beim Postamt X hinterlegt werde und die Abholfrist am 27. Dezember 1991 zu laufen beginne.

In der dagegen erhobenen Berufung, die am 11. Jänner 1991 zur Post gegeben wurde, hat die Beschwerdeführerin ohne nähere Ausführungen zur Rechtzeitigkeit der Berufung ausgeführt, die erstinstanzliche Erledigung sei ihr am 7. Jänner 1992 zugestellt worden.

Diese Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 28. Jänner 1992 als verspätet zurückgewiesen, weil letzter Tag der Berufungsfrist der 10. Jänner 1992 gewesen sei. Ohne daß dies im angefochtenen Bescheid ausdrücklich erwähnt worden wäre, war offenbar für die Zuständigkeit der im Beschwerdefall eingeschrittenen Verwaltungsbehörden § 20 Abs. 1 zweiter Satz und § 20 Abs. 4 AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 450/1990, maßgebend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

U.a. hat auf Grund einer Anfechtung durch den Verwaltungsgerichtshof der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. März 1992, Zlen. G 23-34/92, G 42-46/92, G 49/92 und G 50/92, ausgesprochen, daß der zweite Satz des § 20 Abs. 1 AuslBG in der oben genannten Fassung verfassungswidrig war. Der vorliegende Beschwerdefall war (unter der Zahl G 46/92) einer jener Fälle, die dem verfassungsgerichtlichen Erkenntnis unmittelbar zugrunde gelegen sind. Er zählt somit zu den Anlaßfällen der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof (Art. 140 Abs. 7 B-VG). Die als verfassungswidrig erkannte Regelung ist daher auch im vorliegenden Beschwerdefall nicht mehr anzuwenden.

Dies wird allerdings nach der besonderen Konstellation dieses Beschwerdefalles, in dem noch nicht feststeht, ob die belangte Behörde überhaupt über eine zulässige Berufung zu befinden hatte, erst im fortgesetzten Verfahren und nur dann zum Tragen kommen, wenn die Rechtzeitigkeit der Berufung der Beschwerdeführerin letztlich zu bejahen wäre. Für den Fall, daß diese Berufung tatsächlich verspätet war, ist die belangte Behörde ungeachtet des genannten verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses zur Zurückweisung dieses Rechtsmittels zuständig und berechtigt.

Darüber hinaus scheint es jedoch, was im fortgesetzten Verfahren ebenfalls zu beachten sein wird, an der Erlassung eines erstinstanzlichen Bescheides überhaupt zu mangeln. Wie sich aus der im Akt erliegenden erstinstanzlichen Erledigung ersehen läßt, liegt nämlich die Annahme nahe, daß auch der der Beschwerdeführerin zugemittelten "Ausfertigung" dieser Erledigung ein Essentiale gemäß § 18 Abs. 4 AVG, nämlich die Beisetzung des Namens des Genehmigenden, fehlt (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1992, Zl. 91/09/0169, und zahlreiche andere, Erledigungen von Arbeitsämtern als erstinstanzliche Behörden betreffende Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes).

Im derzeitigen Stadium des Verfahrens kommt es allerdings ausschließlich darauf an, ob die Zurückweisung der Berufung als verspätet durch die belangte Behörde dem Gesetz entsprochen hat oder nicht.

Grundsätzlich hat die Berufungsbehörde das Risiko einer Bescheidaufhebung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellung aber - wie im Beschwerdefall - dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, auf S. 537 wiedergegebene Judikatur). Zur Entgegnung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, die Beschwerdeführerin habe die Gründe für die behauptete Rechtzeitigkeit ihres Rechtsmittels in der Berufung nicht ausgeführt, ihre diesbezüglichen Beschwerdeausführungen verstießen deshalb gegen das Neuerungsverbot gemäß § 41 Abs. 1 VwGG, ist zu sagen, daß der Berufungswerber nicht verpflichtet ist, von vornherein alle Umstände anzuführen, aus denen er die Rechtzeitigkeit seiner Berufung ableitet. Es mag zugegeben werden, daß der äußere Tatbestand (Rückschein) der belangten Behörde den Gedanken an eine Gesetzwidrigkeit der Zustellung nicht nahegelegt hat, doch kommt hier der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens zur Geltung, aus welchem folgt, daß die belangte Behörde zu prüfen hatte, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, bevor sie die Berufung wegen Verspätung zurückweisen durfte (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, aaO, S. 538, angeführte Judikatur). Zur Vorsicht gemahnt war die belangte Behörde im Beschwerdefall schon dadurch, daß die Beschwerdeführerin entgegen dem Inhalt des Rückscheins von einer Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung erst am 7. Jänner 1992 ausgegangen ist.

Hinterlegte Sendungen gelten grundsätzlich gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Sie gelten aber gemäß dem vierten Satz dieser Gesetzesstelle dann nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte; doch wird in diesem Falle die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Das Tatsachenvorbringen der Beschwerdeführerin zur Abwesenheit von der Abgabestelle kann an Hand des bisherigen Akteninhaltes auf seine Richtigkeit nicht überprüft werden. Es erweist sich daher der Sachverhalt in einem entscheidenden Punkt als ergänzungsbedürftig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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