VwGH 92/09/0062

VwGH92/09/006223.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der XY Gesellschaft m.b.H. & Co in H, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Präsidenten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 13. Feber 1991, Zl. Präs 257-13/1/90/Wa/N, betreffend Entrichtung der Einverleibungsgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
HKG 1946 §20 litc;
HKG 1946 §22 Abs3;
HKG 1946 §53a;
HKG 1946 §57b Abs1;
HKG 1946 §57b Abs2;
HKG 1946 §57b Abs4;
HKG 1946 §57f Abs1;
HKG 1946 §57g Abs1;
HKG 1946 §57g Abs2;
HKG 1946 §7 litc;
HKG 1946 §9 Abs3;
HKGNov 08te Art2 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;
AVG §18 Abs4;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
HKG 1946 §20 litc;
HKG 1946 §22 Abs3;
HKG 1946 §53a;
HKG 1946 §57b Abs1;
HKG 1946 §57b Abs2;
HKG 1946 §57b Abs4;
HKG 1946 §57f Abs1;
HKG 1946 §57g Abs1;
HKG 1946 §57g Abs2;
HKG 1946 §7 litc;
HKG 1946 §9 Abs3;
HKGNov 08te Art2 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Wie dem erstinstanzlichen Bescheid zu entnehmen ist, richtete die Beschwerdeführerin an die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien Anträge auf Ausstellung von Bescheiden über Art und Ausmaß der ihr vorgeschriebenen Einverleibungsgebühr (EVG, nunmehr gemäß Art. II Abs. 3 der 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991: Eintragungsgebühr) betreffend ihre neuen Standorte in Wien n1 und Wien n2 (jeweils für die Be- und Verarbeitung von Fleisch und Fleischwaren in industriemäßiger Form, beschränkt auf den Verkauf).

Hierauf erließ der Präsident der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien einen mit 6. August 1990 datierten Bescheid, wonach die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, gemäß § 57b HKG eine EVG in der Höhe von S 2.000,-- zu leisten. Begründend führte der Präsident im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin gehöre nach dem gewählten Gewerberechtswortlaut der Sektion Industrie an und sei dort Mitglied der Wiener Fachvertretung der Nahrungs- und Genußmittelindustrie. Die EVG sei "für nahezu alle Bereiche der Sektion Industrie der Wiener Handelskammer und auch für die hier gegenständlichen zuletzt mit S 500,-- im Normalsatz ordnungsgemäß festgesetzt und gemäß § 57 Abs. 7 HKG und § 13 Abs. 1 der Umlagenordnung, BGBl. Nr. 215/1947 (in der jeweils damals geltenden Fassung) vom Bundesminister für Handel und Wiederaufbau bewilligt und in dessen (damaligem) Mitteilungsblatt "Amtliche Nachrichten des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau", Sonderausgabe vom Juli 1957, verlautbart" worden. Gemäß § 57b Abs. 2 HKG hätten Kommanditgesellschaften die EVG in doppelter Höhe des Normalsatzes zu entrichten, woraus sich die Gesamthöhe von S 2.000,-- für zwei Betriebsstätten ergebe. Die Vorschreibung der EVG gründe sich daher auf die gesetzlichen Gegebenheiten.

Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. Feber 1991 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Kammer Wien habe von der Errichtung einer eigenen Fachgruppe der Nahrungs- und Genußmittelindustrie in ihrem Bereich Abstand genommen. Somit bestehe in Wien keine als Körperschaft öffentlichen Rechts eingerichtete Fachorganisation; einer Fachvertretung komme ein entsprechender Status nach dem HKG nicht zu. Die Geschäfte, die sonst von der Fachgruppe zu führen wären, seien in diesem Fall von der Sektion der Landeskammer zu führen (§ 28 Abs. 2 FGO). Die gegenständliche Vorschreibung sei aufgrund einer Festsetzung der EVG "durch ein Organ der Sektion Industrie der Kammer Wien" erfolgt, vom Vorstand der Kammer Wien in seiner Sitzung am 5. April 1948 bestätigt und vom Bundesminister für Handel und Wiederaufbau genehmigt und in dessen Mitteilungsblatt am 15. Jänner 1949 verlautbart worden. Die Vorschreibung der EVG stütze sich demnach auf eine ordnungsgemäße Beschlußfassung durch die Kammer Wien. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die entsprechende Fachvertretung sei zur Beschlußfassung berufen gewesen, widerspreche den angeführten relevanten gesetzlichen Bestimmungen. Es gehe daher auch die Bestreitung der Rechtspersönlichkeit der "Fachvertretung Wien der Nahrungs- und Genußmittelindustrie" ins Leere. Die mangelnde Rechtssubjektivität ändere im übrigen nichts an der Verpflichtung der Angehörigen derartiger Organisationseinheiten, EVG zu entrichten. Die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Staffelungsregelung nach § 57b Abs. 2 HKG sei gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1989, B 1878/88-6, verfassungsrechtlich unbedenklich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, die Bezahlung der ihr vorgeschriebenen EVG zu verweigern.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 57b Abs. 1 HKG sind anläßlich der Erlangung von Berechtigungen nach § 3 Abs. 2 Einverleibungsgebühren zu entrichten. Sie werden von der Fachgruppe (im Fall des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer nach Anhörung der Fachvertreter) beschlossen. Der Beschluß über die Höhe der Einverleibungsgebühr bedarf der Bestätigung durch die Landeskammer und der im Wege der Bundeskammer einzuholenden Genehmigung durch den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie. Bestätigung und Genehmigung sind zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

§ 57b Abs. 2 HKG sieht Mindest- und Höchstsätze für Einverleibungsgebühren sowie eine Staffelung nach natürlichen und juristischen Personen vor (so etwa beträgt die EVG für Kommanditgesellschaften das Doppelte des für natürliche Personen vorgesehenen Normalsatzes).

Gemäß § 57b Abs. 4 HKG wird die Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe (im Falle des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer), im Bereich der Sektion Handel von dieser vorgeschrieben und eingehoben.

Gemäß § 57f Abs. 1 HKG wird die Einverleibungsgebühr binnen einem Monat ab Vorschreibung fällig.

Die zur Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr zuständige Körperschaft (bei Vorschreibung der Einverleibungsgebühr im Bereich der Sektion Handel diese Sektion) hat gemäß § 57g Abs. 1 HKG über Art und Ausmaß einen Bescheid zu erlassen, wenn dies von der zahlungspflichtigen Person spätestens einen Monat nach Vorschreibung verlangt wird.

Gegen den Bescheid nach Abs. 1 kann gemäß § 57g Abs. 2 HKG, sofern er betreffend die Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe erlassen wird, binnen zwei Wochen ab Zustellung Berufung an die Landeskammer erhoben werden. Gegen den Bescheid der Landeskammer (Sektion Handel) nach Abs. 1 sowie gegen den Bescheid, mit dem die Landeskammer über eine Berufung entschieden hat, steht binnen zwei Wochen die Berufung an die Bundeskammer offen, gegen deren Entscheidung kein weiteres ordentliches Rechtsmittel zulässig ist. Die Berufung ist jeweils bei der Stelle einzubringen, die den Bescheid erlassen hat.

Zuständig zur Erlassung von Berufungsbescheiden nach § 57g Abs. 2 HKG ist, wie sich aus den §§ 22 Abs. 3 und 9 Abs. 3 HKG ergibt, der Vorstand der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1979, Slg. 8707). Gemäß dem ersten Satz des § 53a HKG können die in §§ 7, 20, 30 Abs. 1 und 31 Abs. 3 angeführten Kollegialorgane - zu denen gemäß § 20 lit. c der Vorstand der Bundeskammer zählt - die Beschlußfassung in bestimmten Angelegenheiten engeren Organen der betreffenden Organisation (Landeskammer, Bundeskammer, Sektionen, Fachgruppe, Fachverband) übertragen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist.

Der angefochtene Bescheid enthält keinen direkten Hinweis auf ein tätig gewordenes Organ der Bundeskammer und ist daher auf Grund seiner Fertigungsklausel dem Präsidenten der Bundeskammer zuzurechnen. Dieser war auch, wie aktenkundig ist, gemäß einem am 30. Mai 1980 gefaßten und in den Kammerblättern veröffentlichten Beschluß des Vorstandes der Bundeskammer nach § 53a HKG zur Bescheiderlassung zuständig.

Ähnliche Überlegungen sind hinsichtlich der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides anzustellen, weil eine von der belangten Behörde nicht aufgegriffene Unzuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten würde (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 571 angeführte Judikatur). Im Beschwerdefall stammt der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 57g Abs. 1 HKG von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien (Handelskammer). Er ist ähnlich wie der angefochtene Bescheid nach seinem Inhalt und gemäß der Fertigungsklausel dem Kammerpräsidenten zuzurechnen, dessen Zuständigkeit zur Bescheiderlassung ebenfalls durch einen aktenkundigen, in den §§ 53a und 7 lit. c HKG gedeckten Delegierungsbeschluß des Vorstandes der Wiener Landeskammer vom 8. September 1980 gegeben war.

Zutreffend ist das Beschwerdevorbringen, wonach der Beschwerdeführerin die von der belangten Behörde verwerteten Aktenunterlagen betreffend den der individuellen EVG-Vorschreibung zugrunde liegenden, als Verordnung zu qualifizierenden generellen EVG-Beschluß nicht im Wege des Parteiengehörs vorgehalten hat. Dies allein hat indes noch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zur Folge, weil die Existenz einer Verordnung eine Rechtsfrage, nicht aber eine Tatsache im Sinne des § 45 AVG darstellt, die im Ermittlungsverfahren festzustellen wäre. § 45 Abs. 3 AVG bezieht sich nicht auf die Existenz von Verordnungen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Feber 1986, Zl. 85/02/0179).

Im vorliegenden Fall kann die Frage der Rechtspersönlichkeit des bei Fassung des generellen EVG-Beschlusses eingeschrittenen Kammerorgans ebenso dahingestellt bleiben wie die in der Beschwerde ausführlich behandelte Frage, ob dieses Organ überhaupt zur Erlassung einer derartigen Verordnung zuständig gewesen wäre. Wie die Beschwerdeführerin nämlich mit Recht in ihrer Beschwerde aufzeigt, haben es die im Beschwerdefall eingeschrittenen Behörden unterlassen, klarzustellen, welches Gremium überhaupt den der konkreten EVG-Vorschreibung zugrunde liegenden generellen EVG-Beschluß gefaßt hat. Diese Klarstellung ist weder durch den ganz allgemein gehaltenen Hinweis im erstinstanzlichen Bescheid geschaffen worden, die EVG sei für nahezu alle Bereiche der Sektion Industrie festgesetzt worden, noch durch die Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach diese Festsetzung durch ein Organ der Sektion Industrie der Kammer Wien erfolgt sei. Darüber gibt auch die in Fotokopie vorliegende "Kundmachung" vom Juli 1957 (so der erstinstanzliche Bescheid) bzw. vom 15. Jänner 1949 (so die belangte Behörde) keinen Aufschluß. § 57b Abs. 1 HKG sieht im übrigen, worauf die Beschwerde ebenfalls mit Recht hinweist, eine generelle Beschlußfassung über EVG nur durch Fachgruppen bzw. Landeskammern, nicht aber durch eine Sektion vor.

Gemäß § 59 Abs. 1 AVG hat der Spruch eines Bescheides die

in Verhandlung stehende Angelegenheit ... unter Anführung der

angewendeten Gesetzesbestimmungen ... zu erledigen. Gegen diese Verfahrensvorschrift hat die belangte Behörde verstoßen, indem sie, ohne entsprechende Ergänzungen vorzunehmen, einen erstinstanzlichen Bescheid bestätigte, dem die angewendeten Bestimmungen nicht unmißverständlich zu entnehmen sind.

Nun steht zwar die Verletzung des § 59 Abs. 1 AVG hinsichtlich der dort geforderten Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen nicht schlechthin unter der Sanktion der Rechtswidrigkeit, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, daß auch die Begründung des Bescheides Zweifel über die angewendeten Vorschriften (Gesetze oder auf solche gestützte Rechtsverordnungen) nicht beseitigt (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/02/0008, und vom 10. Jänner 1967, Zl. 739/66 = Slg. 7051/A, u.a.). Läßt aber ein Bescheid eine taugliche Rechtsgrundlage nicht erkennen und ist diese auch weder aus dem vorangegangenen unterinstanzlichen Bescheid noch aus der Aktenlage zu erschließen, dann ist dieser Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift relevant, weil er den Beschwerdeführer an der zweckmäßigen Verfolgung seiner Rechte und den Verwaltungsgerichtshof an der Wahrnehmung seiner verfassungsgemäßen Kontrollbefugnis hindert (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 1964, Zl. 1287/63 = Slg. 6407/A). Da die konkrete EVG-Vorschreibung im Beschwerdefall gesetzwidrig wäre, wenn sie nicht auf einer ordnungsgemäß zustandegekommenen und kundgemachten Verordnung des zuständigen Gremiums beruhte, ist somit das Verfahren durch Klarstellung der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ergänzungsbedürftig.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, weil die belangte Behörde bei Einhaltung der außer acht gelassenen Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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