Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §60;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §60;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Hinsichtlich des Ganges des Verwaltungsverfahrens bis zum hg. Erkenntnis vom 23. April 1991, Zl. 90/04/0274, wird auf die diesbezügliche Darstellung in diesem Erkenntnis verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7. August 1990, mit welchem der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 74 und 81 GewO 1973 die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der bestehenden Betriebsanlage in W-V auf näher bezeichneten Grundparzellen durch a) Einbau eines Büro- und eines Laborraumes mit Vorraum und Abtrennung eines Lagerraumes von einem großen Lagerraum im Bereich der Lager- und Produktionshalle auf der Grundparzelle 272/8; b) Einbau von Büroräumen in der Produktionshalle auf der Grundparzelle 272/1 und einer Garage für Dieselfahrzeuge; c) Errichtung einer Betriebstankstelle und eines Waschplatzes im südlichen Bereich der Grundparzelle Nr. 272/8 und d) Aufstellung von zwei Zementsilos mit einem Inhalt von je 60 t und Auswechslung des Zwangsmischers nach Maßgabe der eingereichten und mit Sichtvermerken versehenen Pläne samt Betriebsbeschreibungen unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen und hinsichtlich des Zementsilos und Zwangsmischers unter Vorbehalt der Betriebsbewilligung erteilt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung dieses Erkenntnisses ausgeführt, die belangte Behörde habe sich mit einem Widerspruch zwischen dem im Verfahren zweiter Instanz eingeholten Gutachten eines medizinischen Amtssachverständigen und dem in dritter Instanz eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten nicht auseinandergesetzt, obwohl sich beide Sachverständige bei ihren erheblich differierenden und zu unterschiedlichen Ergebnissen führenden Aussagen über das Ausmaß gesundheitsgefährdender Lärmimmissionen auf denselben Autor beriefen. Außerdem habe es der in dritter Instanz beigezogene Sachverständige unterlassen, einerseits auf die Häufigkeit und eine allfällige Klangcharakteristik der einzelnen Lärmereignisse, insbesondere der Lärmspitzen, Bedacht zu nehmen und andererseits diese absoluten Werte in Relation zum herrschenden Grundgeräuschpegel zu setzen und daraus entsprechende sachverständige Schlüsse zu ziehen.
Mit dem als Ersatzbescheid ergangenen Bescheid vom 2. Dezember 1991 erteilte der Bundesminister der mitbeteiligten Partei neuerlich die in Rede stehende Bewilligung unter den bereits im Bescheid vom 7. August 1990 genannten Bedingungen und Auflagen. Zur Begründung wiederholte der Bundesminister zunächst die bereits im Bescheid vom 7. August 1990 gegebene Begründung und führte sodann nach Darstellung des wesentlichen Inhaltes des hg. Erkenntnisses vom 23. April 1991 aus, er habe in Befolgung der aus § 63 Abs. 1 VwGG fließenden Verpflichtung ein ergänzendes Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen eingeholt. Dieser habe zu den vom Verwaltungsgerichtshof als aufklärungsbedürftig bezeichneten Fragen ausgeführt, im medizinischen Sachverständigengutachten der zweiten Instanz werde lediglich von einem "Gutachten des anerkannten Lärmforschers Prof. DDr. Jansen" ohne genaue Bezeichnung, um welches Gutachten es sich handle und wo dieses veröffentlicht worden sei, gesprochen. Es sei also nicht nachvollziehbar, ob sich die Ausführungen des medizinischen Amtssachverständigen der zweiten Instanz sämtliche auf dieses Gutachten beziehen oder ob dies etwa nur für die genannten "Kommunikations- und Reaktionsstörungen" gelte (die Wortwahl lasse sowohl das eine als auch das andere zu). Unabhängig davon sei es jedoch unzulässig, "Kommunikationsstörungen" oder "Änderungen an peripheren Gefäßen" etc. mit einer Gesundheitsgefährdung gleichzusetzen: Der Begriff "Kommunikationsstörung" beziehe sich lediglich auf die Beeinträchtigung der Sprachverständlichkeit. Kommunikationsstörungen träten dann auf, wenn das Gespräch durch Lärm mehr oder weniger überdeckt werde. Der mittlere Schallpegel bei ruhiger Sprechweise betrage 50 bis 55 dB (A), sodaß Umweltgeräusche, deren Schallpegel diesen Bereich überstiegen, das gesprochene Wort akustisch überdeckten und damit unverständlich machen könnten. Kompensiert werde dies im allgemeinen durch eine Anhebung der Sprechweise auf einen höheren Schallpegel. Was die ab 65 dB (A) sich ergebenden "Änderungen an den peripheren Gefäßen" und "Auswirkungen auf Kreislaufsystem und Magen-Darm-Peristaltik" betreffe, so sei hier zu berücksichtigen, daß mit dem genannten Schallpegel einerseits der Dauerschallpegel (und nicht einzelne Spitzen) gemeint sei und daß andererseits bei den Wirkungen zwischen sich im Rahmen der normalen Bandbreite bewegenden und diese überschreitenden (signifikanten) Funktionsänderungen zu unterscheiden sei. Letzteres sei insbesondere deshalb von Bedeutung, da der menschliche Organismus kein statisches, sondern ein dynamisches Funktionssystem aufweise. So sei etwa der Blutdruck oder der Puls keine fixe, unveränderliche Größe, sondern über einen weit gespannten (Norm-)Bereich veränderlich. Erst wenn dieser Bereich verlassen werde, liege eine signifikante und damit möglicherweise gesundheitsgefährdende Situation vor. Solche signifikanten Veränderungen träten z.B. im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems etwa ab dem im bereits im ersten Rechtsgang erstatteten Gutachten genannten Schallpegelbereich über 75 dB auf. Für die im Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen der zweiten Instanz angeführten Magen-Darm-Peristaltik-Wirkungen bedürfe es bereits wesentlich höherer Schallpegel, nämlich 90 dB (A).
Den vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis angesprochenen Faktoren (Häufigkeit und allfällige Klangcharakteristik der einzelnen Lärmereignisse und deren Relation zum herrschenden Grundgeräuschpegel) komme bei der Beurteilung der Gesundheitsgefährdung keine relevante Bedeutung zu. Gesundheitsschädigende Auswirkungen von Lärmimmissionen hingen weder von der Häufigkeit und Klangcharakteristik einzelner Lärmereignisse noch von Lärmspitzen und erst recht nicht von der Relation dieser Werte zum Grundgeräuschpegel ab, sondern primär von der Intensität der Lärmimmissionen insgesamt (Dauerschallpegel). Der Dauerschallpegel werde im konkreten Fall vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen in der zweiten Instanz bei voller Auslastung der geänderten Betriebsanlage mit 63,1 dB (A) quantifiziert. Dieser Wert liege sogar unterhalb des nach den Ausführungen des medizinischen Amtssachverständigen der zweiten Instanz als Schwellenwert für organische Auswirkungen angegebenen Schallpegelwertes. Selbst wenn man diesen Maßstab der Berurteilung zugrundegelegt hätte, wäre eine Gesundheitsgefährdung auszuschließen gewesen. Die Frage der Häufigkeit und der Klangcharakteristik einzelner Lärmereignisse spiele allerdings eine Rolle bei der Beurteilung der Beeinträchtigung des Wohlbefindens. Dort seien sie in dem im ersten Rechtsgang erstatteten Gutachten auch berücksichtigt worden. Abschließend werde daher festgestellt, daß die in diesem Gutachten gezogenen Schlußfolgerungen keine Änderung erführen.
Der Bundesminister führte sodann begründend weiter aus, aus diesem Gutachten ergebe sich nunmehr schlüssig, aus welchen Gründen der ärztliche Amtssachverständige im Gegensatz zu jenem der Gewerbebehörde zweiter Instanz eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen habe. Dieses Gutachten sei begründet und finde im Gegensatz zu dem von der zweiten Instanz eingeholten in der wissenschaftlichen Literatur Deckung. So lege der Sachverständige nachvollziehbar dar, weshalb es unzulässig sei, Kommunikationsstörungen oder Änderungen an peripheren Gefäßen mit einer Gesundheitsgefährdung gleichzusetzen. Weiters zeige er auf, inwiefern die Häufigkeit bzw. Klangcharakteristik betriebsspezifischer Lärmimmissionen sowie deren Verhältnis zum gegebenen Grundgeräuschpegel für die medizinische Beurteilung betreffend allfällige Gesundheitsgefährdung bzw. Beeinträchtigung des Wohlbefindens maßgeblich seien. Aus diesen Ausführungen ergebe sich, daß die zuvor genannten Kriterien in erster Linie für die medizinische Beurteilung einer allfälligen Beeinträchtigung des Wohlbefindens ausschlaggebend seien. In diesem Zusammenhang habe der Sachverständige auf sein Gutachten im ersten Rechtsgang verwiesen, indem er diese Kriterien auch bei seiner Beurteilung berücksichtigt habe. Dieses schlüssige Gutachten in seiner ergänzten Fassung sei nunmehr geeignet, als Entscheidungsgrundlage zu dienen. Eine Änderung der rechtlichen Beurteilung ergebe sich daraus nicht. Es sei daher weiters davon auszugehen, daß weder gesundheitsgefährdende noch unzumutbar belästigende Lärmimmissionen durch den Betrieb der Anlage bei den Nachbarn zu erwarten seien.
Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1991 hätten die Berufungswerber ein Privatgutachten des Medizinalrates Dr. T vom 21. Oktober 1991 vorgelegt. Dieses Gutachten sei nicht geeignet, jenes des ärztlichen Amtssachverständigen zu entkräften. Vielmehr gestehe der Privatsachverständige in seinen Schußfolgerungen auf Seite 6 des allgemeinen Teiles bzw. Seiten 5 bis 7 des speziellen Teiles dem ärztlichen Amtssachverständigen zu, daß er sein Gutachten auf der Grundlage konventioneller Meßmethoden sowie in Entsprechung der formaljuridischen Vorschriften, also jener Vorschriften der Gewerbeordnung, die für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer Betriebsanlage heranzuziehen seien, erstellt habe. Darüber hinaus ergebe sich auch aus diesem Gutachten, daß der ärztliche Sachverständige der Behörde zweiter Instanz sein Gutachten unter Überschreitung der von ihm wahrzunehmenden Kompetenzen sowie unter Berücksichtigung von Lärmquellen, die nach den einschlägigen Rechtsvorschriften nicht in Betriebsanlagenverfahren zu berücksichtigen seien, erstattet habe. Weiters habe der Privatsachverständige im wesentlichen auf die ÖAL-Richtlinien Bezug genommen, die jedoch im Gutachten des vom Bundesminister beigezogenen ärztlichen Amtssachverständigen zu Recht keine Berücksichtigung gefunden hätten. Abschließend könne zu dem Privatgutachten festgestellt werden, daß der Privatsachverständige seine vom Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen abweichende medizinische Beurteilung offenbar dann für zutreffend halte, wenn bei der Gutachtenserstellung die Vorgaben der Gewerbeordnung bzw. die in der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätze nicht berücksichtigt würden. Der Bundesminister sehe jedoch keinen Anlaß von diesen Vorgaben und Grundsätzen abzugehen, auch wenn der Privatsachverständige die entsprechenden Überschreitungen und Abweichungen des ärztlichen Amtssachverständigen der Behörde zweiter Instanz als im Sinne eines sich für die Gesundheit der Bevölkerung verantwortlich fühlenden Amtsarztes verständlich ansehe. Die über dieses Privatgutachten hinausgehenden Behauptungen der Beschwerdeführer in ihrem Schriftsatz seien nicht geeignet, die Behörde zu einer anderen Entscheidung gelangen zu lassen, zumal sie dem Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene begegneten und einer Begründung entbehrten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Sie und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften mit den Anträgen, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem ihnen zustehenden subjektiven Recht auf Nichtgenehmigung der Änderung der gewerblichen Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes tragen die Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde sei dem Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 23. April 1991 nicht nachgekommen, weil der beigezogene medizinische Amtssachverständige weder auf die Häufigkeit noch auf die Klangcharakteristik der Lärmereignisse Bedacht nehme und auch keine Relation zum Grundgeräuschpegel herstelle und daraus die entsprechenden Schlüsse ziehe. Die Beschwerdeführer hätten in Widerlegung des medizinischen Gutachtens des Amtssachverständigen ein mindenstens auf gleicher Ebene fußendes Privatsachverständigengutachten der belangten Behörde vorgelegt. In der Folge geben die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde den Wortlaut dieses Gutachtens wieder, woraus sich folgender, für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wesentlicher Inhalt dieses Gutachtens ergibt:
Bei der konventionellen Methode der Lärmmessung werde häufig die Eigenart der biologischen Antwort des Organismus auf Reize vernachläßigt. Die medizinisch-biologisch orientierten Sachverständigen zeigten hingegen die biologischen Mängel der konventionellen Meßmethoden auf und verwendeten zu ihrer Beurteilung auch die psycho-akustischen Faktoren. Diese seien den Medizinern seit Jahrzehnten bekannt. Erst in den letzten 10 bis 15 Jahren hätten Techniker mit großem medizinischen Verständnis auch die dafür notwendigen Meßmöglichkeiten geschaffen. Diese Meßmethoden zum technischen Beweis der bekannten psycho-akustischen Reaktionen auf Schallimmissionen seien kostenaufwendig und kompliziert. Daher hätten sie leider noch nicht jene Verbreitung gefunden, die für eine medizinisch einwandfreie Beurteilung des Grades von Belästigung, Gesundheitsgefährdung, Gesundheitsstörung aufgrund von Meßergebnissen notwendig wäre. Die Grundzüge der konventionellen Meßmethode bestünden schematisch in einem Kugelmikrophon, vorwiegend in der Aufzeichnung über eine Aufzeichnungseinheit. Dadurch bedingt würden vorwiegend die Auswirkungen von Summenpegeln ausgewertet. Die Unzulänglichkeit der ausschließlichen Verwendung von Summenpegeln lasse sich im folgenden Beispiel verständlich machen: Die Arbeiten mit einem Preßlufthammer und die Darbietungen eines Symphonieorchesters verursachten ähnliche Summenpegel. Trotzdem werde keinem Menschen einfallen, die verschiedenen psychischen Reaktionen auf die beiden Schallimmissionen zu leugnen. Um dem Mangel der Beurteilung aufgrund konventioneller Meßmethoden (Summenpegel) etwas abzuhelfen, würden Zuschläge empfohlen. Diese Zuschläge versuchten die empirisch bekannten verschiedenen Reaktionen des menschlichen Organismus auf verschiedene Formen der Schallimmission bei gleichem energieäquivalenten Schallpegel zu berücksichtigen. Sie bewiesen, daß Schalleinwirkungen, gemessen nach konventionellen Methoden, eben keineswegs gleiche biologische Reaktionen auslösten.
Die medizinisch-biologischen Meßmethoden berücksichtigten die psycho-akustischen Komponenten. Sie würden mit zwei speziellen Mikrophonen aufgenommen, die an einem Plastikkopf montiert seien, an dem die Aufzeichnung erfolge, und zwar über zwei getrennte Aufnahmeapparaturen. Die Darbietung der Resultate erfolge über sterophone Kopfhörer, die Analyse der Schallkomponenten über spezielle elektronische Analysatoren. Dadurch werde eine dem menschlichen zweiohrigen Hörvorgang weitgehend identische Aufzeichnung möglich gemacht. Diese Aufnahmetechnik ermögliche die Nachbildung der vom menschlichen Ohr durchgeführten Funktion des Hörvorganges: Das stereophone Hören (Richtungslokalisation der Schallquelle, Unterscheidung des Standortes verschiedener Schallquellen, Möglichkeiten der Selektion bzw. Subpression vermischter Schallereignisse). Die Selektion bzw. Subpression von Schalleindrücken sei unter dem Begriff des Cocktaileffektes in Fachkreisen bekannt. Er bestehe darin, daß das menschliche Hörorgan in der Lage sei, bei mehreren Gesprächen das für den Hörenden relevante Gespräch herauszufiltern und die anderen Gesprächseindrücke zu unterdrücken). Diese Fähigkeit gehe im Alter physiologisch, bei Eintritt von Schwerhörigkeit oder dem Tragen von Hörhilfen verloren. Ferner ermögliche diese Aufnahmetechnik die Analyse jener besonders störenden Frequenzen in einer Immission, die keineswegs im Maximum der Schallimmission liegen müßten. Alle diese Faktoren seien erfahrenen medizinischen Sachverständigen schon immer bekannt, nur seien erst in den letzten Jahren diese empirischen Erfahrungen auch meßtechnisch beweisbar. Das große Gebiet der assoziativen Vorstellungen im Exponierten, durch Geräuschimmission ausgelöst, sei auch derzeit noch nicht meßtechnisch erfaßbar, sei aber keinesfalls zu leugnen. Entsprechend den Erfahrungen des Exponierten mit früheren Schallereignissen würden bei neuerlicher Einwirkung ähnlicher Schallereignisse assoziative Vorstellungen ausgelöst, die bei verschiedenen Menschen völlig verschiedene Wertigkeit haben könnten. Dadurch sei die gänzlich verschiedene psychische Reaktion auf identische Schallimmissionen erklärbar. Als Beispiel: Die verschiedenen Reaktionen eines Motorradfahrers bzw. gestörten Schläfers auf das gleiche Geräusch des Motors des Fahrzeuges. Oder: Das Hundegebell für den Hundebesitzer oder den gestörten Anrainer. In beiden Beispielen habe die gleiche Schallimmission gänzlich verschiedene psychische Reaktionen ausgelöst.
Schon bei der Schaffung der derzeit konventionell verwendeten Meßmethoden hätten die damaligen Experten ihren Wunsch ausgedrückt, daß diese Meßmethoden nur temporäre Anwendung finden sollten, in Ermangelung einer besseren praktikableren Methode. Die Divergenz zwischen technisch-juridischer Orientierung und medizinisch-biologischer Orientierung komme auch im vorliegenden Fall zum Ausdruck. Grundsätzlich sei es für den exponierten Organismus egal, ob die erhöhten Schallimmissionen vom Betrieb selbst, der Zufahrtsstraße zum Betrieb oder der öffentlichen Landstraße ausgingen. Das Faktum der erhöhten Belastung sei der medizinisch maßgebliche Faktor.
Zu dem im ergänzenden Verfahren vom Bundesminister eingeholten ergänzenden ärztlichen Amtssachverständigengutachten führt der Privatsachverständige unter anderem aus:
Die "Kommunikationsschwierigkeiten" bei 50 dB hätten nicht nur "die Anhebung der Stimme zur Folge", sondern bedingten Adaptionsvorgänge im Organismus zur Aufrechterhaltung der Konzentration, Leistungsfähigkeit und Reaktionsbereitschaft. Unter Adaption würde im medizinischen Bereich die erhöhte Anstrengung des Organismus verstanden, die gleiche Leistung zu vollbringen, wie bei ruhigen, normalen Verhältnissen. Diese erhöhte Anstrengung zehre an den Reservekräften des Organismus. Würden diese Reservekräfte ausgeschöpft, überfordert, komme es zum Zusammenbruch der Adaptionsmechanismen, zu einer Sensibilisierung des Exponierten gegenüber dem Lärmereignis. Die deutlich vegetativen Auswirkungen bei 65 dB seien bekannt. Ständig wiederkehrende Vegetativreaktionen könnten sehr wohl zur Gesundheitsgefährdung Anlaß geben, die bei entsprechend langem Bestehen zur Erkrankung führten. Die Motivation gegenüber den Schallimmissionen und die ausgelösten assoziativen Vorstellungen spielten dabei eventuell eine beschleunigende Rolle. Die vom Amtssachverständigen im Zusammenhang mit den Magen-Darm-Peristaltik-Wirkungen angeführte Literatur spreche lediglich von der "Motilität und Flüssigkeitsresorption im menschlichen Dünndarm". Veränderungen der Magenfunktion seien schon bei niedrigeren Pegelwerten möglich, wie sich aus Mitteilungen von Betriebsärzten in Lärmbetrieben ergebe. Besonders bei vorliegender Erwartungsangst vor neuen störenden Schallimmissionen sei diese Reaktion zu erwarten. Über die Bedeutung der Häufigkeit von Lärmereignissen für den Störcharakter und folglich auch Gesundheitsgefährdung lägen wissenschaftliche Berichte seit Jahren vor. Diese Beobachtungen bezögen sich auf die Zahl der Flugzeugbewegungen in Flughäfen und die Reaktion der Anrainer darauf. Bei steigender Zahl der Lärmereignisse sei ein zunehmender Störfaktor zu beobachten. Der Klangcharakter der Störereignisse sei für die Reaktion der Exponierten wesentlich. Die Feststellung der Beeinflussung des Wohlbefindens einerseits durch den ärztlichen Amtssachverständigen und die Ablehnung einer eventuellen Gesundheitsschädigung andererseits sei nicht schlüssig. Die Bedeutung der Lärmspitzen für die Beurteilung der Störung bzw. Gesundheitsgefährdung sei im speziellen für den Fluglärm von Prof. U, Universität Wien, in letzter Zeit immer wieder betont worden. Die Relation zwischen Grundgeräuschpegel und Lärmimmission solle die Grenze von 10 dB nicht überschreiten. Dieser Wert werde seit Jahren von medizinischen Sachverständigen verwendet und sei auch in den Richtlinien des ÖAL enthalten. Sei das Flächenwidmungsmaß bezogen auf Lärmgrenzen höher als die tatsächlichen Meßergebnisse, so werde auch vom ÖAL immer wieder empfohlen, die tatsächlich vorgefundenen Meßwerte zu verwenden und eine maximale Erhöhung bis zu 10 dB zuzulassen. Im vorliegenden Fall sei die Betriebsanlage derzeit zugegebenermaßen nicht voll ausgelastet, daher seien die derzeit erhobenen Meßergebnisse zu vergleichen mit eventuell zu erwartenden Immissionswerten nach der angestrebten Betriebserweiterung. Es sei anzunehmen, daß nach einer Erweiterung der Betriebsanlage diese voll ausgelastet sein werde, da die notwendigen Aufwendungen sonst in einem Privatbetrieb nicht vertretbar wären.
Ausgehend von diesem Privatgutachten erachten die Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid deshalb als rechtswidrig, weil es die belangte Behörde unterlassen habe, bei Feststellung der Lärmimmissionen die nach dem Stand der in Betracht kommenden Wissenschaften nunmehr mögliche medizinisch-biologische Meßmethode anzuwenden, ohne sich inhaltlich mit dem von den Beschwerdeführern beigebrachten Gutachten eines Privatsachverständigen auseinanderzusetzen.
Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Recht.
Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1973 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 zumutbar sind, ist zufolge Abs. 2 des § 77 leg. cit. danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
Wie sich aus dem diesbezüglich eindeutigen Gesetzestext ergibt, enthält die Gewerbeordnung keineswegs "Vorgaben" für die Erstellung von Gutachten. Aus dem Gesetz ergibt sich vielmehr, daß bei Ermittlung der für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltsumstände die nach dem jeweiligen Stand der Technik bzw. der medizinischen und sonst in Betracht kommenden Wissenschaften anerkannten Methoden zur Anwendung zu kommen haben.
Im vorliegenden Fall hat nun der von den Beschwerdeführern beigezogene Privatsachverständige - dessen Gutachten sich allerdings nicht in den dem Gerichtshof vorgelegten Akten befindet, offenbar aber der belangten Behörde vorlag - eine von der "konventionellen" abweichende und nach seinen Darlegungen zur Erreichung der in § 77 Abs. 1 und 2 GewO 1973 niedergelegten Ziele des Genehmigungsverfahrens geeignetere Methode der Ermittlung von Lärmimmissionen in schlüssiger und durchaus nachvollziehbarer Weise dargelegt. Es wäre daher Sache der belangten Behörde gewesen, sich mit diesen Aussagen des Privatsachverständigen inhaltlich (allenfalls unter neuerlicher Beiziehung des amtlichen Sachverständigen oder eines weiteren (Amts-)Sachverständigen) auseinanderzusetzen.
Abgesehen davon nahm der Privatsachverständige in seinem Gutachten zu einzelnen Aussagen des im Verfahren vor der belangten Behörde beigezogenen medizinischen Amtssachverständigen durchaus auch auf der Ebene der "konventionellen Methoden" kritisch Stellung. Auch mit diesem Vorbringen setzte sich die belangte Behörde in keiner Weise auseinander, obwohl auch dieses nicht von vornherein als unschlüssig erkennbar ist.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Unterlassungen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, belastete sie den angefochtenen Bescheid durch diese Vorgangsweise mit Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand, da der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.
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