Normen
StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §4 Abs5;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 8. September 1991 um 15.15 Uhr in X am Hauptplatz als Lenkerin eines Damenfahrrades nach einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden, mit dem sie durch ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle von diesem Verkehrsunfall verständigt. Sie habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt.
Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin erkennt selbst, daß der im § 4 Abs. 5 StVO verwendete Begriff "ohne unnötigen Aufschub" streng auszulegen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 92/02/0015), was bei einem zeitlichen Abstand von ca. 4 1/2 Stunden zwischen Unfall und Unfallsmeldung zu einem für sie ungünstigen Ergebnis führt. Sie meint aber, sie habe den Unfall wegen einer Notstandssituation erst um 19.40 Uhr bei einer Wiener Polizeidienststelle gemeldet. Sie habe sich im Zuge eines vom Arbeitgeber ihres Ehegatten veranstalteten Betriebsausfluges in einer Gruppe von 65 Radfahrern befunden. Auf Grund der fortgeschrittenen Zeit und des Beiseins von Kindern sei der sofortige Antritt der Rückfahrt nach B unumgänglich gewesen, wo der Bus auf die Ausflugsteilnehmer zur Heimfahrt nach Wien gewartet habe. Die Beschwerdeführerin selbst sei ortsunkundig gewesen; auch das Zurückbleiben einer ortskundigen Begleitperson sei unzumutbar gewesen, weil im Falle einer Meldung bei der nächsten Sicherheitsdienststelle der hiedurch verursachte Zeitrückstand von zumindest einer Stunde auf einer Strecke von 35 Kilometern nicht hätte aufgeholt werden können. Durch das Versäumen des Gemeinschaftsbusses wären die Beschwerdeführerin und ein ortskundiger Begleiter aber in eine äußerst prekäre Situation geraten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann unter Notstand nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. März 1992, Zl. 92/02/0090).
Im Beschwerdefall ist schon nicht erkennbar, daß das allfällige Versäumen des Gemeinschaftsbusses - sofern dieser tatsächlich nicht auf verspätete Teilnehmer des Betriebsausfluges gewartet hätte - für die Beschwerdeführerin und etwaige Begleitpersonen eine "schwere unmittelbare Gefahr" dargestellt hätte. Weder in der angeblich drohenden Trennung von ihrer Familie - wenn diese nicht bei ihr geblieben wäre - noch in allfälligen Kosten für eine individuelle Heimreise war eine solche Gefahr gelegen. Zu letzterem Argument ist darauf hinzuweisen, daß von einer Notstandsituation im Falle einer wirtschaftlichen Schädigung so lange nicht die Rede sein kann, als diese nicht die Lebensmöglichkeit selbst unmittelbar bedroht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1991, Zl. 91/02/0020), was bei Fahrtkosten von Breitenbrunn nach Wien nicht der Fall sein kann. Aus der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei noch das Erkenntnis vom 11. Oktober 1991, Zl. 91/18/0079, erwähnt, in welchem Fall einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung zwecks Erreichen eines Charterfluges durch eine Angestellte eines Luftfahrtunternehmens der Gerichtshof das Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation verneint hat; der im vorliegenden Fall von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Nachteil kann keineswegs als bedeutender angesehen werden.
Ein entschuldigender Notstand war im Beschwerdefall somit nicht gegeben; noch viel weniger ein von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführter rechtfertigender (übergesetzlicher) Notstand: Selbst wenn die Fahrtkosten bei Versäumung des Gemeinschaftsbusses höher gewesen wären als die Kosten einer Reparatur des Sachschadens am betroffenen Pkw, wäre es abwegig, deshalb von der Rettung eines deutlich höherwertigen Rechtsgutes zu Lasten eines weniger wertvollen (wie etwa im Falle einer Sachbeschädigung zur Lebensrettung) zu sprechen.
Wenn die Beschwerdeführerin auf die Geringfügigkeit des Sachschadens (zwei Kratzer) verweist, ist ihr entgegenzuhalten, daß die Verständigungspflicht schon bei einem solchen ausgelöst wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1992, Zl. 92/02/0020). Daß durch den Unfall ein Sachschaden entstanden ist, durfte die belangte Behörde auf Grund der (verspäteten) eigenen Meldung der Beschwerdeführerin annehmen. Weitere Beweise mußte sie hiefür nicht erbringen, zumal es der Lebenserfahrung entspricht, daß der Sturz eines Fahrrades auf die Motorhaube eines Pkws Kratzer im Lack nach sich zieht. Ob der Halter des beschädigten Fahrzeuges bisher keine Schadenersatzforderungen an die Beschwerdeführerin oder deren Versicherer gestellt hat, ist kein entscheidendes Kriterium für die Frage der Bejahung eines entsprechenden Sachschadens (vgl. auch hiezu das eben zitierte Erkenntnis vom 27. Februar 1992).
Die Rüge einer Verletzung der Manuduktionspflicht ist schon deshalb verfehlt, weil sich diese Pflicht auf verfahrensrechtliche Angelegenheiten bezieht. Hingegen war es nicht Aufgabe der belangten Behörde zu verhindern, daß die Beschwerdeführerin "möglicherweise auf den einen oder anderen Umstand bei der Sachverhaltsdarstellung ... nicht ausdrücklich hingewiesen hat".
Soweit die Beschwerdeführerin schließlich den Ausführungen der belangten Behörde zur Strafbemessung entgegentritt, behauptet sie selbst nicht, daß die verhängte Strafe unangemessen hoch wäre. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag insoweit keinen Ermessensfehler zu erkennen. Warum die Bemerkungen der belangten Behörde zur spezial- und generalpräventiven Wirkung einer Strafe unzutreffend sein sollen, wird in der Beschwerde nicht näher ausgeführt. Daß die Beschwerdeführerin schließlich doch - wenn auch verspätet - eine Meldung erstattet hat, wurde von der belangten Behörde ohnehin als Milderungsgrund berücksichtigt.
Schon der Inhalt der Beschwerde läßt erkennen, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.
Damit erübrigte sich eine Entscheidung über den nachträglich gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
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