VwGH 91/18/0079

VwGH91/18/007911.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Dagmar S in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 16. Jänner 1991, Zl. MA 70 - 7/80/91/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VStG §19;
VStG §24;
VStG §5 Abs1;
VStG §6;
AVG §37;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VStG §19;
VStG §24;
VStG §5 Abs1;
VStG §6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung vom 21. November 1990 wurde die Beschwerdeführerin von der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt, einer Übertretung nach § 52 lit a Z. 10a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) für schuldig erkannt und über sie gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe von S. 3.000,-- (Ersatzarreststrafe 3 Tage) verhängt.

Gegen diese Strafverfügung hat die Beschwerdeführerin Einspruch gemäß § 49 Abs. 2 VStG 1950 mit dem Antrag erhoben, die über sie verhängte Geldstrafe zu reduzieren.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde diesen als Berufung zu wertenden Einspruch im wesentlichen mit der Begründung keine Folge gegeben, daß der objektive Unrechtsgehalt der Tat nicht gerade gering und das Verschulden der Beschwerdeführerin als erheblich anzusehen wäre.

Dagegen richtet sich die vorliegende wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Den Ausführungen der Beschwerde zufolge bekämpft die Beschwerdeführerin - zusammenfassend dargestellt - die über sie verhängte Strafe der Höhe nach. Sie führt aus, es hätte bei der Strafbemessung als Milderungsgrund berücksichtigt werden müssen, daß sie zur Tatzeit als Airlineangestellte "dringend und unvorhergesehen" den Dienst habe antreten müssen und "die Tat nur aus Furcht bzw. Gehorsam vor bzw. gegenüber" ihrem Dienstgeber begangen habe.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde nahm bei der Strafzumessung auf alle im § 19 VStG angeführten Kriterien Bedacht. Sie verwies vor allem auf den schweren Unrechtsgehalt der gravierenden Geschwindigkeitsüberschreitung. Daß bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 132 km/h, also einer Überschreitung angesichts der geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h um 52 km/h, sohin um nahezu zwei Drittel, die Verkehrssicherheit ganz erheblich reduziert wird, bedarf keiner näheren Erörterung und ist jedem Laien einsichtig.

Geschwindigkeitsüberschreitungen stellen eine häufige Ursache von zum Teil schwersten Verkehrsunfällen dar. Wenn die belangte Behörde demnach in Hinsicht auf die außerordentliche Geschwindigkeitsüberschreitung davon ausging, daß die Beschwerdeführerin grob fahrlässig gehandelt hat und diese Schuldform ihrer Strafbemessung zugrundelegte, vermag der Verwaltungsgerichtshof darin keine Rechtswidrigkeit zu erblicken (vgl. hiezu die bei HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, zitierten Entscheidungen 23b, 24 und 25 zu § 19 VStG).

Dagegen spricht auch nicht der unter Bezugnahme auf die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden Milderungsgründe des Strafgesetzbuches erhobene Einwand der Beschwerdeführerin, sie habe sich zwecks Erreichen ihres Charterfluges in einer notstandsähnlichen Situation befunden.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung wiederholt ausgeführt hat, kann unter Notstand im Sinne dieser Gesetzesstelle nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht (vgl. hiezu die bei HAUER-LEUKAUF a.a.O. unter 1a zu § 6 VStG zitierten Entscheidungen).

Wenn auch die Frage, ob wirtschaftliche Gesichtspunkte, insbesondere drohender Vermögensnachteil, einen entschuldigenden Notstand herbeiführen könnten, seit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches allenfalls anders zu beurteilen sein wird als vor dem 1. Jänner 1975, kann nicht übersehen werden, daß die Beschwerdeführerin einen BEDEUTENDEN Nachteil im Verwaltungsstrafverfahren nie in bestimmter Weise behauptet hat, wozu sie aber infolge ihrer Mitwirkungspflicht verpflichtet gewesen wäre (vgl. Erkenntnis vom 27. Juni 1986, Zl. 86/18/0074). Geschäftliche oder berufliche Eile stellt nach der ständigen hg. Rechtsprechung keineswegs einen zwingenden Grund oder gar einen Notstand dar, Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zu übertreten. Dringliche unaufschiebbare berufliche Termine sind daher nicht geeignet, den Schuldausschließungsgrund des Notstandes zu erfüllen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O. unter 1b und 8a zu § 6 VStG zitierte Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof kann angesichts des gravierenden Unrechtsgehaltes der Tat und aus Gründen der Spezialprävention nicht finden, daß die belangte Behörde bei der von der Beschwerdeführerin eingehaltenen Geschwindigkeit - selbst bei einem Geständnis und der bisherigen Unbescholtenheit der Beschuldigten - das ihr in § 19 VStG eingeräumte Ermessen überschritten habe, indem sie (bei einem Strafrahmen bis zu S 10.000,--) eine im unteren Drittel liegende Geldstrafe (hier: S 3.000,--) verhängt hat (vgl. die bei HAUER-LEUKAUF, a.a.O. unter 24 und 25 zitierten Entscheidungen zu § 19 VStG).

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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