VwGH 92/01/1041

VwGH92/01/104116.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Bernegger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Juli 1992, Zl. 4.311.889/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1;
AVG §45 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §41 Abs1;
AsylG 1991 §1;
AVG §45 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Juli 1992 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer bulgarischen Staatsangehörigen, die am 18. März 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. Juni 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, abgewiesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin hat bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 21. März 1991 im wesentlichen ausgeführt, daß ihre Familie von der Miliz "durchleuchtet" und dabei festgestellt worden sei, daß sie "antikommunistisch" eingestellt wäre. Die Familie sei daher unterdrückt worden. Sie habe die Wohnung und auch die Arbeit verloren und habe ihr Dasein nur durch Gelegenheitsarbeiten fristen können.

Die Beschwerdeführerin sei seit dem Jahre 1985 Sympathisant der bulgarischen Menschenrechtsbewegung und seit dem Jahre 1987 aktives Mitglied bei dieser Organisation gewesen. Sie habe für diese Organisation u.a. Flugblätter verteilt und Streiks organisiert.

Am 6. September 1989 habe sie in Sofia Zettel verteilt, die gegen den Kommunismus gerichtet gewesen seien. Dabei sei sie von der Miliz "erwischt", 24 Stunden angehalten und wegen "ungesetzlicher Tätigkeiten gegen die Kommunisten" angezeigt worden. Sie sei in der Folge von der Miliz zwei Mal vorgeladen worden, und man habe ihr zu verstehen gegeben, daß sie ein Gerichtsverfahren zu erwarten habe.

Seit dem Jahre 1988 sei sie "komplett arbeitslos" gewesen. Es sei ihr ein schlechtes Leumundszeugnis ausgestellt worden, mit dem es in ihrer Heimat unmöglich wäre, eine Arbeit zu finden.

In ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hat die Beschwerdeführerin auf diese Angaben verwiesen.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, daß die Organisation von Streiks und das Verteilen von Flugblättern für eine Menschenrechtsorganisation, selbst wenn letzteres einmal zu einer gerichtlichen Anzeige geführt habe, keine Handlungen seien, die eine begründete Verfolgungsgefahr indizieren würden. Es seien nämlich die geänderten politischen Verhältnisse im Heimatland der Beschwerdeführerin beachtlich. Die demokratische Partei SDS habe bei den letzten Wahlen die relative Mehrheit errungen und stelle derzeit die Regierung. Auch das Vorbringen, keine Arbeit zu finden, vermöge keine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention darzutun.

Die Beschwerdeführerin bestreitet, daß sich in ihrem Heimatland die politischen Verhältnisse faktisch geändert hätten. Vielmehr werde die gesamte Verwaltung von "diktatorisch und menschenfeindlich eingestellen Dritten getragen", die ihre politische Gesinnung verurteilten. Sie habe daher weiterhin Anlaß zu wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer politischen Gesinnung.

Mit diesem Vorbringen verstößt die Beschwerdeführerin nicht gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG, weil ihr nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten entgegen der Vorschrift des § 37 AVG im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit geboten wurde, zu diesem von der belangten Behörde herangezogenen Sachverhalt Stellung zu nehmen. Bei dieser Sachlage zeigt die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen einen Verfahrensmangel auf, der allerdings deshalb nicht wesentlich ist, weil die belangte Behörde auch bei seiner Vermeidung zu einem anderen Ergebnis nicht hätte gelangen können. Die Auffassung der belangten Behörde trifft nämlich im Ergebnis zu:

Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des - von der belangten Behörde im vorliegenden Fall anzuwendenden - § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Bloß subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung genügt nicht; es müssen vielmehr (allenfalls drohende) Maßnahmen dargetan werden, die sowohl aus objektiver Sicht, als auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes einen weiteren Verbleib im Heimatland unerträglich erscheinen lassen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1993, 92/01/0605).

Aus dem Schreiben von Aufrufen und deren Verteilen allein läßt sich eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus den genannten Gründen nicht ableiten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1992,

Zlen. 92/01/0585, 586). Gleiches gilt für die Organisation von Streiks.

Unter dem Gesichtspunkt der Intensität des Eingriffes (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 1990, Zl. 90/01/0136) stellen die 24-stündige Anhaltung der Beschwerdeführerin, die zweimalige Vorladung zur Miliz sowie die bloße Ankündigung eines Gerichtsverfahrens - wobei diese Ankündigung rund eineinhalb Jahre vor ihrer Ausreise erfolgte und es daher auch an einem entsprechenden zeitlichen Konnex fehlt - (noch) keine asylrechtlich relevanten Verfolgungshandlungen dar.

Auch der Verlust des Arbeitsplatzes bzw. die Verweigerung des Rechtes auf Arbeit sind nach der ständigen hg. Judikatur nur dann als Verfolgung zu werten, wenn dadurch die Lebensgrundlage des Asylwerbers massiv bedroht würde (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0786). Daß dies jedoch der Fall wäre, hat die Beschwerdeführerin ebensowenig dargetan wie weitere drohende Maßnahmen, die ihr einen Aufenthalt in ihrem Heimatland unerträglich gemacht hätten.

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Auslagenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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