VwGH 92/01/0705

VwGH92/01/07055.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Mai 1992, Zl. 4.313.675/2-III/13-91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste am 9. November 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am 16. November 1990 (bereits anwaltlich vertreten) einen schriftlichen Asylantrag.

Diesen begründete er damit, daß das kurdische Volk in der Türkei (und anderen Staaten des Nahen Ostens) verfolgt und unterdrückt werde; in der Türkei gebe es keine Menschenrechte für die Kurden; sie würden nicht als gleichwertige Menschen behandelt. Der Beschwerdeführer habe in seiner Heimat mit der PKK (kurdische Arbeiterpartei) sympathisiert. Er habe Propaganda betrieben, Zeitschriften verteilt und an Seminaren teilgenommen. Wegen seiner linksgerichteten Aktivitäten sei er von den türkischen Sicherheitsbehörden in Haft genommen, verhört und geschlagen worden. Er sei auch dabei entdeckt worden, wie er versucht habe, kurdischen Freiheitskämpfern Nahrungsmittel zukommen zu lassen. In einem unbeobachteten Moment sei ihm die Flucht aus seinem Dorf gelungen.

Bei seiner durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 11. April 1991 durchgeführten niederschriftlichen Befragung gab der Beschwerdeführer zusätzlich und abweichend vom schriftlichen Asylantrag folgendes an:

Er sei des öfteren von Soldaten geholt und über die PKK sowie darüber befragt worden, ob er den Kämpfern Lebensmittel gegeben und ihnen sonst geholfen hätte. Bei diesen Vernehmungen sei er jedesmal geschlagen worden. Er habe jedoch nichts zugegeben. Im Frühsommer 1990 habe er einem verwundeten Kämpfer der PKK geholfen, indem er ihn mit einigen Freunden in einen Bus gebracht habe, damit er von den Soldaten nicht gefunden werde.

Einer dieser Freunde namens B sei nach Deutschland geflüchtet, habe den Beschwerdeführer im Sommer 1990 von Deutschland aus angerufen und ihm mitgeteilt, er solle ebenfalls flüchten, weil er bei seiner Asyleinvernahme in der Bundesrepublik Deutschland auch den Namen des Beschwerdeführers genannt habe. Die türkischen Behörden hätten von den Aktivitäten des Beschwerdeführers für die PKK erfahren und werde der Beschwerdeführer gesucht. Der Beschwerdeführer habe daraufhin eine günstige Gelegenheit abgewartet und sei dann aus der Türkei geflüchtet.

Mit Bescheid vom 30. April 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling i.S. des Asylgesetzes und auch nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt.

Dagegen berief der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Begründung, es handle sich beim erstinstanzlichen Bescheid um ein vorgedrucktes Formular, das weder eine Begründung noch Tatsachenfeststellungen enthalte. Auf Grund der unwiderlegten Angaben des Beschwerdeführers sei von der Berechtigung seines Asylantrages auszugehen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach ebenfalls aus, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes. Begründend meinte die belangte Behörde, die Behauptungen des Beschwerdeführers in seinem schriftlichen Asylantrag stünden in einem die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers tangierenden Spannungsverhältnis zu seinen mündlichen Aussagen. Der Erstbehörde könne daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Vorbringen des Beschwerdeführers für nicht bescheinigt gehalten habe. Selbst wenn man aber das Vorbringen des Beschwerdeführers für wahr halten wollte, könne dies wegen des Mangels eines der fünf in der Konvention taxativ aufgezählten Gründe nicht zu seiner Anerkennung als Flüchtling führen. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung wegen seiner Unterstützung für die PKK, "eine notorisch mit Mord und Brandschatzung vorgehende Bande", sei wegen krimineller Handlungen und nicht wegen der politischen Gesinnung des Beschwerdeführers erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zentraler Aspekt des vorliegenden Falles ist der Umstand, daß die belangte Behörde primär das Vorbringen des Beschwerdeführers angesichts der Widersprüche zwischen seinem schriftlichen Asylantrag und seiner niederschriftlichen Befragung für nicht glaubhaft erachtet hat. Dieser Würdigung kann von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung aus nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, weil sich zwischen den Behauptungen im schriftlichen Asylantrag und den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung (anders als es die Verfahrensrüge in der Beschwerdeschrift darzustellen sucht) in der Tat in bezug auf den Anlaß zur Flucht ein unübersehbarer Widerspruch findet: Während der schriftliche Asylantrag besagt, der Beschwerdeführer sei dabei entdeckt worden, als er versucht habe, kurdischen Freiheitskämpfern Nahrungsmittel zukommen zu lassen, und es sei ihm in einem unbeobachteten Moment gelungen, aus seinem Dorf zu flüchten, erzählte der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung eine ganz andere Entwicklung der Dinge (Hilfe für einen verletzten PKK-Kämpfer im Frühsommer 1990; telefonische Warnung durch B von Deutschland aus im Sommer 1990; Abwarten einer günstigen Gelegenheit zur Flucht).

Insoweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang rügt, die belangte Behörde hätte ihm diese Widersprüche vorhalten und auf ihre Aufklärung dringen müssen, ist er darauf zu verweisen, daß die belangte Behörde in bezug auf die von ihr gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmende Würdigung der Aussage des Beschwerdeführers als Bescheinigungsmittel nicht gehalten war, vor ihrer Entscheidung dem Beschwerdeführer bekanntzugeben, warum sie seinen Behauptungen keine Bescheinigungskraft zubilligen werde (vgl. dazu die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I in E 122 zu § 45 AVG referierte hg. Rechtsprechung). Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer auch jetzt in seiner Beschwerdeschrift mit keinem Wort auf die vom angefochtenen Bescheid konkret aufgezeigten und präzise dargestellten Widersprüche eingeht und es unterläßt darzutun, warum er in seinem schriftlichen Asylantrag einen anderen unmittelbaren Fluchtgrund zur Darstellung brachte als bei seiner niederschriftlichen Vernehmung.

Ausgehend davon, daß die belangte Behörde in schlüssiger Weise das Vorbringen des Beschwerdeführers für nicht bescheinigt erachtete, ist die Sache aber bereits abweisungsreif. Ein Eingehen auf die von der belangten Behörde im vorliegenden Fall überflüssigerweise hypothetisch (für den Fall, daß man dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgen wollte) angestellten Erwägungen hinsichtlich der Qualifizierung der Unterstützung des Beschwerdeführers für die PKK (denen der Verwaltungsgerichtshof im übrigen mit Rücksicht auf die im hg. Erkenntnis vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0264, und im hg. Erkenntnis Zl. 92/01/0703 vom heutigen Tag zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung arg. a maiori ad minus nicht zu folgen vermag), ist daher ebenso entbehrlich wie auf die dazu erhobene Rechtsrüge in der Beschwerde.

Da schließlich der angefochtene Bescheid mit der schlüssigen Darlegung der Gründe, aus denen die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit versagte, auch ausreichend begründet wurde, erweist er sich insgesamt als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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