Normen
AsylG 1968 §1;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1968 §1;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen im Betrag von jeweils S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar syrischer Staatsangehörigkeit, reisten am 25. November 1989 in das Bundesgebiet ein und stellten am 27. November 1989 Asylanträge.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich stellte mit gleichlautenden Bescheiden vom 4. bzw. 5. April 1990 fest, daß die Beschwerdeführer nicht Flüchtlinge im Sinne des Asylgesetzes seien. Nach Darlegung der Rechtslage vertrat die Asylbehörde erster Instanz die Auffassung, das Vorbringen der Beschwerdeführer lasse nicht erkennen, daß diese in ihrem Heimatland unmittelbar vor der Ausreise gravierenden und individuellen Verfolgungen im Sinne der dargestellten Bestimmungen ausgesetzt gewesen wären. Der Wunsch nach Emigration, wirtschaftliche Gründe, die Ablehnung des Regimes und eventuelle Benachteiligungen der Nichtparteimitglieder rechtfertigten nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer am 11. Mai 1990 gleichlautende Berufungen. Diese haben folgenden Wortlaut:
"Zum Bescheid vom ... betreffend Antrag auf Asylgewährung erhebe ich fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung. Als Begründung wird angeführt, daß ich aus Gründen der Religion, Nationalität und Zugehörigkeit zu einer sozialen und politischen Gruppe mit einer Bedrohung des Lebens und der Freiheit zu rechnen habe. Ich bitte daher, meiner Berufung stattzugeben."
Mit den Bescheiden vom 16. bzw. 6. Juli 1990 wies die belangte Behörde die Berufungen zurück. In den wörtlich gleichlautenden Begründungen dieser Bescheide vertrat die belangte Behörde (zusammengefaßt) die Auffassung, die Berufungen entsprächen nicht der im § 63 Abs. 3 AVG normierten Anforderung, wonach die Berufung einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten habe.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerden mit seinem Beschluß vom 30. September 1991, Zl. B 1069-1070/90, ab und trat die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges die Verbindung der Beschwerdeverfahren zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und über die Beschwerden erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Eingabe nur dann als Berufung im Sinne des § 63 AVG anzusehen, wenn ihr zunächst entnommen werden kann, daß der bezeichnete Bescheid angefochten wird, das heißt, daß die Partei mit der Erledigung der erkennenden Behörde nicht einverstanden ist. Des weiteren muß aber aus der Eingabe auch ersichtlich sein, aus welchen Erwägungen die Partei die in Berufung gezogene Entscheidung bekämpft. Denn das Gesetz verlangt nicht nur einen Berufungsantrag schlechthin, sondern überdies eine Begründung, das heißt die Darlegung, aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 1989, Zl. 89/01/0053, vom 25. April 1990, Zl. 90/01/0034, und vom 8. Juli 1992, Zl. 92/01/0599, sowie das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Jänner 1990, Zl. 88/18/0361).
Im Beschwerdefall hängt die Entscheidung somit von der Frage ab, ob die Berufungen der Beschwerdeführer begründete Berufungsanträge enthielten. Der Verwaltungsgerichtshof teilt nicht die Auffassung der belangten Behörde, daß dies nicht der Fall wäre; denn die Berufungen der Beschwerdeführer enthalten jeweils - wenn auch knappe - Ausführungen darüber, worin die Unrichtigkeit der Bescheide der Behörde erster Instanz gelegen sein soll, nämlich in der Beurteilung der behaupteten, eine Bedrohung des Lebens und der Freiheit der Beschwerdeführer bedeutenden Verfolgungshandlungen "aus Gründen der Religion, Nationalität und Zugehörigkeit zu einer sozialen und politischen Gruppe".
Die Behörde erster Instanz ist in ihrer Bescheidbegründung auf das Vorbringen der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht konkret eingegangen; den Darlegungen der Begründung, das Vorbringen der Beschwerdeführer lasse nicht erkennen, daß diese in ihrem Heimatland unmittelbar vor der Ausreise gravierenden und individuellen Verfolgungen ausgesetzt gewesen wären, läßt keine eindeutige rechtliche Subsumtion des Vorbringens der Beschwerdeführer und dessen rechtliche Würdigung erkennen. Die belangte Behörde wäre daher verhalten gewesen, über die Wertung der behaupteten Verfolgungshandlungen eine Sachentscheidung zu treffen (vgl. die in gleichgelagerten Fällen ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1989, Zlen. 89/01/0214, 0215, vom 21. November 1990,
Zlen. 90/01/0126, 0127, und vom 13. Februar 1991, Zl. 90/01/0207).
Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, waren die angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)