Normen
GewO 1973 §370 Abs2;
GewO 1973 §39 Abs1;
LMG 1975 §20;
LMG 1975 §74 Abs3;
LMG 1975 §74 Abs5 Z3;
VStG §9 Abs1;
GewO 1973 §370 Abs2;
GewO 1973 §39 Abs1;
LMG 1975 §20;
LMG 1975 §74 Abs3;
LMG 1975 §74 Abs5 Z3;
VStG §9 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung gemäß § 74 Abs. 3 Z. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 lit. b des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG) schuldig erkannt. Die ihm zur Last gelegte Tat wurde im Sinne des § 44a lit. a VStG wie folgt umschrieben:
"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung der H-GesmbH im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG in der Fassung des BGBl. Nr. 176/1983 nach außen Berufener zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 28.3.1990 in ihrem Gastgewerbebetrieb in W, ein Holzschneidbrett verwendet hat, das auf Grund seiner Beschaffenheit (mäßig verschmutzt und mit mittelgradigem Keimwachstum) geeignet war, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe nachteilig zu beeinflussen."
Über den Beschwerdeführer wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt.
Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer in der Berufung vorgebracht, das gegenständliche Holzschneidbrett sei nicht in Verkehr gebracht worden, weil es nicht für Zwecke der Gesellschaft, sondern nur von der "Reinemachefrau" für ihren Imbiß verwendet worden sei. Diesem Vorbringen stehe jedoch entgegen, daß das Holzschneidbrett laut dem Bericht der Magistratsabteilung 59 vom 14. April 1990 im Betrieb der Gesellschaft zum Schneiden von Zitronen verwendet worden sei. Der Beschwerdeführer habe dem Vorhalt dieses Berichtes nicht widersprochen. Die belangte Behörde gehe deshalb davon aus, daß das Holzschneidbrett Zwecken des Gastgewerbsbetriebes gedient habe. Es sei somit zu Erwerbszwecken verwendet und damit gemäß § 1 Abs. 2 LMG in Verkehr gebracht worden.
Entgegen der Meinung der Behörde erster Instanz habe der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft nicht allein deshalb für die vorliegende Übertretung einzustehen, weil diese Gesellschaft zur inkriminierten Tatzeit keinen gewerberechtlichen Geschäftsführer gehabt habe, sondern weil für Übertretungen des Lebensmittelgesetzes ausschließlich der handeslrechliche Geschäftsführer zu bestrafen sei.
Da die zahlreichen Vorstrafen des Beschwerdeführer nach Ansicht der belangten Behörde nicht einschlägig seien, schlössen sie den Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zwar aus, seien jedoch nicht als erschwerend zu werten. Trotz fehlender Anhaltspunkte für ein nur geringes Verschulden des Beschwerdeführers sei daher die von Behörde erster Instanz verhängte Geldstrafe von S 3.000,-- auf S 1.500,-- herabgesetzt worden.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einen gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:
2.1. § 28 Abs. 1 lit. b LMG hat folgenden Inhalt:
"§ 28. (1) Es ist verboten, Gebrauchsgegenstände in Verkehr
zu bringen, die
.........
b) bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet sind,
Lebensmittel, Verzehrprodukte, Zusatzstoffe oder kosmetische
Mittel nachteilig zu beeinflussen;"
§ 74 Abs. 3 Z. 1 LMG normiert:
"(3) Wer
1. Gebrauchsgegenstände, die bei bestimmungsgemäßem oder
vorauszusehendem Gebrauch geeignet sind, Lebensmittel,
Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe derart zu
beeinflussen, daß diese verdorben, verfälscht,
nachgemacht oder wertgemindert sind, oder kosmetische
Mittel so zu beeinflussen, daß diese verdorben sind, in
Verkehr bringt,
........
macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000,-- S zu bestrafen."
2.2.1. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behauptet der Beschwerdeführer zunächst den Eintritt von Verfolgungsverjährung. Seine Heranziehung in der Eigenschaft als "handelsrechticher Geschäftsführer" sei erstmalig mit dem angefochtenen Bescheid, somit also nach Verstreichen der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist erfolgt. Aus dem Bericht des Marktamtes vom 14. April 1990 ergebe sich auch, daß zur Tatzeit der Prokurist der Gesellschaft "verantwortlicher Betriebsleiter" gewesen sei.
2.2.2. Im Zusammenhang mit diesem Vorbringen ist zunächst darauf zu verweisen, daß im Beschwerdefall gemäß § 74 Abs. 6 LMG die Verfolgungsverjährungsfrist nicht sechs Monate, sondern ein Jahr beträgt. Eine entsprechende Verfolgungshandlung stellt dabei die - innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist - an den Beschwerdeführer als im Sinne des § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufenen der H-GesmbH gerichtete Strafverfügung vom 26. Mai 1990 dar. Bei der Umschreibung der für eine Verfolgungshandlung wesentlichen Kriterien im § 32 Abs. 2 VStG wird auf eine bestimmte Person als Beschuldigten abgestellt, dem eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet wird, sodaß sich die Verfolgungshandlung auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a lit. b VStG beziehen muß. Für die Tauglichkeit einer Verfolgungshandlung ist es in diesem Stadium des Verfahrens nicht erforderlich, dem Beschuldigten noch vorzuwerfen, die Tat als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 VStG verantworten zu müssen (vgl. das Erkenntnis einer verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Zl. 86/17/0073, VwSlg. Nr. 12.375/A). Da nach der zitierten Rechtsprechung dem Beschuldigten nicht einmal vorzuwerfen ist, die Tat als "zur Vertretung nach außen Berufener" im Sinne des § 9 VStG verantworten zu müssen, erübrigt sich in diesem Stadium des Verfahrens auch ein Hinweis, in welcher Eigenschaft den Beschuldigten die strafrechtliche Verantwortung trifft.
Was die Bezeichnung des Prokuristen im Marktamtsbericht als "verantwortlichen Betriebsleiter" anlangt, so ist darauf zu verweisen, daß Prokuristen nicht zu den Personen zählen, die "zur Vertretung nach außen berufen sind". Diese können zwar verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG sein, was allerdings eine rechtswirksame Bestellung für die Funktion voraussetzt (vgl. das Erkenntnis vom 18. März 1986, Zl. 85/10/0089, VwSlg. Nr. 12.079/A). Eine solche Bestellung ist vom Beschwerdeführer weder behauptet noch nachgewiesen worden.
Die Verantwortlichkeit des gewerbebehördlich bestellten Verantwortlichen ist durch den § 39 Abs. 1 und § 370 Abs. 2 der GewO 1973 abgesteckten Rahmen beschränkt, sodaß dieser für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften, nicht aber für die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes verantwortlich ist (vgl. das Erkenntnis vom 28. März 1980, Zl. 2465/79). Die verwaltungsstrafrechtliche Haftung für diese Bestimmungen trifft vielmehr den zur Vertretung nach außen berufenen handelsrechtlichen Geschäftsführer.
2.3. Der Beschwerde kommt jedoch Berechtigung zu, da sich die Subsumtion des inkriminierten Verhaltens unter § 28 Abs. 1 lit. b LMG als verfehlt erweist.
Was dem Beschwerdeführer der Sache nach vorgeworfen wird, ist die Verwendung eines verschmutzten Gebrauchsgegenstandes (Holzschneidbrett) im Gewerbebetrieb der genannten Gesellschaft. Dieses Verhalten pönalisiert § 20 iVm § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG. Danach hat derjenige, der Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist. Gegen die Grundsätze des § 20 LMG verstößt somit jedermann, der sie allgemein gebräuchlichen Grundsätzen der Hygiene verletzt, z.B. die zumutbare Reinlichkeit mißachtet oder zumutbare Vorkehrungen vor Verschmutzung unterläßt oder Waren einer unnotwendigen Verschmutzung aussetzt. Die zumutbare Reinlichkeit wird z.B. das Wechseln der Arbeitskleidung bei Verschmutzung, das tägliche, mindestens einmalige Reinigen der Betriebsräume und das einwandfreie Reinigen von Geräten und Geschirren umfassen (vgl. Brustbauer-Jesionek-Petuely-Wrabetz,
Das Lebensmittelgesetz 1975, Erläuterungen zu § 20; ferner aus jüngster Zeit das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. November 1991, Zl. 91/10/0026).
2.4. Da die belangte Behörde die Verwendung eines mangelhaft gereinigten Gerätes im Betrieb der Gesellschaft zu Unrecht § 28 Abs. 1 lit. b LMG unterstellt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid insofern mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da der angefochtene Bescheid nur in einer Ausfertigung vorzulegen war, konnten für die zweite und dritte Ausfertigung keine Stempelgebühren zugesprochen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)