Normen
AVG §56;
AVG §63 Abs2;
BDG 1979 §123 Abs1;
BDG 1979 §123 Abs2;
BDG 1979 §126;
BDG 1979 §94 Abs1;
BDG 1979 §96;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §63 Abs2;
BDG 1979 §123 Abs1;
BDG 1979 §123 Abs2;
BDG 1979 §126;
BDG 1979 §94 Abs1;
BDG 1979 §96;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Assistenzprofessor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Klinik X.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht hervor, daß gegen den Beschwerdeführer mehrere Anzeigen betreffend seine Tätigkeit im Allgemeinen Krankenhaus erstattet wurden, welche die Einschaltung der Staatsanwaltschaft sowie die vorläufige Suspendierung des Beschwerdeführers mit Bescheid des Rektors der Universität Wien vom 4. Mai 1990 zur Folge hatten. Aus einem Sitzungsprotokoll der belangten Behörde vom 23. Mai 1990 geht hervor, daß u.a. gemäß § 123 Abs. 1 BDG die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Beschwerdeführer beschlossen worden sei, doch ergibt sich aus den vorgelegten Akten weder, auf welche Fakten sich diese Einleitung eines Disziplinarverfahrens bezogen hat, noch daß dem Beschwerdeführer ein diesbezüglicher Beschluß zugestellt worden wäre. Einem weiteren Sitzungsprotokoll der belangten Behörde vom 25. Juni 1990 ist zu entnehmen, daß u.a. ein den Fall des Beschwerdeführers betreffender Unterbrechungsbeschluß gemäß § 114 Abs. 1 BDG gefaßt sowie die Aufhebung der vorläufigen Suspendierung des Beschwerdeführers beschlossen wurde. Davon wurde der Beschwerdeführer mit einem Schreiben des Vorsitzenden der belangten Behörde vom 12. Juli 1990 in Kenntnis gesetzt.
Erst am 20. November 1990 wurde dem Beschwerdeführer ein mit 19. November 1990 datierter Beschluß der belangten Behörde zugestellt, gemäß dessen Spruch die belangte Behörde am 23. Mai 1990 beschlossen habe, gegen den Beschwerdeführer
"... wegen des Verdachtes, Patienten aus der Privatordination an der Klinik behandelt zu haben und Implantate operativ eingebracht zu haben, weiters von Patienten auf Grund von mündlichen Kostenvoranschlägen Barzahlungen verlangt und auch vereinnahmt zu haben, deren Höhe gegen die Annahme spricht, daß ausschließlich Materialkosten verrechnet wurden, ferner wegen des Verdachtes, für die Vornahme einer Implantatbehandlung an der Klinik ein Privathonorar verlangt und vereinnahmt zu haben, und damit § 45 des Wiener Krankenanstaltengesetzes verletzt zu haben,"
gemäß § 123 Abs. 1 BDG ein Disziplinarverfahren einzuleiten und dieses gemäß § 114 Abs. 1 BDG zu unterbrechen.
In der Begründung dieses Bescheides wurde neuerlich ausgesprochen, daß auf Grund vorliegender Anzeigen der Verdacht bestehe, der Beschwerdeführer habe für Leistungen, die er als Bediensteter der Klinik gegenüber krankenversicherten Patienten erbracht habe, von diesen Honorare verlangt, angenommen und für eigene Rechnung vereinnahmt, obwohl er dazu nach der Gesetzeslage nicht berechtigt gewesen sei. Diese Honorare hätten dabei die Kosten der vom Beschwerdeführer in Umgehung der Materialbeschaffung des Allgemeinen Krankenhauses angeschafften Implantate um ein Vielfaches überschritten. Es bestehe weiters der Verdacht, daß der Beschwerdeführer vom Patienten V für die Vornahme einer Implantatbehandlung an der Klinik eine Akontozahlung von S 130.000,-- verlangt und vereinnahmt habe. Auf Grund der Aktenlage bestehe ferner der Verdacht, daß der Beschwerdeführer entgegen ausdrücklicher Weisung des Klinikvorstandes einen Patienten aus seiner Privatordination an der Klinik behandelt habe. Diese Verdachtsmomente seien geeignet, Ansehen und wesentliche Interessen der Universitätsklinik zu gefährden; das Verhalten des Beschwerdeführers begründe den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 BDG.
Gegen diesen Bescheid vom 19. November 1990 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher jedoch die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluß vom 10. Juni 1991, B 1414/90, ablehnte, und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens in erster Linie deshalb in seinen Rechten verletzt, weil eine exakte Darstellung des Sachverhaltes, von dem die belangte Behörde ausgehe, nicht erfolgt und die bereits eingetretene Verjährung nicht beachtet worden sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und hat von der Einbringung einer Gegenschrift abgesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Beschluß gemäß § 123 Abs. 2 BDG dem beschuldigten Beamten, dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig. Damit ist der Instanzenzug erschöpft und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Der Beschluß, ein Disziplinarverfahren gemäß § 123 Abs. 2 BDG einzuleiten, ist nicht bloß eine prozessuale Verfügung. Der Beschluß gestaltet vielmehr das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer erhält nämlich durch den Beschluß den Status eines Beamten, gegen den ein Disziplinarverfahren eingeleitet ist; seine Rechtsverhältnisse sind ab diesem Zeitpunkt verschieden von jenen eines Beamten, gegen den kein Disziplinarverfahren eingeleitet ist (vgl. dazu VfSlg. 4327, VwSlg. 9168/A, und aus jüngerer Zeit etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1990, Zlen. 90/09/0156, 0179).
Die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG zukommende rechtliche Bedeutung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darin gelegen, dem einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Dies ist schon deshalb erforderlich, um klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozeßvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluß begrenzt regelmäßig den Umfang einer durchzuführenden Untersuchung und des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluß in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Eine selbständige, bindende Feststellung über die Schuld des betroffenen Beamten enthält der Einleitungsbeschluß (naturgemäß) nicht; er stellt nur eine vorläufige Meinungsäußerung der zuständigen Disziplinarbehörde dar, daß der Beschuldigte eines Dienstvergehens verdächtigt sei und daß bei der Schwere des Vorwurfes über Schuld und Strafe im Disziplinarverfahren entschieden werden müsse. Er ist also nicht in sich abgeschlossen, sondern - wie sein Name besagt - lediglich dazu bestimmt, das Disziplinarverfahren einzuleiten, sofern nicht schon vorher die Einstellung erfolgt (vgl. auch dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1990, Zlen. 90/09/0156, 0179, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Ausgehend von dieser Rechtslage erweist sich der im vorliegenden Beschwerdefall angefochtene Bescheid in mehrfacher Hinsicht als rechtswidrig.
Der Prozeßgegenstand des Disziplinarverfahrens wird durch die Bezeichnung des Beschuldigten und die Schilderung der Tat, die dem Beschuldigten zur Last gelegt werden soll, bestimmt. Im Rahmen der Umgrenzungsfunktion muß die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat im Einleitungsbeschluß so umschrieben werden, daß praktisch unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang Gegenstand des Disziplinarverfahrens sein soll. Die umschriebene Tat muß nicht nur nach Ort und Zeit, sondern durch bestimmte Tatumstände so genau gekennzeichnet werden, daß keine Unklarheit darüber möglich ist, welche Handlungen dem Beschuldigten zur Last gelegt werden und was im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden soll. Die vorgeworfene Tat muß sich von anderen gleichartigen Handlungen, die der Beschuldigte begangen haben kann, genügend unterscheiden lassen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0094).
Dieser Umgrenzungsfunktion wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht. In seinem Spruch werden die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tathandlungen nur ganz allgemein, ohne Angabe von Ort und Zeit sowie näherer Umstände der einzelnen Fakten beschrieben. Dies wiederholt sich in der - somit den §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG nicht genügenden - Begründung des angefochtenen Bescheides mit der einzigen Ausnahme, daß hier durch Nennung eines Patientennamens ein Faktum etwas deutlicher individualisiert und hervorgehoben wird. Diesbezüglich fehlt es jedoch - auch abgesehen von den im Folgenden zur Frage der Verjährung angestellten Erwägungen - an einer ausreichenden Umschreibung der Tat im Hinblick auf Zeit, Ort und nähere Umstände.
Wie bereits oben ausgeführt, soll der Inhalt des Einleitungsbeschlusses auch eine Klarstellung ermöglichen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Auch in dieser Hinsicht erweist sich der angefochtene Bescheid aus den bereits oben behandelten Gründen als unzulänglich. Dem angefochtenen Bescheid - der erst fast sechs Monate nach der internen Beschlußfassung ausgefertigt und zugestellt wurde - ist auch keine Auseinandersetzung mit der Frage eines allenfalls bereits erfolgten Eintrittes der Verjährung zu entnehmen.
Nach § 94 Abs. 1 BDG darf der Beamte wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Disziplinarbehörden sind nach § 96 BDG die Dienstbehörden, die Disziplinarkommission und die Disziplinaroberkommission.
Nun ist es schon mit Rücksicht auf die oben gerügte unzulängliche Umschreibung der einzelnen Tatvorwürfe dem Verwaltungsgerichtshof nicht möglich, eine verläßliche Kontrolle dahin vorzunehmen, inwieweit Handlungen des Beschwerdeführers, die im Disziplinarverfahren untersucht und allenfalls bestraft werden sollten, möglicherweise bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Einleitungsbeschlusses verjährt gewesen sein mögen. Mit Recht weist der Beschwerdeführer überdies zu dieser Frage darauf hin, die belangte Behörde (oder jedenfalls der Rektor der Universität Wien als Dienstbehörde, vgl. § 2 Z. 10 lit. a DVV und § 24 Abs. 2 und Abs. 6 UOG) habe bereits seit mehr als sechs Monaten Kenntnis vom Sachverhalt gehabt, bevor der Einleitungsbeschluß gefaßt (richtig: erlassen) wurde. Hinweise auf das Zutreffen dieses Vorwurfs ergeben sich aus den Verwaltungsakten insofern, als allein der Zeitraum zwischen interner Beschlußfassung und Erlassung des Einleitungsbeschlusses fast sechs Monate umfaßte, und daß die Dienstbehörde bereits vor dem 23. Mai 1990 mit gegen den Beschwerdeführer erstatteten Anzeigen befaßt war und diese sogar bereits Anfang Mai 1990 zum Anlaß einer vorläufigen Suspendierung des Beschwerdeführers gemacht hat.
Da der angefochtene Einleitungsbeschluß der belangten Behörde aus diesen Erwägungen den vom Gesetz verlangten Anforderungen nicht genügte, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 59 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens geht darauf zurück, daß dem Beschwerdeführer nicht mehr zustand als der gesetzlich pauschalierte Schriftsatzaufwand, und daß an Bundesstempeln nur insgesamt S 480,-- (240,-- Eingabengebühr, 120,-- für Beilagen und 120,-- für die Vollmacht) zu entrichten waren.
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