VwGH 90/17/0316

VwGH90/17/031629.1.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 4. Mai 1990, Zl. MDR-K 7/90/Str, betreffend Verwaltungsübertretung nach dem Wiener Parkometergesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
B-VG Art9 Abs1;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §25 Abs2;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
B-VG Art9 Abs1;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §25 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 9. Mai 1989 des Magistrates der Stadt Wien wurde der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 1a des Parkometergesetzes, LGBl. für Wien Nr. 47/1974 in der geltenden Fassung, als Zulassungsbesitzer ersucht, Auskunft darüber zu geben, wem er sein dem behördlichen Kennzeichen nach näher bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug, welches am 4. November 1988 um 08.40 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone Wien 4., Kolschitzkygasse 6, abgestellt war, zu diesem Zeitpunkt überlassen habe. Mit Schreiben vom 18. Mai 1989 gab der Beschwerdeführer in Beantwortung dieser Anfrage an, daß am 4. November 1988 sein Kraftfahrzeug von M, Holland, (in der Folge kurz: Zeuge), gelenkt worden sei.

Nachdem der Beschwerdeführer durch die Behörde aufgefordert worden war, die Überlassung des Kraftfahrzeuges am 4. November 1988 an M durch geeignete Beweismittel glaubhaft zu machen, sowie bekanntzugeben, wie lange und wo sich dieser in Wien aufgehalten habe, teilte der Beschwerdeführer mit, daß sich der Zeuge nur einen Tag in Wien aufgehalten und bei ihm, dem Beschwerdeführer, gewohnt habe. Als Beweismittel bot er seine Einvernahme an.

Nachdem der Beschwerdeführer der Aufforderung der Behörde, durch eine notariell oder gerichtlich beglaubigte Erklärung des Zeugen die Überlassung seines Fahrzeuges am 4. November 1988 zu beweisen, keine Folge geleistet hatte, ersuchte er zu seiner Rechtfertigung, den Lenker des Fahrzeuges im Rechtshilfeweg in Holland einvernehmen zu lassen.

Ohne diesem Ersuchen zu entsprechen, wurde der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 15. Dezember 1989 für schuldig erkannt, ER habe am 4. November 1988 um 08.40 Uhr in Wien 4., Kolschitzkygasse 6, sein dem behördlichen Kennzeichen nach näher bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne die Parkometerabgabe durch einen ordnungsgemäß entwerteten Parkschein entrichtet zu haben, da der Parkschein fehlte. Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen § 1 Abs. 3 des Parkometergesetzes, LGBl. für Wien Nr. 47/1974 in der geltenden Fassung, verstoßen. Gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. wurde über ihn eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer zum wiederholten Male vor, er habe das Kraftfahrzeug zum inkriminierten Tatzeitpunkt nicht selbst gelenkt, sondern seinem Freund, dem Zeugen, überlassen. Er sei nicht verpflichtet, die von der Behörde geforderte notariell oder gerichtlich beglaubigte Erklärung beizubringen, da diese für ihn mit unzumutbaren Mehrkosten verbunden sei. Er würde jedoch, wenn die Behörde die Kosten übernehme, eine notarielle Erklärung einzuholen versuchen. Darüber hinaus beantragte der Beschwerdeführer nochmals, den Zeugen im Rechtshilfeweg einvernehmen zu lassen.

Die vor der Erlassung des Berufungsbescheides vorgenommenen meldebehördlichen Erhebungen ergaben, daß der Zeuge am 3. und 4. November 1988 in Wien nicht gemeldet war.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die Ersatzfreiheitsstrafe auf sieben Stunden herabgesetzt wurde. Dies im Streitpunkt im wesentlichen mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe es unterlassen, nähere überprüfbare Umstände über die Existenz und den angeblichen Aufenthalt der als Lenker namhaft gemachten Person zur Tatzeit in Wien bekanntzugeben. In Ermangelung jeglicher tauglicher Beweisführung durch den Beschwerdeführer bestünden am Wahrheitsgehalt seiner Angaben Zweifel und es sei die Behörde in freier Beweiswürdigung daher zu dem Ergebnis gelangt, es handle sich bei dem Vorbringen des Beschwerdeführers um eine bloße "Schutzbehauptung". Demzufolge erweise sich der gegen ihn erhobene Tatvorwurf als berechtigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht, nicht bestraft zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, es wäre Aufgabe der belangten Behörde gewesen, die von ihm als Lenker im Tatzeitpunkt bekanntgegebene Person als Zeugen im Rechtshilfeweg vernehmen zu lassen.

Gemäß § 25 Abs. 1 VStG sind Verwaltungsübertretungen mit einer hier nicht bedeutsamen Ausnahme von Amts wegen zu verfolgen. Zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

Diese Gesetzesstelle bildet keine Grundlage für die generelle Aussage, die Behörde sei im Rahmen der Berücksichtigung der der Entlastung des Beschuldigten dienenden Vernehmung von Zeugen, die im Ausland leben, nicht zu "aufwendigen" Ermittlungen verpflichtet. Die hier zu ziehende Grenze ist durch die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Behörde bestimmt. Die Behörde hat in einem Verwaltungsstrafverfahren, in welchem der Beschuldigte als Entlastungszeugen eine Person bezeichnet, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält, jedenfalls den Versuch zu unternehmen, mit dieser Person in der Regel in der Weise in Verbindung zu treten, daß sie an diese ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet. Im Hinblick darauf, daß mit einem derartigen Schreiben keinerlei Sanktionsdrohungen verbunden sind, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß die Zustellung eines derartigen Schreibens an eine im Ausland lebende Person keinen Eingriff in die Hoheitsrechte des betreffenden ausländischen Staates bildet und dieser Vorgangsweise daher völkerrechtliche Schranken nicht entgegenstehen. Langt innerhalb angemessener Frist - aus welchen Gründen immer - eine Erklärung der betreffenden Person bei der Behörde nicht ein, so muß dieser Versuch als gescheitert angesehen werden und die Behörde hat dem Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zu geben, entsprechend seiner erhöhten Mitwirkungspflicht den Entlastungsbeweis in anderer Weise - etwa in der Form, daß er selbst eine schriftliche Erklärung des Entlastungszeugen vorlegt, oder, wenn es um die Lenkereigenschaft des Beschuldigten im Tatzeitraum geht, durch Glaubhaftmachung zumindest des Aufenthaltes dieser Person in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt - zu erbringen. Die Behörde hat die Verpflichtung, von Amts wegen jene Ermittlungen über die Richtigkeit der Angaben des Beschuldigten anzustellen, die ihr ohne Schwierigkeiten möglich sind, wie etwa die Einholung von Meldeauskünften (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Zl. 90/18/0091). Im gegenständlichen Fall mußte jedoch die Einholung einer Meldeauskunft ins Leere gehen, weil sich der Zeuge nur auf der Durchreise in Österreich befunden hatte, in der Wohnung des Beschwerdeführers genächtigt hatte und daher, wie dieser richtig ausführte, gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 Meldegesetz in Wien nicht polizeilich zu melden war.

Die Behörde ist nur dann berechtigt, die Verantwortung eines Beschuldigten, er habe ein mehrspuriges Kraftfahrzeug im Tatzeitpunkt einer mit Namen und Anschrift näher bezeichneten Person mit Wohnsitz im Ausland überlassen, auch ohne den Versuch zur amtlichen Überprüfung dieser Angaben als unrichtig zu qualifizieren, wenn der Beschuldigte die Glaubhaftmachung der Existenz dieser Person und/oder deren Aufenthalt in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt grundlos verweigert. Ist der Beschuldigte dazu aber grundsätzlich bereit, reichen bloß dessen Behauptungen zur Glaubhaftmachung nach Auffassung der Behörde aber nicht aus, so hat ihn die Behörde zu zweckdienlichen Ergänzungen zu verhalten und darüber hinaus selbständige Ermittlungen anzustellen.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde solche Ermittlungen nach der Aktenlage nicht angestellt und auch den Beschwerdeführer deswegen nicht richtig angeleitet, weil sie es für zutreffend hielt, daß dieser eine schriftliche Erklärung des im Ausland befindlichen Entlastungszeugen in gerichtlich oder notariell beglaubigter Form beizubringen habe; nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht aber hiefür keine gesetzliche Grundlage. Auch steht noch keineswegs fest, daß die vom Beschwerdeführer beantragte Zeugeneinvernahme im Ausland unmöglich ist, weil es die belangte Behörde im vorliegenden Fall unterließ, auch nur den Versuch zu unternehmen, mit der vom Beschwerdeführer als Entlastungszeugen genannten, in den Niederlanden, mit welchem Staat ein entsprechendes Rechtshilfeabkommen nicht besteht, wohnhaften Person in der geschilderten Art in Verbindung zu treten. Da somit nicht ausgeschlossen werden kann, daß bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels ein anderer Bescheid hätte erlassen werden können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebührenersatz war nur für die zur Beschwerdeführung notwendigen Urkunden zuzuerkennen.

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