VwGH 90/17/0224

VwGH90/17/022426.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der Marktgemeinde A, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. April 1990, Zl. II/1-BE-391-5/6-90, betreffend Bescheidberichtigung in Angelegenheit einer Ergänzungsgebühr zur Kanaleinmündungsgebühr (mitbeteiligte Partei: S-KG in A), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs4;
BAO §293;
LAO NÖ 1977 §216;
AVG §62 Abs4;
BAO §293;
LAO NÖ 1977 §216;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Gemeinde hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Abgabenbescheid vom 6. April 1983 schrieb der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde der mitbeteiligten Partei für den Anschluß ihrer Liegenschaft in A Nr. 1 an den öffentlichen Kanal bei einer Berechnungsfläche von 1.393 m2 (verbaute Fläche: Gasthof 745 m2 und zwei angeschlossene Geschoße, Dependance 200 m2 und ein angeschlossenes Geschoß; Anteil der unverbauten Fläche: 15 v.H. von 500 m2) und einem Einheitssatz von S 120,-- eine Kanaleinmündungsgebühr im Betrag von S 167.160,-- zuzüglich 8 % Umsatzsteuer vor. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 31. Oktober 1983 wurde der mitbeteiligten Partei wegen Errichtung eines Zubaues (4-geschoßiger Saal- und Bettentrakt) eine Ergänzungsgebühr zur Kanaleinmündungsgebühr unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 2.670 m2 und eines Einheitssatzes von S 120,-- im Betrag von S 153.240,-- zuzüglich 8 % Umsatzsteuer (S 12.259,20), insgesamt somit ein Betrag von S 165.499,20, vorgeschrieben. Der ursprünglich im Spruch dieses Bescheides von der Datenverarbeitungsanlage ausgewiesene Abgabenbetrag von S 320.400,-- (2.670 m2 x S 120,--) zuzüglich 8 % Umsatzsteuer wurde in der Folge durchgestrichen und mit Schreibmaschinschrift auf den Betrag von S 153.240,-- zuzüglich 8 % Umsatzsteuer ausgebessert. In der Begründung wurde nach Hinweis auf die §§ 2 Abs. 2 sowie 3 Abs. 1 und 2 NÖ KanalG 1977 als "Bestand nach Änderung" ein Gebäude (Gasthof) mit einer verbauten Fläche von 958 m2 und vier angeschlossenen Geschoßen und ein weiteres Gebäude (Dependance) mit einer verbauten Fläche von 200 m2 und einem angeschlossenen Geschoß angenommen, sodaß unter Berücksichtigung eines Anteiles an der unverbauten Fläche von 75 m2 eine Berechnungsfläche von

2.670 m2 ermittelt wurde. Diese Berechnungsfläche für den Neubestand wurde sodann mit dem Einheitssatz von S 120,-- multipliziert und von dem sich hienach ergebenden Betrag von S 320.400,-- der auf den Altbestand entfallende Betrag von S 167.160,-- (1.393 m2 x S 120,--) abgezogen. Der Differenzbetrag von S 153.240,-- wurde als "Ergänzungsgebühr" bezeichnet. Dieser Bescheid erwuchs ebenfalls in Rechtskraft.

Mit einem weiteren Abgabenbescheid vom 30. April 1987 schrieb der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde der mitbeteiligten Partei für die auf der Liegenschaft in A Nr. 1 errichteten Zubauten eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe im Betrag von S 223.560,-- (Neubestand: 4.533 m2, Altbestand: 2.670 m2;

Differenzbetrag: 1.863 m2 x S 120,-- = S 223.560,--) zuzüglich 10 % Umsatzsteuer vor.

Der gegen diesen Bescheid von der mitbeteiligten Partei mit der Begründung erhobenen Berufung, daß keine Änderungen durchgeführt worden seien, gab der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde mit Berufungsvorentscheidung vom 30. September 1987 Folge und behob den Abgabenbescheid vom 30. April 1987. 1.3.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 1. Oktober 1987 wurde der Abgabenbescheid vom 31. Oktober 1983 (betreffend Vorschreibung einer Ergänzungsgebühr zur Kanaleinmündungsgebühr) gemäß "§ 216 NÖ Abgabenordnung 1977" dahingehend berichtigt, daß die vorgeschriebene Ergänzungsgebühr zur Kanaleinmündungsgebühr von S 165.499,20 (einschließlich 8 % Umsatzsteuer) auf S 406.879,20 (einschließlich 8 % Umsatzsteuer) und die verbaute Fläche der Position 1 - Gasthof (Hotel) - von 958 m2 auf 1.703 m2, die daraus resultierende Flächenhälfte von 479 m2 auf

851,50 m2, und die Fläche (der Position 1) von 2.395 m2 auf 4.257,50 m2 richtiggestellt wurden. Begründend wurde ausgeführt, daß irrtümlich die Fläche des neuen Traktes (Zubau mit 958 m2) nicht der Fläche des Altbestandes (745 m2) hinzugezählt, sondern zwischen 958 m2 und 745 m2 die Differenz gezogen worden sei. Richtigerweise hätten die beiden Flächen addiert und somit eine neue verbaute Fläche von

1.703 m2 der Position 1 der Berechnung zugrundegelegt werden müssen; dieser Rechen- bzw. Ermittlungsfehler sei auch in die automatische Datenverarbeitung übertragen worden.

1.3.2. Der gegen diesen Bescheid von der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 8. März 1988 keine Folge gegeben.

1.3.3. Der dagegen von der mitbeteiligten Partei erhobenen Vorstellung von 21. März 1988 gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 18. Oktober 1988, Zl. II/1-BE-391-5/2-88, Folge, hob den genannten Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück. Begründend heißt es in diesem Bescheid, die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 216 NÖ Abgabenordnung setze voraus, daß die Unrichtigkeit des zu berichtigenden Bescheides auf einem Schreib- oder Rechenfehler oder einem ähnlichen Versehen beruhe. Die Berichtigung eines Bescheides sei dann zulässig, wenn der tatsächliche Inhalt des Spruches vom erkennbar zum Ausdruck gebrachten, gewollten Inhalt abweiche; einer Berichtigung seien jedoch Fehler im Bereich des Zustandekommens und der Gestaltung des Bescheidwillens, also Fehler des Überlegens, des Schlußfolgerns und des Urteilens, nicht zugänglich. Die Berichtigung sei überdies auf Fälle eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige sei; die Unrichtigkeit müsse zumindest für die Person erkennbar sein, für die der Bescheid bestimmt sei.

Der Spruch des zu berichtigenden Bescheides vom 31. Oktober 1983 weise zwar einen offenkundigen Rechenfehler auf, und zwar jenen, daß das Produkt von Berechnungsfläche (2.670 m2) und Einheitssatz (S 120,--) unrichtig mit S 153.240,-- ermittelt worden sei. Aus dem genannten Bescheid vom 31. Oktober 1983 gehe jedoch auch hervor, daß ursprünglich der rechnerisch richtige Betrag angeführt und dieser nachträglich abgeändert worden sei. Die Abänderung sei auch in der Begründung des berichtigten Bescheides näher dargelegt worden; nach der in der Begründung dargelegten Berechnungsmethode sei der richtige Differenzbetrag der nachträglich eingesetzte und auch vorgeschriebene Betrag gewesen. Erscheine die Spruchfassung bei alleiniger Betrachtung unklar, so ergebe sich bei Heranziehung der Begründung des zu berichtigenden Bescheides eindeutig, daß die Abgabenbehörde eine Ergänzungsgebühr zur Kanaleinmündungsgebühr im Betrag von S 153.240,-- habe vorschreiben wollen; im Spruch seien jedoch die Bemessungsgrundlagen unrichtig angeführt worden. Eine andere Deutung lasse sich der Bescheidbegründung nicht entnehmen. Komme aber der Bescheidwille klar zum Ausdruck, so sei eine Berichtigung nur in solchen Punkten zulässig, die den erklärten Bescheidwillen nicht abänderten, sondern diesen nur klarstellten (z.B. Berichtigung der Bemessungsgrundlagen im Hinblick auf den vorgeschriebenen Abgabenbetrag).

Daß der Bescheidwille im zu berichtigenden Bescheid bloß auf den tatsächlich vorgeschriebenen Abgabenbetrag gerichtet gewesen sei, ergebe sich auch daraus, daß die Abgabenbehörde zunächst versucht habe, die objektive Rechtswidrigkeit durch die Erlassung eines neuen Abgabenbescheides betreffend die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zu beseitigen. Der Fehler in dem zu berichtigenden Bescheid liege darin, daß die Berechnungsgrundlagen unrichtig erhoben worden seien bzw. daß die Berechnungsmethode unrichtig angewandt worden sei. Daß der Fehler unter Umständen auf die verwendete Datenverarbeitungsanlage zurückzuführen sei, mache diesen nicht zu einem einer Berichtigung zugänglichen Rechenfehler, weil die Eingabe der verbauten Fläche in der genannten Form nur bewußt habe erfolgen können.

Der Berichtigungsbescheid des Bürgermeisters vom 1. Oktober 1987 greife daher unzulässigerweise in den Inhalt des Abgabenbescheides vom 31. Oktober 1983 ein; allein schon aus diesem Grunde erweise sich der Bescheid des Gemeinderates vom 8. März 1988 als rechtswidrig.

Aber selbst dann, wenn man eine Berichtigung dem Grunde nach für zulässig erachtete, erwiese sich der im Instanzenzug ergangene Berichtigungsbescheid als mangelhaft. Es seien mit dem Ersatzbescheid nur Teile des zu berichtigenden Bescheides berichtigt worden, die nunmehr im Zusammenhang einen gänzlich unklaren Bescheid ergäben; im Spruch des berichtigten Bescheides seien die Bemessungsgrundlagen in ihrer ursprünglichen Form belassen worden, weshalb der nunmehr durch den berichtigten Bescheid vorgeschriebene Abgabenbetrag wiederum als unrichtig erscheine. Die vorgenommene Berichtigung sei mangelhaft, weil sie zu einer Klarstellung des berichtigten Bescheides nichts beitrage, sondern neuerlich zu einem unverständlichen Abgabenbescheid führe.

1.4. Mit Beschluß vom 15. Dezember 1989, Zl. 88/17/0230, wies der Verwaltungsgerichtshof die von der beschwerdeführenden Gemeinde gegen diesen Vorstellungsbescheid eingebrachte Beschwerde zurück. Begründend heißt es in diesem Beschluß sinngemäß, daß die von der Vorstellungsbehörde verfügte Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 8. März 1988 durch die Erlassung eines Ersatzbescheides des Gemeinderates vom 16. November 1988 innerhalb der vierwöchigen Frist des § 61 Abs. 5 NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. Nr. 1000-5, nicht wirksam geworden sei, sodaß keine Rechtsverletzungsmöglichkeit, die wiederum eine Prozeßvoraussetzung für die Erhebung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof sei, vorliege.

1.5. Mit dem genannten Ersatzbescheid vom 16. November 1988 hat der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde über die Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid des "Gemeinderates" (gemeint wohl: Bürgermeisters) vom 1. Oktober 1987, mit dem der Abgabenbescheid vom 31. Oktober 1983 berichtigt worden war, wie folgt entschieden:

"SPRUCH

Der angefochtene Bescheid wird vollinhaltlich bestätigt, sodaß dessen Spruch zu lauten hat:

Gemäß § 216 NÖ. Abgabenordnung 1977, LGBl. Nr. 3400-2, wird die mit Abgabenbescheid der Marktgemeinde A vom 31.10.1983, Steuer-Nr. xxxx, für die Liegenschaft A Nr. 1 vorgeschriebene Ergänzungsgebühr zur Kanaleinmündungsgebühr von S 165.499,20 (einschließlich 8 % Ust.) auf S 406.879,0 (einschließlich 8 % Ust.) und die verbaute Fläche der Pos. 1 - Gasthof (Hotel) - von 958 m2 auf 1.703 m2, die daraus resultierende Flächenhälfte von 479 m2 auf 851,50 m2, und die Fläche der Pos. 1 von 2.395 m2 auf 4.257,50 m2 berichtigt.

Alle übrigen Flächenermittlungen und Berechnungen im Abgabenbescheid der Marktgemeinde A vom 31.10.1983, Steuer-Nr. xxxx, bleiben, soweit sie nicht durch obige Berichtigungen tangiert werden, unverändert."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, zur Verdeutlichung und Begründung des Spruches des Berichtigungsbescheides vom 1. Oktober 1987 werde die Neuberechnung, die diesem Bescheid zugrundeliege, dargestellt, wobei die mit "alt" bezeichneten Beträge aus dem Bescheid vom 31. Oktober 1983 stammten und im Bescheid vom 1. Oktober 1987 auf die mit "neu" bezeichneten Beträge berichtigt worden seien:

"verbaute Flächen- angeschl. Fläche

Fläche hälfte Fläche

Gasthof (Hotel)

alt: 958 m2 479 m2 x 4 + 1 = 2.395 m2 neu: 1.703 m2 851.50 m2 x 4 + 1 = 4.257,5 m2

(958 + 745 m2)

Die Dependance 200 m2 100 m2 x 1 + 1 = 200 m2 (alt = neu)

Anteil der verbauten Fläche:

alt: 2.595 m2

NEU: 4.457,50 m2

Anteil der unverbauten Fläche:

15 v.H. v. Fünfhundert (alt = neu) 75 m2

ergibt eine Berechnungsfläche von: alt: 2.670 m2

NEU: 4.532,50 m2

Die Berechnungsfläche mal Einheitssatz ergibt die

Kanaleinmündungsgebühr von

alt: 2.670 m2 x 120,-- = S 320.400,00

NEU: 4.532,50 m2 x 120,-- = S 543.900,00

abzüglich der bereits mit Bescheid vom 6.4.1983

vorgeschriebenen Kanaleinmündungsgebühr

von 1.393 m2 x 120,-- = - S 167.160,00

(alt = neu)

ergibt sich eine Ergänzungsgebühr alt: S 153.240,00

NEU: S 376.740,00

zuzüglich 8 % Ust alt: S 12.259,20

NEU: S 30.139,20

Gesamtbetrag

alt: S 165.499,20

NEU: S 406.879,20"

Der Berichtigungsbescheid vom 1. Oktober 1987 ergebe zusammen mit dem berichtigten Bescheid vom 31. Oktober 1983 eine sinnvolle Einheit; die bei der Berichtigung durchgeführte Berechnung sei jederzeit für jedermann nachvollziehbar. Die Unrichtigkeit des nunmehr berichtigten Bescheides vom 31. Oktober 1983 sei für jedermann, insbesondere für den Bescheidadressaten, offenkundig gewesen. Im zuletzt zitierten Bescheid sei die Vorschreibung der Ergänzungsgebühr damit begründet worden, daß die mitbeteiligte Partei auf ihrer Liegenschaft Nr. 1 in A einen Saal- und Bettentrakt hinzugebaut habe. Aus den Planunterlagen ergebe sich, daß der Zubau eine Fläche von 958 m2 aufweise. Infolge eines Rechenfehlers sei, anstatt zunächst die gesamte verbaute Fläche (745 m2 und 958 m2) zusammenzuzählen und erst dann die bereits vorgeschriebene Kanaleinmündungsgebühr abzuziehen, die bereits mit Bescheid vom 6. April 1983 vorgeschriebene Kanaleinmündungsgebühr von der bloß für die Fläche des Zubaues von 958 m2 berechneten Gebühr abgezogen worden; daß diese Berechnung offenbar unrichtig gewesen sei, sei für die mitbeteiligte Partei klar erkennbar gewesen. Sie habe gewußt, daß die verbaute Fläche nach dem Zubau nicht 958 m2, sondern insgesamt 1.703 m2 betragen habe. Die mit Berichtigungsbescheid vom 1. Oktober 1987 vorgenommene Berichtigung sei somit ohne weiteres nachvollziehbar und schlüssig. Der Bescheidwille ergebe sich klar aus der Begründung des Bescheides vom 31. Oktober 1983; dort sei auf die Bestimmungen des § 2 Abs. 2 NÖ KanalG 1977 verwiesen worden, wonach bei einer späteren Änderung der Bemessungsgrundlage für die Kanaleinmündungsgebühr eine Ergänzungsgebühr zu entrichten sei, wenn sich durch diese Änderung gegenüber dem ursprünglichen Bestand nach den Bestimmungen des § 3 NÖ KanalG 1977 eine höhere Gebühr ergebe. Die Ergänzungsgebühr ergebe sich gemäß § 3 Abs. 6

NÖ KanalG 1977 aus dem Differenzbetrag zwischen der Gebühr für den Bestand nach der Änderung und der Gebühr für den Bestand vor der Änderung, wobei beide Gebühren nach dem bei Entstehung der Gebührenschuld geltenden Einheitssatz zu berechnen seien. Auch aus dieser Begründung des nunmehr berichtigten Bescheides vom 31. Oktober 1983 ergebe sich, daß die beschwerdeführende Gemeinde die Differenz zwischen dem Gesamtausmaß der nunmehr verbauten Fläche und dem Bestand vor der Änderung habe vorschreiben wollen. Durch die vorgenommene Berichtigung des Bescheides sei der erklärte Bescheidwille nicht abgeändert, sondern nur klar- bzw. richtiggestellt worden. Was zuletzt den Berufungsgrund anlange, es habe sich beim Zubau um einen selbständigen Baukörper gehandelt, sei dem entgegenzuhalten, daß der neue Trakt und der Altbestand der Liegenschaft Nr. 1 sowohl in bauphysikalischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine Einheit gebildet hätten.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 28. November 1988 von der mitbeteiligten Partei neuerlich Vorstellung erhoben. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die belangte Behörde bereits in ihrem Vorstellungsbescheid vom 18. Oktober 1988 klar dargelegt habe, daß eine Bescheidberichtigung gemäß § 216

NÖ Abgabenordnung 1977 im vorliegenden Fall nicht zulässig sei.

1.6. Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. April 1990 wurde der Vorstellung gemäß § 61 NÖ Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 1000-5, Folge gegeben, der Ersatzbescheid des Gemeinderates vom 16. November 1988 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde verwiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es zunächst, daß die unrichtige Bezeichnung des bekämpften Bescheides ("Bescheid vom 8. März 1988" an Stelle des Ersatzbescheides vom 16. November 1988) im "Berufungsantrag" (gemeint wohl: Vorstellungsschriftsatz) nicht schade, weil der Begründung zu entnehmen sei, in welchen Rechten sich der Vorstellungswerber verletzt erachte.

Begründend heißt es sodann nach wörtlicher Wiedergabe der Entscheidungsgründe des Vorstellungsbescheides vom 18. Oktober 1988, Zl. II/1-BE-391-5/2-88 (siehe oben Pkt. 1.3.3.), weiter, die unrichtige Anwendung des Gesetzes (Berechnungsmethode) sei für die mitbeteiligte Partei nicht erkennbar gewesen, zumal im Bescheid vom 31. Oktober 1983 nicht einmal auf die diesbezüglich maßgebliche Gesetzesstelle des § 3 Abs. 6 NÖ KanalG 1977 hingewiesen worden sei. Die im Akt befindlichen Lageskizzen bzw. Berechnungsgrundlagen ließen auch keinen Schluß darauf zu, daß die Abgabenbehörde den Abgabenbescheid vom 31. Oktober 1983 in der berichtigten Form habe erlassen wollen. Aus den Unterlagen gehe überhaupt nicht hervor, in welcher Weise die Abgabenbehörde die Ergänzungsgebühr "zu berechnen gedachte"; ein Übertragungsfehler sei daher ebenfalls auszuschließen. Daß der Fehler bei gleichzeitiger Berechnung des Altbestandes und Darlegung in der Begründung des Bescheides eher aufgefallen wäre, ändere nichts an der obigen Auffassung.

Der Berichtigungsbescheid des Bürgermeisters vom 1. Oktober 1987 greife daher unzulässigerweise in den Inhalt des Abgabenbescheides vom 31. Oktober 1983 ein; der Ersatzbescheid vom 16. November 1988, der den Berichtigungsbescheid vom 1. Oktober 1987 vollinhaltlich bestätige, sei somit rechtswidrig gewesen.

1.7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die beschwerdeführende Gemeinde beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid zu Unrecht die Rechtsansicht vertreten, die mit Vorstellung seitens der mitbeteiligten Partei bekämpfte Bescheidberichtigung sei rechtswidrig gewesen. Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich "in ihren gesetzlich gewährleisteten Rechten im Rahmen des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, in ihrem subjektiven Recht auf Selbstverwaltung, ihrem Recht auf Aufrechterhaltung der Bescheide des Bürgermeisters der Marktgemeinde A vom 1. Oktober 1987 bzw. des Gemeinderates der Marktgemeinde A vom 16. November 1988, sowie in ihrem Recht auf gesetzmäßige Anwendung der NÖ Abgabenordnung 1977, somit in ihrem Recht auf Berichtigung des Abgabenbescheides vom 31. Oktober 1983 gemäß § 216 NÖ Abgabenordnung und auf gesetzmäßige Vorschreibung einer Ergänzungsgebühr zur Kanaleinmündungsgebühr gem. den §§ 2 und 3 NÖ Kanalgesetz 1977, letztlich daher in ihrem Recht auf Eigentum" verletzt.

1.8. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Im vorliegenden Beschwerdefall ist strittig, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 216

NÖ Landesabgabenordnung 1977 (im folgenden: NÖ AO 1977) für eine Bescheidberichtigung vorgelegen sind oder nicht.

2.2. Nach § 216 NÖ AO 1977, LGBl. 3400-2, kann die Abgabenbehörde in ihrem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automatischen Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigen (vgl. auch die inhaltsgleiche Bestimmung des § 293 Abs. 1 BAO in der Fassung der BAO-Novelle BGBl. Nr. 312/1987, bei der lediglich das Wort "automatisierten" durch das Wort "automationsunterstützten" ersetzt wurde).

Eine ähnliche Vorschrift betreffend die Bescheidberichtigung enthält § 62 Abs. 4 AVG: "Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden kann die Behörde jederzeit von Amts wegen berichtigen".

2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der mit § 216 NÖ AO 1977 gleichartigen Rechtsvorschrift in der Bundesabgabenordnung dient die Einrichtung des § 293 BAO nicht dazu, Irrtümer der Behörde bei der Auslegung des Gesetzes zu berichtigen, sondern ein infolge bestimmter Fehlerquellen gegen den Willen der Behörde entstandenes erkennbares Auseinanderklaffen von Bescheidabsicht und formeller Erklärung des Bescheidwillens zu beseitigen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 28. November 1979, Zl. 1429/79, und vom 13. Oktober 1982, Zl. 82/13/0122).

Wie der Verwaltungsgerichtshof weiters in seinem Erkenntnis vom 22. März 1991, Zl. 90/13/0243, dargetan hat, ist die Willensbildung einer bescheiderlassenen Behörde ein Denkprozeß, dessen Ergebnis als Bescheidwille in Erscheinung tritt. Fakten, die während dieses Denkprozesses in Vergessenheit geraten sind, können nicht Gegenstand der Willensbildung sein. Sie führen - so fährt der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis fort - vielmehr, soweit sie für den Denkprozeß relevant wären, zu einer unrichtigen oder unvollständigen Willensbildung, deren unmittelbare Auswirkung auf den jeweiligen Bescheid auch nicht gemäß § 293 BAO berichtigt werden kann, wenn der Fehler in der Willensbildung klar zu Tag tritt (vgl. nochmals das zu § 293 BAO ergangene hg. Erkenntnis vom 22. März 1991, Zl. 90/13/0243, sowie das dort angeführte weitere Erkenntnis vom 20. Juni 1990, Zl. 89/13/0113).

Schließlich dürfen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinesfalls nachträglich Änderungen im Inhalt eines Bescheides vorgenommen werden; die Bescheidberichtigung bietet keine Handhabe für eine inhaltlich berichtigende oder erklärende Auslegung des Spruches oder der Begründung eines Bescheides. Ebensowenig kann eine unrichtige rechtliche Beurteilung eines richtig angenommenen Sachverhaltes oder ein unrichtig angenommener, bestreitbarer Sachverhalt berichtigt werden (vgl. z.B. die zu § 62 Abs. 4 AVG ergangenen hg. Erkenntnisse vom 3. Feber 1984, Zl. 83/17/0197, 0198, und vom 18. September 1987, Zl. 87/17/0244).

2.4.1. Die beschwerdeführende Gemeinde bringt in der Beschwerde vor, die Abgabenbehörde erster Instanz habe mit dem Abgabenbescheid vom 31. Oktober 1983 die "gesetzliche Ergänzungsgebühr" vorschreiben wollen. Bei der Berechnung dieser Ergänzungsgebühr zur Kanaleinmündungsgebühr sei ihr jedoch ein "klar ersichtlicher Rechenfehler" unterlaufen; anstatt zunächst die gesamte verbaute Fläche des Gasthofes (745 m2 und 958 m2) zusammenzuzählen, daraus die Gebühr für den Bestand nach der Änderung zu ermitteln und erst dann die bereits vorgeschriebene Kanaleinmündungsgebühr abzuziehen, sei die bereits mit Bescheid vom 6. April 1983 vorgeschriebene Kanaleinmündungsgebühr von der bloß für die Fläche des Zubaues (958 m2) berechneten Gebühr abgezogen worden.

2.4.2. Dem rechtskräftigen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 31. Oktober 1983 betreffend Vorschreibung einer Ergänzungsgebühr zur Kanaleinmündungsgebühr im Betrag von S 153.240,-- zuzüglich 8 % Umsatzsteuer ist entgegen dem Beschwerdevorbringen, es sei lediglich ein Rechenfehler unterlaufen, eindeutig ein unrichtiger Subsumtionsvorgang zu entnehmen (vgl. § 3 Abs. 6 NÖ KanalG 1977 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl 8230-0: "Die Ergänzungsgebühr ergibt sich aus dem Differenzbetrag zwischen der Gebühr für den Bestand NACH DER ÄNDERUNG und der Gebühr für den Bestand vor der Änderung, wobei beide Gebühren nach dem bei Entstehung der Gebührenschuld geltenden Einheitssatz zu berechnen sind"). Die Ermittlung der jeweiligen Berechnungsfläche hätte gemäß § 3 Abs. 2 NÖ KanalG 1977 erfolgen müssen (vgl. hiezu insbesondere dessen ersten Satz, welcher lautet: "Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, daß die Hälfte der verbauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschosse multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unverbauten Fläche vermehrt wird").

Davon, daß der unterlaufene Fehler als eine auf einem offenbaren Versehen beruhende Unrichtigkeit für die mitbeteiligte Partei klar zutage getreten wäre, kann keine Rede sein. Die Abgabenbehörde erster Instanz hat nämlich in ihrem Abgabenbescheid vom 31. Oktober 1983 nicht einmal - wie dies auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt - die entscheidungswesentliche Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 6 NÖ KanalG 1977 (Ergänzungsgebühr) angeführt; auch liegt bei diesem Abgabenbescheid kein erkennbares Auseinanderklaffen von Bescheidabsicht und formeller Erklärung des Bescheidwillens vor, da die mitbeteiligte Partei den im Spruch mit Schreibmaschinschrift vorgeschriebenen Abgabenbetrag von S 153.240,-- exklusive Umsatzsteuer (ursprünglich durch die Datenverarbeitungsanlage ausgewiesener Betrag: S 320.400,--) anhand der in der Begründung dargelegten Berechnungsmethode schlüssig nachvollziehen konnte.

2.5. Wenn die belangte Vorstellungsbehörde somit im angefochtenen Bescheid von der Unzulässigkeit der Berichtigung des Abgabenbescheides vom 31. Oktober 1983 ausgegangen ist, so hat sie sich auch im Rahmen der ihrem rechtskräftigen, kassatorischen Vorstellungsbescheid vom 18. Oktober 1988 zugrundegelegten Rechtsanschauung gehalten, deren Bindungswirkung sich bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht nur auf die Gemeindebehörden, sondern auch auf die Vorstellungsbehörde selbst und den Verwaltungsgerichtshof erstreckt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes z.B. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971, Slg. NF Nr. 8091/A, und das Erkenntnis vom 5. Dezember 1991, Zl. 89/17/0245). Auch unter diesem verfahrensrechtlichen Gesichtspunkt erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

2.6. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.7. Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

2.8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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