VwGH 89/13/0113

VwGH89/13/011320.6.1990

H gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. Mai 1989, Zl. 6/4-4090/88-03, betreffend Einkommensteuer 1982 (Berichtigung gemäß § 293 BAO).

Normen

AVG §62 Abs4 impl;
BAO §119;
BAO §293;
AVG §62 Abs4 impl;
BAO §119;
BAO §293;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.636,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Gesellschafter einer Ges.m.b.H. & Co KG. Für das Jahr 1982 erklärte er u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen (Sparbuchzinsen) in Höhe von S 203.139,--.

Im Zuge einer Betriebsprüfung bei der KG wurde ein gesonderter Bericht betreffend den Beschwerdeführer für die Jahre 1979 bis 1982 erstellt. Weder in diesem Bericht noch in der Niederschrift über die Schlußbesprechung (§ 149 Abs. 1 BAO) wurden bei Ermittlung der Einkommensteuerbemessungsgrundlage für das Kalenderjahr 1982 Einkünfte aus Kapitalvermögen ausgewiesen. (Auch bezüglich der übrigen geprüften Jahre wurden keine solche Einkünfte ausgewiesen.)

Der Beschwerdeführer gab einen Rechtsmittelverzicht ab, der auch den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1982 betraf. Dieser erging mit Datum vom 11. Juli 1983 und wies ebenfalls keine Einkünfte aus Kapitalvermögen aus.

Mit Ausfertigungsdatum 28. Juli 1987 erließ das Finanzamt einen gemäß § 293 BAO berichtigten Einkommensteuerbescheid 1982, in dem die ursprünglich vom Beschwerdeführer erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen enthalten waren. Der Bescheid enthielt den Hinweis, daß er nicht an die Stelle des Bescheides vom 11. Juli 1983 trete, sondern nur einen Ausfertigungsfehler betreffend die Einkünfte aus Kapitalvermögen berichtige.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Eine gemäß § 293 BAO berichtigungsfähige Unrichtigkeit liege nicht vor. Vielmehr handle es sich um einen Fehler im Bereich des Zustandekommens des Bescheidwillens.

Im Zuge des Berufungsverfahrens stellte die belangte Behörde fest, daß das betreffende Sparbuch seinerzeit vom Betriebsprüfer eingesehen worden war, und daß sich Kopien davon bei den Arbeitsunterlagen befanden.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Der Prüfer habe die erklärten Sparbuchzinsen "irrtümlich auf Grund eines Flüchtigkeitsfehlers vergessen". Dies werde vor allem durch den Umstand bekräftigt, daß weder im Betriebsprüfungsbericht betreffend die KG noch im gesonderten Bericht Feststellungen bezüglich der Sparbuchzinsen getroffen worden seien. Es habe sich "offenbar um eine Erinnerungslücke des Betriebsprüfers" gehandelt. Der Fehler sei für den Beschwerdeführer erkennbar gewesen, denn schließlich habe dieser die Sparbuchzinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt. Das Unterschreiben des Rechtsmittelverzichtes dürfte daher dem Beschwerdeführer sehr leicht gefallen sein.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 293 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde in ihrem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler und andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeiten berichtigen.

Wie der Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, sollte mit dieser Bestimmung die Möglichkeit geschaffen werden, Fehler zu berichtigen, die in einem Auseinanderklaffen von tatsächlichem Bescheidwillen und formeller Erklärung des Bescheidwillens bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1986, Zl. 85/13/0076, und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Fehler, die der Abgabenbehörde im Zuge ihrer Willensbildung unterlaufen, sind hingegen nicht berichtigungsfähig im Sinne des § 293 BAO.

Im Beschwerdefall hat die Abgabenbehörde die erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht in die Einkommensteuerbemessungsgrundlage miteinbezogen, obwohl für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Betriebsprüfung durchgeführt wurde und dem Prüfer die betreffenden Unterlagen bekannt waren. Die belangte Behörde führt dies auf eine "Erinnerungslücke" des Prüfers zurück. Erinnerungslücken sind dem Begriff des Vergessens zuzuordnen.

Die Willensbildung einer bescheiderlassenden Behörde ist ein Denkprozeß, dessen Ergebnis als Bescheidwille in Erscheinung tritt. Fakten, die während dieses Denkprozesses in Vergessenheit geraten sind, können nicht Gegenstand der Willensbildung sein. Sie führen vielmehr, soweit sie für den Denkprozeß relevant wären, zu einer unrichtigen oder unvollständigen Willensbildung, deren unmittelbare Auswirkung auf den jeweiligen Bescheid auch dann nicht gemäß § 293 BAO berichtigt werden kann, wenn der Fehler in der Willensbildung klar zu Tag tritt, wie dies z.B. bei einem offensichtlich rechtswidrigen Bescheid der Fall ist.

Im Beschwerdefall liegt ein solcher Fehler vor. Auch die belangte Behörde geht davon aus, daß nicht bloß ein Übertragungsfehler, sondern ein echtes Vergessen des Betriebsprüfers Ursache dafür war, die erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht in die Einkommensteuerbemessungsgrundlage miteinzubeziehen. Dies wird durch den Betriebsprüfungsbericht und die über die Prüfung aufgenommene Niederschrift verdeutlicht. Die gemäß § 149 Abs. 1 BAO abzuhaltende Schlußbesprechung hat den Zweck, den Abgabepflichtigen vom Ergebnis der Betriebsprüfung in Kenntnis zu setzen. Dazu gehört in erster Linie das Ausmaß der festzusetzenden Abgaben. Die über die Schlußbesprechung aufzunehmende Niederschrift liefert gemäß § 88 BAO Beweis über den Gegenstand und den Verlauf dieser Amtshandlung und damit über das Ergebnis der Betriebsprüfung.

Im Beschwerdefall war daher der Abgabenbehörde spätestens im Zeitpunkt der Schlußbesprechung der auf Vergeßlichkeit zurückzuführende Fehler in der Abgabenbemessung unterlaufen. Auch aus diesem Grund kann von einer der Abgabenbehörde ERST "IN IHREM BESCHEID" unterlaufenen Unrichtigkeit nicht die Rede sein. Daran ändert der Umstand nichts, daß der Beschwerdeführer möglicherweise das Vergessen der Abgabenbehörde erkannte; denn selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte für ihn keine rechtliche Verpflichtung bestanden, die Abgabenbehörde an die vollständige Erfassung der Abgabenbemessungsgrundlage zu "erinnern", weil er alle maßgebenden Fakten offengelegt hatte.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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