VwGH 90/10/0011

VwGH90/10/001118.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. November 1989, Zl. MA 63-W 62/88/Str., betreffend Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, zu Recht erkannt:

Normen

LMKV §1 Abs1;
LMKV §1;
LMKV §3 Z10 litd;
LMKV §3 Z9 litc;
LMKV §4 Abs1 Z28;
VStG §1 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs2;
LMKV §1 Abs1;
LMKV §1;
LMKV §3 Z10 litd;
LMKV §3 Z9 litc;
LMKV §4 Abs1 Z28;
VStG §1 Abs1;
VStG §44a lita;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. November 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe

"es als Vorstandsmitglied und somit als zur Vertretung der X AG. nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 176/1983 zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 8. Oktober 1987 durch Lieferung von der Zentrale in Y, ... an

die Filiale in A ... ein von ihr verpacktes Lebensmittel, und

zwar eine Packung Eier-Suppennudeln zu 500 g, in Verkehr gesetzt hat, das insofern nicht entsprechend den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973-LMKV 1973, BGBl. Nr. 627, gekennzeichnet war, als die wahlweise Angabe des Kennzeichnungselementes nach § 3 Z. 9 lit. c (der Zeitpunkt der Verpackung in unverschlüsselter Form, bestimmt nach dem Jahr) oder der Kennzeichnungselemente nach § 3 Z. 10 lit. d (der Zeitpunkt, bis zu dem das Lebensmittel bei Einhaltung der angegebenen Lagerbedingungen mindestens haltbar ist, in unverschlüsselter Form, bestimmt nach dem Jahr) zusätzlich mit § 3 Z. 12 (der Zeitpunkt der Verpackung in verschlüsselter Form - bestimmt nach Tag, Monat und Jahr - oder die Chargennummer) fehlte."

Dadurch seien folgende Rechtsvorschriften verletzt worden:

§ 74 Abs. 5 Z. 1 in Verbindung mit § 77 Abs. 1 Z. 19 des Lebensmittelgesetzes 1975 und § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Z. 28 LMKV 1973. Über den Beschwerdeführer wurde deshalb eine Geldstrafe von S 700,-- verhängt (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden).

Zur Begründung des Schuldspruches führte die belangte Behörde aus, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte mangelhafte Kennzeichnung stehe auf Grund des unbedenklichen Anzeigegutachtens der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Salzburg vom 19. November 1987 außer Zweifel. Diese Tatsache könne durch die vom Beschwerdeführer und dem Zeugen B angestellten theoretischen Überlegungen, wonach es unvorstellbar sei, daß die zur Anbringung der Kennzeichnung verwendete Maschine eines von mehreren Kennzeichnungselementen nicht aufdrucke, nicht widerlegt werden. Der Beschwerdeführer sei Mitglied des Vorstandes der X AG und somit zu deren Vertretung nach außen berufen. Er habe zwar seine Verantwortlichkeit mit dem Einwand bestritten, daß er die Verantwortung für die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen in der Teigwarenfabrik der Gesellschaft, in der es zur mangelhaften Kennzeichnung gekommen sei, dem Betriebsdirektor B als verantwortlichem Beauftragten übertragen habe. Da aber zum Beweis dafür eine erst aus der Zeit nach der Tat stammende Urkunde (vom 27. Dezember 1988) vorgelegt worden sei, sei die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die gegenständliche Tat beim Beschwerdeführer verblieben. Es sei ihm auch nicht gelungen glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Er habe sich nämlich nicht entsprechend der ihm obliegenden Verpflichtung zumindest durch Stichproben persönlich davon überzeugt, daß B den ihm erteilten Auftrag, unter anderem für die Richtigkeit und Vollständigkeit der in der Teigwarenfabrik verpackten Lebensmittel zu sorgen, auch tatsächlich befolge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und darin die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde ihre Annahme des Fehlens des in Rede stehenden Kennzeichnungselements ausschließlich auf das Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Salzburg vom 19. November 1987 gestützt, jedoch nicht - wie beantragt - geprüft habe, ob auf der betreffenden Packung zumindest noch die Einprägung dieses Kennzeichnungselements sichtbar sei. Letzteres wäre ein tauglicher Hinweis darauf gewesen, daß die Ware die zum Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers zählende Teigwarenfabrik der X AG einwandfrei gekennzeichnet verlassen habe und daß erst danach die Farbkomponente der Kennzeichnung infolge "Mißhandlung der Packung auf Lager, Transport oder in der Selbstbedienung der Filiale" (etwa durch Abrubbeln) abhanden gekommen sei. Daß der ihm vorgeworfene Kennzeichnungsmangel bereits bei Auslieferung der Ware durch die Teigwarenfabrik bestanden habe, sei technisch auszuschließen, weil die Anbringung sämtlicher Kennzeichnungselemente in EINEM Arbeitsgang und vollautomatisch erfolge.

Dieses Vorbringen ist insofern berechtigt, als sich die belangte Behörde bei der Begründung der besagten Annahme jedenfalls nicht schon mit dem Hinweis auf das Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung begnügen durfte. Denn dieses Gutachten konnte naturgemäß nur den Zustand der Ware beschreiben, in dem sich diese bei der Begutachtung befand. Darüber, ob dieser Zustand schon bei der im Schuldspruch angeführten Lieferung der Ware an die Filiale der Gesellschaft am 8. Oktober 1987 gegeben war - auf die Frage des hier relevanten Lieferzeitpunktes wird noch gesondert eingegangen werden -, sagt dieses Gutachten nichts aus. Der Beschwerdeführer hat bereits im Verwaltungsverfahren auf die - nicht von vornherein auszuschließende - Möglichkeit hingewiesen, daß die Farbkomponente des angeblich fehlenden Kennzeichnungselements auch aufgrund von Manipulationen nach der Auslieferung der Ware durch die Teigwarenfabrik abhanden gekommen sein könnte und daß nach seiner Meinung der angenommene Kennzeichnungsmangel nur so erklärbar sei. Dies hätte die belangte Behörde veranlassen müssen, in der Begründung darzulegen, weshalb sie ungeachtet des Vorbringens des Beschwerdeführers angenommen hat, der aufgrund der Probeziehung am 22. Oktober 1987 festgestellte Kennzeichnungsmangel sei bereits bei der Auslieferung der Ware vorgelegen.

Unter Hinweis auf seine Kompetenz als Vorstandsmitglied der X AG für die Erzeugungsbetriebe der Gesellschaft und damit auch für deren Teigwarenfabrik in Y, in welcher die gegenständliche Ware abgepackt wurde, meint der Beschwerdeführer, diese sei laut Lieferschein am 8. Oktober 1987 vom Zentralwarenlager der Gesellschaft in Y in die Filiale nach A geliefert worden. Es fehlten aber Ermittlungen und Feststellungen über den Verpackungszeitpunkt und die Auslieferung der Ware in das außerhalb seiner Kompetenz gelegene Zentralwarenlager der Gesellschaft.

Mit diesem Vorbringen macht der Beschwerdeführer der Sache nach geltend, daß als Tathandlung die Auslieferung der Ware durch die Teigwarenfabrik anzusehen sei, nicht jedoch die Lieferung vom Zentralwarenlager an die Filiale. Er ist damit im Recht.

Bei der Verwaltungsübertretung gemäß § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG 1975 durch Zuwiderhandeln gegen die Kennzeichnungspflichten der LMKV 1973 handelt es sich um ein Unterlassungsdelikt, welches den Eintritt eines Erfolges nicht erfordert (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 1981, Zl. 81/10/0111, mit weiteren Judikaturhinweisen). Dieses Erkenntnis betraf einen mit dem vorliegenden insofern vergleichbaren Fall, als es auch damals um zwei dem (damaligen) Beschwerdeführer gehörende Betriebe (einen Erzeugungs- und einen Verkaufsbetrieb) ging. Dabei stellte sich die Frage, ob die nach der LMKV 1973 relevante Tathandlung im Feilhalten der mangelhaft gekennzeichneten Ware im Verkaufsbetrieb oder aber in deren Lieferung vom Erzeugungsbetrieb an den Verkaufsbetrieb bestand. Der Gerichtshof hielt das letztere für zutreffend. Die Ware sei bereits dadurch im Sinne des § 1 Abs. 1 LMKV 1973 "sonst in Verkehr gesetzt" worden, daß sie vom Erzeugungsbetrieb in das Verkaufsgeschäft geliefert worden sei. Der Beschwerdeführer sei verpflichtet, in dem Moment, in dem eine von ihm hergestellte und verpackte Ware seinen Erzeugungsbetrieb verlasse, für deren vollständige und richtige Kennzeichnung zu sorgen. Dabei sei völlig unerheblich, ob sie in das von seiner Frau geleitete Verkaufsgeschäft oder zu einem sonstigen Wiederverkäufer gehe. Die Verwaltungsübertretung sei daher bereits am Sitz des Erzeugungsbetriebes und in dem Augenblick begangen worden, als die Ware an das Verkaufsgeschäft expediert worden sei. Ergänzend ist dazu festzuhalten, daß mit dem "Inverkehrsetzen" der nicht gesetzmäßig gekennzeichneten Ware das strafbare Verhalten abgeschlossen ist (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1982, Zl. 1731/79).

Auf den vorliegenden Fall angewendet folgt daraus, daß nicht die Lieferung vom Zentralwarenlager der Gesellschaft an ihre Filiale - daß es am 8. Oktober 1987 um eine solche Lieferung ging, hat der Beschwerdeführer in seiner Rechtfertigung vom 6. Oktober 1988 (Seite 2, Punkt 1.) und in seiner Berufung (Seite 6) der Sache nach behauptet - als jene Handlung anzusehen ist, durch die die gegenständliche Ware im Sinne des § 1 Abs. 1 LMKV 1973 "sonst in Verkehr gesetzt" worden ist, sondern bereits die Auslieferung von der Teigwarenfabrik der Gesellschaft an deren Zentralwarenlager. Auf dem Boden dieser Rechtslage wäre daher zunächst der Zeitpunkt dieser Auslieferung klarzustellen gewesen. Dies hat die belangte Behörde unterlassen; der angefochtene Bescheid enthält keinerlei Ausführungen zu dieser Frage. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher derzeit nicht abschließend zu beurteilen, ob es sich bei der im Schuldspruch genannten Lieferung "von der Zentrale in Y" um die Auslieferung durch die Teigwarenfabrik oder aber durch das Zentralwarenlager der Gesellschaft gehandelt hat. Im letzteren Falle wäre der angefochtene Bescheid nach dem oben Gesagten schon wegen unrichtiger Tatanlastung mit Rechtswidrigkeit behaftet. (Der Vollständigkeit halber sei dazu bemerkt: Auf dem Boden der - verfehlten - Annahme, Tathandlung sei die Lieferung vom Zentralwarenlager an die Filiale, hätte es im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer behauptete und unter Beweis gestellte Beschränkung seiner Verantwortlichkeit auf die Erzeugungsbetriebe der Gesellschaft - damit wurde eine Beschränkung seiner Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 2 ERSTER SATZ letzter Halbsatz zweiter Fall VStG 1950 geltend gemacht - näherer Ausführungen darüber bedurft, weshalb die belangte Behörde glaubte, von der Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers auch für das Zentralwarenlager ausgehen zu können. Die diesbezüglichen Erörterungen im angefochtenen Bescheid beschränken sich auf die Delegation der Verantwortung des Beschwerdeführers im Sinne des ZWEITEN SATZES des § 9 Abs. 2 VStG 1950.)

Infolge des aufgezeigten Verfahrensmangels ist der maßgebende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben. Da dieser Verfahrensmangel offenbar auf das Nichterkennen der hier maßgebenden Rechtslage durch die belangte Behörde zurückzuführen ist, ist der angefochtene Bescheid, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden muß, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung genügte die Vorlage EINER Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, weshalb dem Beschwerdeführer für Beilagen nur der Ersatz der darauf entfallenden Stempelgebühr zusteht.

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