VwGH 81/10/0111

VwGH81/10/01119.11.1981

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Mag. Öhler, Mag. Onder, Dr. Hnatek und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberrat Mag. Dr. Paschinger, über die Beschwerde des FW in W, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien VII, Mariahilferstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 30. Juli 1981, Zl. VII/3-13/IX/297-1980, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §60;
LMG 1975 §74 Abs6;
LMKV §1 Abs1;
LMKV §3 Z18;
LMKV §3 Z19;
LMKV §4 Abs1 litc;
LMKV §6 lita;
VStG §27 Abs1;
VStG §31;
VStG §32;
AVG §60;
LMG 1975 §74 Abs6;
LMKV §1 Abs1;
LMKV §3 Z18;
LMKV §3 Z19;
LMKV §4 Abs1 litc;
LMKV §6 lita;
VStG §27 Abs1;
VStG §31;
VStG §32;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfange seiner Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag, die Beschwerde dem Verfassungsgerichtshof abzutreten, wird zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.385,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Lebensmittelinspektion des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung zog im Verkaufsgeschäft des Beschwerdeführers in Waidhofen/Ybbs am 31. Juli 1979 aus der Kühlvitrine eine Probe vakuumverpackter Berner-Würstel, welche laut bisher unbestrittener und unwiderlegter Behauptung des Beschwerdeführers im Erzeugungsbetrieb des Beschwerdeführers in X, Bezirk Amstetten, am 27. Juli 1979 erzeugt und verpackt worden war. Das Datum des Bezuges der Ware durch das Verkaufsgeschäft in Waidhofen/Ybbs wurde im Probenbegleitschreiben nicht ausgefüllt. Die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung, welcher die Probe zur Untersuchung eingesandt worden war, gelangte in ihrem Gutachten vom 19. Mai 1980 zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Probe um verpackte Ware handle, die den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, BGBl. Nr. 627 (in der Folge: LMKV 1973), unterliege und dass die Kennzeichnungselemente nach § 3 Z. 1, 2, 3, 5, 8, 9 a, 10 a, 18 und 19 LMKV 1973 fehlten. Dieses Anzeigegutachten übermittelte der Lebensmittelinspektionsdienst des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung am 27. Juni 1980 dem Magistrat der Stadt Waidhofen/Ybbs, welcher am 2. Juli 1980 dem Beschwerdeführer die Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter vom 30. Juni 1980 zustellte. In dieser wurde dem Beschwerdeführer folgende Tat zur Last gelegt:

"Es wird Ihnen zur Last gelegt, die von Ihnen erzeugte und am 31. 7. 1979 in Ihrem Betrieb in Waidhofen/Ybbs, zur Untersuchung entnommene Packung Berner-Würstel lt. Gutachten d. Bundesanstalt

f. Lebensmitteluntersuchung und -forschung in 1090 Wien v. 19. 5. 1980 nicht mit der handelsüblichen Sachbezeichnung, Namen und Sitz des Erzeugers, dem Füllgewicht, der Roheinwaage d. wertbestimmenden Bestandteile, den Lagerbedingungen, dem unverschlüsselten Zeitpunkt der Verpackung nach Tag, Monat und Jahr, der Aufbrauchsfrist nach Tag u. Monat, dem Verzeichnis d. Bestandteile u. dem im Lebensmittelgesetz enthaltenen Zusatzstoffen gekennzeichnet (siehe beigeschlossene Fotokopien) und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 (LMKV 1973) iVm § 3 Z. 1, 2, 3, 5, 8, 9a, 10a, 18 und 19 LMKV 1973 begangen zu haben."

Da innerhalb der für die Rechtfertigung bestimmten Frist eine solche beim Magistrat der Stadt Waidhofen/Ybbs nicht einlangte, erließ dieser - wohl für den Bürgermeister (vgl. Art. 119 Abs. 2 B-VG) - ein mit 30. Juli 1980 datiertes Straferkenntnis, in welchem der Beschwerdeführer der ihm in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 30. Juni 1980 angeführten Tat und der darnach verwirklichten Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür mit Geld in der Höhe von S 1.000,-- Ersatzarreststrafe zwei Tage - bestraft wurde. In der Begründung dieses Straferkenntnisses ging die Behörde erster Instanz davon aus, dass es sich bei der Probe um verpackte Ware gehandelt habe und an dieser die im Spruch angeführten Kennzeichnungselemente gefehlt haben. Noch vor Zustellung dieses Straferkenntnisses an den Beschwerdeführer langte bei der Behörde erster Instanz eine Rechtfertigung des Beschwerdeführers ein, in der geltend gemacht wurde, dass Kennzeichnungspflicht für die Verpackung zu innerbetrieblichen Zwecken nicht vorgesehen sei, die vorliegende Ware jedoch nur zur besseren Haltbarkeit vakuumverpackt im Geschäft gelagert worden sei, jedoch unter der gleichen Auszeichnung wie die übrigen Wurstwaren offen verkauft worden sei.

Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht Berufung gegen das Straferkenntnis, in der er geltend machte, dass ihm lediglich zur Last gelegt worden sei, er hätte die von ihm (am 27. Juli 1979) erzeugte und in seinem Betrieb (am 31. Juli 1979) entnommene Probe nicht ausreichend gekennzeichnet. Dieser Sachverhalt erfülle keinen strafbaren Tatbestand, weil § 1 Abs. 1 LMKV 1973 nur die Verpflichtung vorsehe, "verkaufte, feilgehaltene oder sonstige in Verkehr gesetzte" Lebensmittel den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechend zu kennzeichnen. Seit der Eröffnung des Erzeugungsbetriebes in X sei der Beschwerdeführer - zufolge der großen Entfernung - nur noch für diesen, nicht aber mehr für das bloße Verkaufsgeschäft in Waidhofen/Ybbs verantwortlich; die lebensmittelrechtliche Verantwortung für die dort feilgehaltenen Waren treffe allein die Ehegattin des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer könne überhaupt nur im Zeitpunkt der Erzeugung (und der Lieferung) am 27. Juli 1979 eine Verwaltungsübertretung begangen haben, nicht jedoch am 31. Juli 1979. Es werde ihm daher eine Tat angelastet, die er, zeitlich und örtlich, nicht begangen haben könne. Außerdem machte der Beschwerdeführer Verjährung mit der Begründung geltend, dass die Verjährungsfrist sechs Monate betrage.

Mit Bescheid vom 30. Juli 1981, Zl. VII/3-13/IX/297-1980, entschied der Landeshauptmann von Niederösterreich (in der Folge: belangte Behörde) über diese Berufung wie folgt:

1) Er gab der Berufung, was den Vorwurf des Fehlens des Kennzeichnungselementes gemäß § 3 Z. 1 LMKV 1973 (handelsübliche Sachbezeichnung) betrifft, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 Folge, behob das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt und stellte das Verwaltungsstrafverfahren insofern gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG 1950 ein; gemäß § 65 VStG 1950 legte er dem Beschwerdeführer für das Berufungsverfahren keine Kosten auf.

2) Im übrigen wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis nach dieser Gesetzesstelle mit der Maßgabe, dass sein Spruch wie folgt zu lauten habe:

"Der Beschuldigte FW, ist dafür verantwortlich, dass die von ihm am 27. Juli 1979 erzeugten und verpackten Berner-Würstel, die am 31. Juli 1979 in seinem Verkaufsbetrieb in Waidhofen/Ybbs, zum Verkauf feilgehalten und damit in Verkehr gesetzt wurden, nicht im vollen Umfang des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 gekennzeichnet waren, da folgende Kennzeichnungselemente fehlten: § 3 Z. 2, 3, 5, 8, 9a, 10a, 18 und 19. Der Beschuldigte hat dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 1 in Verbindung mit § 77 Abs. 1 Z. 19 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl. Nr. 86/1975, und § 1 Abs. 1 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, BGBl. Nr. 627/1973, begangen."

Demzufolge verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG 1975 eine Geldstrafe von S 800,--, an deren Stelle gemäß § 16 Abs. 1 VStG 1950 im Nichteinbringungsfall eine Arreststrafe in der Dauer von 40 Stunden zu treten hat.

Die belangte Behörde begründete diesen Bescheid folgendermaßen:

Richtig sei der Einwand des Beschwerdeführers, dass das Inverkehrsetzen nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung enger auszulegen sei, als das Inverkehrbringen nach dem Lebensmittelgesetz. Aus diesem Grund sei auch eine Verbesserung des Spruches vorgenommen worden, aus der sich für den Beschwerdeführer jedoch kein Entlastungsmoment gewinnen lasse; es sei dadurch nur klargestellt worden, dass die beanstandete Ware auch tatsächlich in Verkehr gesetzt worden war und damit der Kennzeichnungspflicht nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung unterlag. Aus dem im Probebegleitschreiben angeführten Auffindungsort (Kühlvitrine) ergebe sich nämlich eindeutig, dass die Ware zum Verkauf feilgehalten worden sei. Aber nicht nur aus dieser Tatsache und dem seitens des Beschwerdeführers unbestritten gebliebenen Sachverhalt ergebe sich dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit, sondern vor allem aus der Bestimmung des § 6 lit. a LMKV 1973. Darnach sei für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Kennzeichnung von verpackten Lebensmitteln der Erzeuger verantwortlich. Der Beschwerdeführer gebe zu, dass die Ware von ihm erzeugt worden sei, wende aber gleichzeitig ein, dass die lebensmittelrechtliche Verantwortlichkeit für die dort feilgehaltenen Waren seine Gattin träfe. Diese könne aber gemäß § 6 lit. a LMKV 1973 für Übertretungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden. Vielmehr wäre der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, in dem Moment, in dem eine von ihm hergestellte und verpackte Ware seinen Erzeugungsbetrieb verlässt, für eine vollständige und richtige Kennzeichnung dieser Waren zu sorgen. In diesem Augenblick sei nämlich die Ware in Verkehr gesetzt, wobei es völlig unerheblich sei, ob sie in das von seiner Frau geleitete Verkaufsgeschäft oder zu einem sonstigen Wiederverkäufer gehe. Von einer Verpackung zu innerbetrieblichen Zwecken könne man nämlich ab der Auslieferung der Ware nicht mehr sprechen, da diese Ausnahmebestimmung nur bei räumlicher Identität zwischen dem Erzeugungs- und Verkaufsbetrieb oder bei sonstigen bloßen Transportpackungen Platz greifen könne; letztere Verpackungsart sei jedoch vom Beschwerdeführer nicht eingewendet worden. Infolge der Verpackung der Ware (Klarsichtbeutel) habe die Angabe der handelsüblichen Sachbezeichnung entfallen können (§ 5 Abs. 1 lit. b LMKV 1973), da das darin enthaltene Lebensmittel ohne weiteres erkennbar gewesen und sowohl vom Lebensmittelaufsichtsorgan im Probebegleitschreiben als auch im amtlichen Untersuchungszeugnis der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung als "Berner-Würstel" bezeichnet worden sei. Daher sei der Berufung in diesem Punkt Folge zu geben, die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen und die Strafe entsprechend herabzusetzen gewesen. Das Fehlen der übrigen Kennzeichnungselemente werde vom Beschwerdeführer nicht bestritten, objektiv liege daher ein Verstoß gegen die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung vor. Nach den getroffenen Feststellungen sei der Beschwerdeführer auch in subjektiver Hinsicht für diesen strafbaren Sachverhalt verantwortlich. Verjährung liege nicht vor, da dem § 74 Abs. 6 LMG 1975 durch die Verwaltungsstrafgesetz-Novelle 1977 nicht derogiert worden sei.

Die Beschwerde richtet sich, wie ihrem Gesamtinhalt entnommen werden kann, nur gegen den verurteilenden Abschnitt (oben unter Punkt 2. wiedergegeben) dieses Bescheides. Der Beschwerdeführer erachtet sich insofern in seinem Recht nach § 1 Abs. 1 VStG 1950, nur wegen eines dem Tatbestand der ihm angelasteten Übertretung entsprechenden Verhaltens bestraft zu werden, in seinem Recht nach § 31 Abs. 1 VStG 1950, nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr verfolgt zu werden, und in seinem Recht nach § 27 Abs. 1 VStG 1950, nicht von einer unzuständigen Behörde verfolgt zu werden, verletzt. Er behauptet Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit des Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb Aufhebung des Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 77 Abs. 1 Z. 19 LMG 19 bleibt die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 als Bundesgesetz so lang weiter in Kraft, bis ihren Gegenstand regelnde Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes in Wirksamkeit getreten sind. Dieser Fall ist bisher nicht eingetreten. Gemäß § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG 1975 macht sich, wer den Bestimmungen der im § 77 Abs. 1, Z. 1, 3, 4 bis 16 oder 18 bis 21 angeführten Rechtsvorschriften zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen.

Gemäß § 74 Abs. 6 LMG 1975 ist die Verfolgung einer Person wegen einer der in den Abs. 1 bis 5 angeführten Verwaltungsübertretungen unzulässig, wenn gegen sie binnen Jahresfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen wurde. Gemäß § 1 Abs. 1 LMKV 1973 sind verpackte Lebensmittel, sofern sie im Inland gewerbsmäßig verkauft, feilgehalten oder sonst in Verkehr gesetzt werden, entsprechend den Bestimmungen dieser Verordnung zu kennzeichnen. Verpackt im Sinne des Abs. 1 sind gemäß Abs. 2 des § 1 LMKV 1973 alle Lebensmittel, die in Behältnissen oder Packungen (Einzelstücke, Überverpackungen) abgefüllt oder abgepackt und zur Abgabe an Letztverbraucher bestimmt sind. Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c LMKV 1973 unterliegen der Kennzeichnungspflicht unbeschadet der Bestimmungen des § 5 bei Fleisch, Fleischerzeugnissen sowie Erzeugnissen mit einem Zusatz von Fleisch oder Fleischerzeugnissen, soweit der Zusatz nicht nur der Garnierung dient, sonstige Waren im Umfang des § 3 Z. 1, 2, 3, 5, 6, 7, 8, 9 lit. a 10 lit. a, 13, 18 und 19. Gemäß § 5 Abs. 1 ist nicht erforderlich

a) die Angabe zu einem Kennzeichnungselement (§ 3), das für ein Lebensmittel im Einzelfall nicht zutrifft, sowie

b) die Angabe der handelsüblichen Sachbezeichnung (§ Z. 1), wenn das Lebensmittel durch seine Form, Aufmachung Art der Verpackung unzweifelhaft erkennbar ist. Gemäß § 6 lit. a LMKV 1973 sind unbeschadet ihrer Verantwortlichkeit gemäß § 7 Abs. 2 und 3 für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Kennzeichnung von verpackten Lebensmitteln der Verpacker, bei Lohnaufträgen der Auftraggeber und bei Importware der Importeur verantwortlich.

Die belangte Behörde ist zu Recht von der Geltung der einjährigen Verjährungsfrist des § 74 Abs. 6 LMG 1975 ausgegangen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1980, Zlen. 1390/80 und 1694/80).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen verstärkter Senate vom 19. Oktober 1978, Slg. Nr. 9664/A, und vom 2. Juli 1979, Zl. 1781/77, zum Ausdruck gebracht hat, muss sich eine behördliche Verfolgungshandlung, um den Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist zu unterbrechen, auf alle für das Verwaltungsstrafverfahren maßgebenden Sachverhaltselemente derart beziehen, dass alle Tatbestandselemente der einem Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erfasst sind. Außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist dürfen Tatbestandselemente nicht weggelassen, hinzugefügt oder ausgetauscht werden. Die Behörde muss somit in einer innerhalb der Frist zur Verfolgungsverjährung erfolgten Verfolgungsbehandlung klargestellt haben, welche bestimmten Vorwürfe gegen den Beschuldigten erhoben werden. Dieser muss in die Lage versetzt sein, die von ihm für ungerecht gehaltenen Vorwürfe zu bekämpfen und zu den Sachverhaltselementen, die als für den Ausgang des Strafverfahrens maßgebende zu betrachten sind, Beweisanträge zu stellen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1980, Zl. 2041/78).

Diese Voraussetzungen erfüllten in Ansehung der dem Beschwerdeführer durch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid angelastete Tathandlung die Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter vom 30. Juni 1980; diese nahm nämlich auf das Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung vom 19. Mai 1980, welches in Fotokopie beigeschlossen war, ausdrücklich Bezug. Solcherart stellte die verfolgende Behörde klar, dass sie den aus dieser beigeschlossenen Urkunde ersichtlichen Sachverhalt zum Gegenstand der Verfolgung wegen der in der Aufforderung unter Bezugnahme auf die betreffenden Stellen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 näher bezeichneten Verwaltungsübertretung mache. Aus dem Anzeigegutachten war ersichtlich, dass der Beschwerdeführer der Erzeuger der beanstandeten Probe war, die Erzeugung am 27. Juli 1979 erfolgte, die Ware daher bis zur Probenziehung am 31. Juli 1979 vom Erzeugungsbetrieb in den Verkaufsbetrieb geliefert worden sein muss, dass es sich um verpackte Ware im Sinne der LMKV 1973 handle und welche Kennzeichnungselemente anzubringen unterlassen worden sei. Eine weitere Konkretisierung war zur Identifizierung der unter Verfolgung gesetzten Tathandlung des Beschwerdeführers nicht erforderlich.

Die Behauptung in der Beschwerde, es habe der Verfolgungshandlung durch Aufforderung zur Rechtfertigung vom 30. Juni 1980 an der individualisierten Beschreibung der Tathandlung gefehlt, steht daher mit dem Verwaltungsgeschehen nicht in Einklang.

Da die erwähnte Verfolgungshandlung innerhalb der vom 27. Juli 1979 an zu berechnenden einjährigen Frist zur Verfolgungsverjährung lag, ist Verfolgungsverjährung nicht eingetreten.

Dem Beschwerdeführer ist allerdings einzuräumen, dass hinsichtlich der von der belangten Behörde vermissten Kennzeichnungselemente nach § 3 Z. 18 und 19 LMKV 1973 mangels entsprechender Ermittlungen und Feststellungen im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. a LMKV 1973 nicht beurteilen lässt, ob eine Angabe zu diesen Kennzeichnungselementen für das betreffende Lebensmittel im Einzelfall überhaupt zutrifft. Die belangte Behörde hat nämlich ebenso wie die Behörde erster Instanz nicht festgestellt, ob die Berner-Würstel, die als Probe gezogen wurden, Bestandteile im Sinne des § 3 Z. 18 LMKV 1973 und Zusatzstoffe im Sinne des § 3 Z. 19 LMKV 1973 enthalten und - bejahendenfalls - welcherart diese sind. Zum Begriff des Bestandteiles im Sinne des § 3 Z. 18 LMKV 1973 wird auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 1979, Zl. 756/78, und vom 25. September 1979, Zl. 1933/ 78, hingewiesen. Diese Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes nimmt jedoch der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 30. Juni 1980 nicht die Eigenschaft ausreichender Individualisierung der unter Verfolgung gestellten Tat.

Die belangte Behörde ließ den Sachverhalt noch in einem weiteren wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig. Von der belangten Behörde wurde, wie der Begründung des angefochtenen Bescheides einwandfrei zu entnehmen ist, zutreffend erkannt, dass die Ware, die schließlich als Probe gezogen wurde, bereits dadurch im Sinne des § 1 Abs. 1 LMKV 1973 "sonst in Verkehr gesetzt" worden war, dass sie vom Beschwerdeführer aus seinem Erzeugungsbetrieb, für den er selbst seine Verantwortlichkeit ausdrücklich in der Berufung zugegeben hatte, am 27. Juli 1979 an das Verkaufsgeschäft in Waidhofen/Ybbs, für welches der Beschwerdeführer seine Verantwortlichkeit bestritten hat, geliefert worden war. Die belangte Behörde verweist nämlich ausdrücklich darauf, dass der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen wäre, in dem Moment, in dem eine von ihm hergestellte und verpackte Ware seinen Erzeugungsbetrieb verlässt, für eine vollständige und richtige Kennzeichnung dieser Ware zu sorgen; in diesem Moment sei nämlich die Ware in Verkehr gesetzt, wobei es völlig unerheblich sei, ob sie in das von seiner Frau geleitete Verkaufsgeschäft oder zu einem sonstigen Wiederverkäufer gehe. Das durch § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG 1975 zur Verwaltungsübertretung erklärte und mit Strafe bedrohte Zuwiderhandeln gegen die LMKV 1973 besteht nämlich in der Unterlassung vorschriftsmäßiger Kennzeichnung verpackter Lebensmittel, sofern diese im Inland gewerbsmäßig verkauft, feilgehalten oder sonst in Verkehr gesetzt werden.

Wie sich aus § 1 Abs. 1 und 2 LMKV 1973 ergibt, besteht die Kennzeichnungspflicht bloß für solche Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, in Österreich verpackt an den Verbraucher abgegeben zu werden, Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, in Österreich unverpackt an Letztverbraucher abgegeben zu werden, unterliegen auch dann nicht der LMKV 1973, wenn sie für den Wiederverkäufer verpackt wurden (vgl. die Erläuterungen zur LMKV 1973, IV B 2, Seite 1, in Barfuß-Pindur-Smolka, österreichisches Lebensmittelrecht - 6. Lfg.).

Vom Beschwerdeführer war nun in seiner Rechtfertigung vom 31. Juli 1980 ausdrücklich geltend gemacht worden, dass die Ware dazu bestimmt gewesen sei, offen unter der gleichen Auszeichnung wie die übrigen Wurstwaren verkauft zu werden; die Ware sei nur zur besseren Haltbarkeit vakuumverpackt im Geschäft gelagert worden. Damit hatte der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass es sich bei der gezogenen Probe entgegen der Meinung im Anzeigegutachten und entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz nicht um verpackte Ware im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 LMKV 1973 gehandelt habe, weil das Lebensmittel nicht dazu bestimmt gewesen sei, verpackt an den Letztverbraucher abgegeben zu werden. Da vom Beschwerdeführer in der Folge Berufung gegen das Straferkenntnis erhoben worden war, wäre die belangte Behörde gemäß § 25 Abs. 2 VStG 1950 diesen zur Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstand zu berücksichtigen verpflichtet gewesen. Sie hätte daher im Sinne des § 60 AVG 1950 zu begründen gehabt, warum sie entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass die Ware dazu bestimmt gewesen sei, in verpacktem Zustand an den Letztverbraucher abgegeben zu werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Beschwerdeverfahren nicht zu beurteilen, ob zur Widerlegung dieser Rechtfertigung ein Hinweis auf die im Anzeigegutachten geschilderte Aufschrift auf der Verpackung " ... Vakuumpackung-Inhalt 15 Minuten vor Gebrauch entnehmen" ausgereicht hätte.

Auch dieser Verfahrensmangel wird jedoch durch die inhaltliche Rechtswidrigkeit, die in weiterer Folge noch dargelegt wird, in den Hintergrund gedrängt.

Dem Beschwerdeführer ist nicht beizustimmen, wenn er die Ansicht vertritt, der Tatzeitpunkt sei im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend konkretisiert worden. Sowohl zur Individualisierung der Tat als auch zur Beurteilung der Verjährungsfrage reicht nämlich im Beschwerdefall die Kenntnis aus, dass die Tathandlung in der Zeit vom 27. Juli 1979 bis zur Probenziehung am 31. Juli 1979 begangen worden sein muss. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall daher von jenem, welcher dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juli 1980, Zl. 1113/79, zu Grunde lag.

Bei der Verwaltungsübertretung gemäß § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG 1975 durch Zuwiderhandeln gegen die Kennzeichnungspflichten der LMKV 1973 handelt es sich, wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. Februar 1979, Zl. 2099/78, und vom 23. Oktober 1979, Zl. 3258/78) um ein Unterlassungsdelikt, welches den Eintritt eines Erfolges nicht erfordert. Ein solches Delikt wird zu der Zeit und an dem Ort begangen, zu der und an dem der Täter hätte handeln sollen (vgl. § 67 StBG). Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass, wie bereits oben ausgeführt, die Verwaltungsübertretung durch den Beschwerdeführer als dem gemäß § 6 lit. a LMKV 1973 Verantwortlichen (Verpacker) bereits am Sitz seines Erzeugungsbetriebes in dem Augenblick begangen worden war, als die Ware an das Verkaufsgeschäft in Waidhofen/Ybbs expediert worden war.

Die belangte Behörde irrt daher, wenn sie in ihrer Gegenschrift die Ansicht vertritt, das Feilhalten im Verkaufsgeschäft in Waidhofen/Ybbs sei der für Zeit und Ort der Begehung des dem Beschwerdeführer anlastbaren Unterlassungsdeliktes entscheidende Anknüpfungspunkt. Mit dieser Ansicht setzt sich die belangte Behörde selbst in Widerspruch. Zur Begründung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdeführer wäre in dem Moment, wo eine von ihm hergestellte und verpackte Ware seinen Erzeugungsbetrieb verlässt, für eine vollständige und richtige Kennzeichnung dieser Ware Sorge zu tragen verpflichtet gewesen. In diesem Moment sei nämlich die Ware in Verkehr gesetzt.

Vom Beschwerdeführer war nun ausdrücklich in der Berufung darauf hingewiesen worden, dass sein Erzeugungsbetrieb, in welchem die von ihm verpackte Ware hergestellt worden war, in X liege. Die Richtigkeit dieser Behauptung wird in der Gegenschrift nicht angezweifelt, obwohl im Probenbegleitschreiben der Erzeuger mit "Fleischwarenerzeugung W in W" angegeben ist.

Gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Ist danach die Zuständigkeit mehrerer Behörden begründet oder ist ungewiss, in welchem Sprengel die Übertretung begangen worden ist, so ist gemäß § 27 Abs. 2 VStG 1950 die Behörde zuständig, die zuerst eine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen hat. Ungewissheit darüber, in welchem Sprengel die Übertretung begangen worden ist, wurde von der belangten Behörde nicht behauptet. Zur Zeit liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich nicht mehr aufklären ließe, dass die Tathandlung im Erzeugungsbetrieb in X begangen wurde.

Sollte aber diese Behauptung des Beschwerdeführers in seiner Berufung zutreffen, so wäre das Straferkenntnis durch eine örtlich unzuständige Behörde erster Instanz erlassen worden und die belangte Behörde deshalb verpflichtet gewesen, das vor ihr mit Berufung angefochtene Straferkenntnis aufzuheben, weil der Beschwerdeführer ansonsten in seinem Recht auf Beachtung der örtlichen Zuständigkeitsordnung im Sinne des § 27 Abs. 1 VStG 1950 verletzt würde.

Die zur Beurteilung der Zuständigkeitsfrage erforderlichen Ermittlungen und Feststellungen wurden von der belangten Behörde offensichtlich deshalb unterlassen, weil von der belangten Behörde auf Grund einer unrichtigen Rechtsansicht nicht erkannt worden war, dass als Ort der Begehung der Verwaltungsübertretung der anzusehen ist, an dem der Beschwerdeführer die Ware durch Auslieferung aus seinem Erzeugungsbetrieb, in welchem die Verpackung vorgenommen worden war, in Verkehr gesetzt hatte, und nicht der Ort des Feilhaltens der Ware im Verkaufsgeschäft (Kühlvitrine).

Da die Rechtslage von der belangten Behörde daher verkannt und solcherart ihr Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet wurde, musste dieser gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1 und 2 lit. a, 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Der Beschwerdeführer hat den Antrag gestellt, die Beschwerde "für den Fall, dass der Gerichtshof die Verletzung eines einfachgesetzlichen Rechtes erkennen sollte", dem Verfassungsgerichtshof "wegen Verletzung des Verfahrens auf den gesetzlichen Richter (Art. 83 B-VG)" abzutreten.

Da weder das Bundes-Verfassungsgesetz noch ein einfaches Gesetz einen solchen Abtretungsantrag und eine ihm entsprechende Abtretung kennen, war der deshalb unzulässige Abtretungsantrag zurückzuweisen.

Wien, am 9. November 1981

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