Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
VStG §25 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
VStG §25 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 21. März 1989 um 09.00 Uhr an einem näher bezeichneten Ort in Wien einen dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw gelenkt und sei an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen; er habe nicht sofort angehalten und es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Sicherheitsdienststelle von diesem Verkehrsunfall in Kenntnis zu setzen. Der Beschwerdeführer habe hiedurch Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. a und § 99 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit § 4 Abs. 5 StVO begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzarreststrafen) verhängt.
Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde ihre Annahme, er habe den ihm zur Last gelegten Sachverhalt verwirklicht, im wesentlichen ausschließlich auf die Aussage einer unbekannt gebliebenen Zeugin stütze. Die Angaben über die Informationsaufnahme der Aufforderin seien widersprüchlich.
Hiezu ergibt sich aus dem Akteninhalt folgendes:
Laut der Anzeige vom 21. März 1989 hat die Aufforderin sinngemäß angegeben, sie sei von einer Nachbarin angerufen worden, daß ein Lkw die Hausmauer gestreift habe. Kennzeichen, Marke, Type oder Farbe des Lkws seien ihr nicht genannt worden.
Einem Bericht vom 12. April 1989 ist zu entnehmen, "den Erhebungen zufolge" sei die Beschädigung durch den vom Beschwerdeführer gelenkten Lkw, dessen Kennzeichen angeführt wurde, verursacht worden. Um welche Erhebungen sich hiebei handelte, ist nicht ersichtlich.
In einem Bericht vom 11. Juli 1989 wurde festgehalten, Zeugen seien nicht eruierbar, da laut Aufforderin eine Frau ohne Namensnennung angerufen habe.
Am 18. Juli 1989 sagte die Aufforderin als Zeugin aus, sie habe sich zum Unfallszeitpunkt im Haus befunden und sei von Passanten vom Vorfall verständigt worden, ihr sei auch mitgeteilt worden, daß eine Nachbarin den Vorfall gesehen habe. Sie habe diese Zeugin, die namentlich nicht genannt sein möchte, ausfindig machen können. Die Zeugin habe ihr erzählt, daß zur Tatzeit ein Lkw der Firma S vor ihrem Haus "hingefahren" sei. Durch einen genau gegenüber am Gehsteig abgestellten Pkw sei die Fahrbahn sehr beengt gewesen. Außerdem befänden sich dort zwei Schwellen der Wohnstraße.
Richtig ist somit, daß die Darstellungen, wie die Aufforderin im einzelnen zu ihren Informationen gelangt ist, einige Abweichungen aufweisen. Dies wäre für sich allein betrachtet noch nicht bedenklich, zumal der Beschwerdeführer nicht bestritten hat, zur fraglichen Zeit am Tatort gewesen zu sein. Es ist auch nicht von vornherein unzulässig, Wahrnehmungen nicht vernommener Personen zu verwerten, weil ein Beweis vom Hörensagen dem österreichischen Verwaltungsverfahren nicht fremd ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 1990, Zl. 90/18/0137). Hingegen kann der in der Gegenschrift vertretenen Auffassung der belangten Behörde, es sei gleichgültig, aus welchen Gründen immer ein Tatzeuge nicht direkt befragt werden könne, nicht beigepflichtet werden. Nach den Angaben der Aufforderin wollte die von ihr als Tatzeugin genannte Person namentlich nicht genannt werden; ein anderes Hindernis, das einer Vernehmung entgegenstünde, besteht offenbar nicht. Der Grundsatz, daß es in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren keine geheimen Beweismittel gibt, auf die in der Anonymität gehaltene Gewährsleute hinausliefen, duldet aber keine Ausnahme (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1984, Zl. 83/10/0238, Slg. 11.285/A).
Im übrigen ist die von der Aufforderin bei ihrer Zeugenvernehmung wiedergegebene mittelbare Unfallschilderung nur undeutlich. Zwar ist danach ein Lkw vor das Haus "hingefahren"; die Wahrnehmung einer hiebei erfolgten Hausbeschädigung ist daraus aber nicht zu entnehmen. Den Ausführungen der belangten Behörde, es wäre im Rahmen der Beweiswürdigung durchaus statthaft gewesen, den - bloß mittelbaren - Angaben der Person, die den Unfall beobachtet habe und die klar und nachvollziehbar seien, mehr Glauben zu schenken als den unpräzisen Angaben des Beifahrers, er hätte nichts gemerkt, kann der Gerichtshof unter den gegebenen Umständen nicht zustimmen. Vielmehr hält er solche Erwägungen im Zuge der ihm zustehenden Beweiswürdigungskontrolle (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht für schlüssig.
Bei dieser Beweislage war es nicht entbehrlich, den vom Beschwerdeführer gelenkten Lkw auf korrespondierende Beschädigungen bzw. Reparaturspuren zu untersuchen. Zum Zeitpunkt des Berichtes vom 12. April 1989, als das Kennzeichen bereits bekannt war, wäre dies durchaus noch sinnvoll gewesen. Wenn die belangte Behörde meint, sie könne nichts mehr daran ändern, daß die Erstbehörde entsprechende Feststellungen unterlassen hat, so kann dies nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen.
Somit erweist sich die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers als berechtigt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war. Auf das weitere Beschwerdevorbringen mußte nicht mehr eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Für die überzählige dritte Beschwerdeausfertigung besteht kein Anspruch auf Stempelgebührenersatz.
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