Normen
AVG §10 Abs2 impl;
AVG §10 Abs2;
AVG §13a;
AVG §33 Abs3;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1989180093.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 8. März 1989 wurde der Antrag des Beschwerdeführers "auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 5.7.1988 wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung" der Bundespolizeidirektion Wien "vom 11.2.1988, AZ Pst. 1048/Mg/88, .... gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 abgewiesen".
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe den Einspruch gegen die Strafverfügung dem KH übergeben, um ihn, sowie eine Mehrzahl anderer Poststücke, auf die Post bringen zu lassen, und durch ein Versehen des Genannten sei der Einspruch jedoch nicht zur Aufgabe gelangt, entgegnete die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides, daß dem Genannten lediglich die Qualifikation eines Boten zukomme, wobei es sich um ein reines Innenverhältnis (Auftrag) handle, welches nach außen nicht in Erscheinung trete. Versäume der Bote den Auftrag, so könne darin für die Partei nur dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, das ohne ihr Verschulden die Einhaltung der Frist verhindere, erblickt werden, wenn sie der ihr zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Überwachungspflicht nachgekommen sei. Daß der Beschwerdeführer dies getan habe, gehe aus der Aktenlage jedoch nicht hervor, zumal er nicht einmal behauptet habe, sich von der rechtzeitigen Postaufgabe durch den Boten überzeugt zu haben. Wäre der Beschwerdeführer nämlich seiner Überwachungspflicht nachgekommen, dann hätte er sich bei seinem Boten erkundigen müssen, ob er tatsächlich das Poststück am 19. Februar 1988 aufgegeben habe, und den Aufgabeschein verlangen müssen. Dann wäre der Berufungswerber noch an diesem Tag oder in den Folgetagen daraufgekommen, daß der Einspruch nicht zur Post gegeben worden sei, wobei die Einspruchsfrist am 17. Februar 1988 begonnen habe und daher bis 2. März 1988 gelaufen sei. Der Beschwerdeführer sei daher seiner Überwachungspflicht eindeutig nicht nachgekommen und es treffe ihn daher ein Verschulden an der Versäumung der Frist.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950, welcher zufolge § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen.
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend die Auffassung vertreten, daß das Versäumnis eines Boten für die Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellt, das ohne ihr Verschulden die Einhaltung der Frist verhindert, wenn sie der zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Überwachungspflicht nachgekommen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. November 1978, Slg. N.F. Nr. 9706/A).
Um dieser Verpflichtung zu entsprechen, hätte sich der Beschwerdeführer nicht darauf beschränken dürfen, den Boten zu fragen, "ob alle Briefe aufgegeben wurden", was von diesem bejaht worden sei, sondern hätte von dem Boten, wovon auch die belangte Behörde mit Recht ausgegangen ist, jenen Aufgabeschein verlangen müssen, der sich auf die den Einspruch enthaltende Postsendung bezogen hat, um sich davon zu überzeugen, daß der Bote diese Sendung tatsächlich aufgegeben hat. Daß der Einspruch nicht mittels eingeschriebenen Briefes erhoben worden ist, hat der Beschwerdeführer nie behauptet und stünde auch im Widerspruch damit, daß sowohl der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Wiedereinsetzungsantrag als auch die Berufung gegen den abweisenden erstinstanzlichen Bescheid mittels eingeschriebener Briefe der Behörde übermittelt worden sind. Dem Beschwerdeführer ist daher von der belangten Behörde mit Recht als eine schuldhafte Verletzung seiner Überwachungspflicht angelastet worden, daß er sich von dem Boten nicht den Aufgabeschein aushändigen ließ, um sich solcherart Gewißheit zu verschaffen, daß der Einspruch tatsächlich zur Post gegeben worden ist. Im Hinblick auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen ist in diesem Zusammenhang noch zu ergänzen, daß der belangten Behörde keine im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wesentliche, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden kann, wenn sie das geschilderte Vorbringen des Beschwerdeführers, der ja nicht einmal behauptet hatte, vom Boten den Aufgabeschein verlangt zu haben, ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat, da der Beschwerdeführer nicht dargetan hat und auch für den Gerichtshof nicht zu erkennen ist, inwiefern die belangte Behörde unter Zugrundelegung der dargestellten Sach- und Rechtslage zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, wenn sie dem vom Beschwerdeführer in der Berufung gestellten Antrag auf "Aufnahme der Bescheinigungsmittel" entsprochen hätte, zumal diese nicht näher präzisiert worden sind und auch eine allfällige Einvernahme des genannten Boten angesichts des Umstandes entbehrlich war, daß der Beschwerdeführer gar nicht behauptet hatte, von diesem den in Rede stehenden Aufgabeschein verlangt zu haben. Im übrigen ist auch der Vorwurf aktenwidriger Feststellungen unbegründet, wenn man davon ausgeht, daß der Beschwerdeführer zum wesentlichen Sachverhalt in seiner Berufung lediglich vorgebracht hatte, seine "Rückfrage, ob alle Briefe aufgegeben wurden", sei "bejaht worden".
Ferner verkennt der Beschwerdeführer das Wesen der Manuduktionspflicht im Sinne des § 13a AVG 1950, da sich daraus nicht die Verpflichtung der Behörde ergibt, inhaltliche Mängel von Parteieingaben aus der Welt zu schaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1986, Zlen. 86/07/0065, 0066).
Schließlich bleibt noch festzuhalten, daß es dahingestellt bleiben kann, ob die erwähnte Verletzung der Überwachungspflicht des Beschwerdeführers als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren ist, weil es darauf im Zusammenhang mit der im Beschwerdefall maßgebenden Regelung des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 - anders als etwa nach § 46 Abs. 1 VwGG für den Bereich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. in diesem Zusammenhang das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1985, Slg. Nr. 10.367) - nicht ankommt.
Die belangte Behörde hat den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers daher zu Recht abgewiesen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Damit erübrigte sich eine Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Wien, am 10. November 1989
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