VwGH 89/16/0154

VwGH89/16/015418.4.1990

Land Niederösterreich gegen Präsidenten des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 15. Juni 1989, Zl. Jv 1512 - 33a/89, betreffend Gerichtsgebühren

Normen

ABGB §684;
GebG 1957 §2 Z2;
GGG 1984 §10 Z2;
GGG 1984 TP1;
GJGebG 1962 §10 Z2;
PSchG NÖ 1973 §46 Abs2;
VwGG §13 Abs1;
ABGB §684;
GebG 1957 §2 Z2;
GGG 1984 §10 Z2;
GGG 1984 TP1;
GJGebG 1962 §10 Z2;
PSchG NÖ 1973 §46 Abs2;
VwGG §13 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird zurückgewiesen.

Begründung

Aus den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Am 22. Oktober 1986 war beim Kreisgericht .... (in der Folge: KG) die - im Rubrum einleitend den Hinweis "Gebührenfrei gem. § 10 Zif. 2 GJGG" enthaltende - Klage des (in der Folge als Beschwerdeführer bezeichneten) Landes Niederösterreich gegen eine (durch die erbserklärten Erben vertretene) Verlassenschaft wegen Herausgabe und Zahlung eingelangt. Bei der Tatsachenangabe dieser Klage waren u.a. nachstehende Ausführungen gemacht worden:

Die am 30. August 1985 verstorbene (in der Folge als

Erblasserin bezeichnete) Pensionistin .... habe in ihrer - ein

Testament und Vermächtnisse umfassenden - Erklärung des letzten

Willens vom 22. April 1976 u.a. der .... - schule ... (in der

Folge: Schule) - eine Sonderschule, deren gesetzlicher Schulerhalter der Beschwerdeführer sei, - einen bestimmten Bargeldbetrag, einen Fernsehapparat, ihr Girokontoguthaben und mehrere bestimmte Sparbuchguthaben vermacht.

Der letzte Wille der Erblasserin sei in vorstehend angeführtem Zusammenhang so auszulegen, daß der gesetzliche Schulerhalter als Vermächtnisnehmer anzusehen sei, da die Schule selbst nicht Rechtssubjekt sei. Der Beschwerdeführer stelle sicher, daß das Vermächtnis ausschließlich der Schule zugute komme.

Diese Klage (samt Vorsitzendenbeschluß gemäß § 243 Abs. 1 und 4 ZPO in der Fassung durch Art. IV Z. 42 lit. b der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. Nr. 135) war den erbserklärten Erben am 3. November 1986 zugestellt worden. Die Klagebeantwortungsfrist war versäumt worden. Eine Klagebeantwortung war auch nach Fristablauf nicht eingebracht worden.

Im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob (im Sinne der Begründung des im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheides der belangten Behörde) diese Klage der Pauschalgebühr nach TP 1 des gemäß § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs unterliegt oder (wie der Beschwerdeführer vermeint) auf Grund des § 10 Z. 2 GGG nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Z. 2 GGG sind die Länder und die Gemeinden (einschließlich der Sozialhilfeverbände) im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises von der Zahlung der Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren befreit.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (siehe z.B. die in gleicher Weise wie die in der Folge zitierten Erkenntnisse gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführten Erkenntnisse vom 3. September 1987, Zl. 86/16/0067, ÖSTZB 4/1988, S. 122, vom 10. März 1988, Zlen. 87/16/0059, 0060, 0093, ÖStZB 19/1988, S. 420, und vom 28. Juni 1989, Zl. 88/16/0081) dargetan hat, ist dieser Wirkungskreis nicht mit den Aufgaben einer Gebietskörperschaft ident, die der Hoheitsverwaltung zuzurechnen sind, sondern umfaßt darüber hinausgehend einen Teil der sogenannten Privatwirtschaftsverwaltung mit. Die Abgrenzung ist darin zu erblicken, daß nur jener Teil der Privatwirtschaftsverwaltung dem öffentlich-rechtlichen Wirkungskreis zuzurechnen ist, der in der Ausführung einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgt, mit anderen Worten: die persönliche Gebührenbefreiung des § 10 Z. 2 GGG setzt voraus, daß die Gebietskörperschaft im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung Tätigkeiten entwickelt, die innerhalb des Kreises der gesetzlich geregelten Pflichtaufgaben der betreffenden Gebietskörperschaft liegen, d.h. sie muß eine Tätigkeit entfalten, zu der sie in Besorgung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben unmittelbar durch Gesetz verpflichtet ist.

Nun haben nach § 8 Abs. 1

Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, BGBl. Nr. 163/1955 (in

der hier maßgebenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 160/1987), die gesetzlichen Schulerhalter - als die auf Grund des § 1 Abs. 3 dieses Bundesgesetzes das Land, die Gemeinden oder die Gemeindeverbände zu bestimmen sind - für die Kosten der Errichtung, Erhaltung und Auflassung der öffentlichen Pflichtschulen (zu denen nach § 1 Abs. 1 dieses Bundesgesetzes die vom gesetzlichen Schulerhalter errichteten und erhaltenen Sonderschulen gehören) aufzukommen.

Die im vorliegenden Fall maßgebenden Ausführungsvorschriften enthält das NÖ Pflichtschulgesetz (in der hier wesentlichen Fassung LGBl. 5000-6), gemäß dessen § 3 Abs. 1 Z. 1 das Land u.a. für Sonderschulen gesetzlicher Schulerhalter ist, der nach § 3 Abs. 2 erster Satz für die Kosten der Errichtung, Erhaltung und Auflassung der Schulen aufzukommen und für ihre ordnungsgemäße Unterbringung Sorge zu tragen, sowie das Schulvermögen zu verwalten hat. Auf Grund des § 44 Abs. 1 stellen die Kosten der Schulerhaltung den Schulaufwand (der gemäß § 44 Abs. 2 durch Schulerhaltungsbeiträge oder Schulumlagen auf Grund der Verpflichtung gemäß § 5 zu decken ist) dar. Der Berechnung der Schulerhaltungsbeiträge und der Schulumlagen ist nach § 46 Abs. 2 der durch andere Einnahmen für Schulzwecke (Subventionen, Schenkungen usw.) nicht gedeckte Schulaufwand zugrundezulegen. Auf Grund des § 49 hat das Land als gesetzlicher Schulerhalter u.a. den Schulaufwand für Sonderschulen zu tragen.

Insbesondere der oben angeführte § 46 Abs. 2

NÖ Pflichtschulgesetz (in der zitierten Fassung) enthält nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes eine dem Land Niederösterreich unmittelbar auferlegte Verpflichtung, auch einen für Schulzwecke bestimmten Erwerb von Todes wegen gegebenenfalls auch gerichtlich geltend zu machen, da es sonst zu einer gesetzwidrigen Berechnung der Schulerhaltungsbeiträge und der Schulumlagen käme.

Zur Vermeidung von Mißverständnissen ist an dieser Stelle ergänzend folgendes zu bemerken:

Für das Vermächtnis sind Anfallstag und Zahlungstag auseinanderzuhalten. Das Recht des Legatars entsteht zwar mit dem Anfall, es wird jedoch erst mit dem Zahlungstag fällig. Anfallstag ist der Todestag des Erblassers (§ 684 ABGB). Das Vermächtnis wird mit dem Anfall zur Gänze erworben. Der Zahlungstag tritt regelmäßig erst ein Jahr später ein, wobei der Todestag des Erblassers nicht zu rechnen ist (siehe z.B. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts, Band II8, Wien 1988, S. 355 f).

Im Sinne der oben zu § 46 Abs. 2 NÖ Pflichtschulgesetz (in der zitierten Fassung) gemachten Ausführungen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits auf Grund des § 10 Z. 2 GJGebGes 1962, dessen Wortlaut dem des § 10 Z. 2 GGG gleicht, die persönliche Gebührenfreiheit einer Gemeinde im Zusammenhang mit deren Verteidigung ihres Rechtes auf Benützung einer Schiabfahrt bejaht (siehe das in dem bereits angeführten - zu § 10 Z. 2 GGG ergangenen - Erkenntnis vom 28. Juni 1989 als Begründungselement angeführte Erkenntnis vom 25. Februar 1963, Zl. 513/61, Slg. Nr. 2809/F) und die Prozeßtätigkeit einer Gemeinde als Nebenintervenientin auf Seite einer klagenden Partei im Zusammenhang mit der Anschaffung der zur Abwasserbeseitigung erforderlichen technischen Hilfsmittel als eine in ihren öffentlich-rechtlichen Wirkungskreis fallende Aufgabe angesehen (siehe das Erkenntnis vom 13. März 1986, Zl. 86/16/0034, ÖStZB 24/1986, S. 432). In gleicher Weise hat der Verwaltungsgerichtshof schon zur Bestimmung des § 10 Z. 2 GJGebGes (BGBl. Nr. 75/1950) dargetan, daß die Hereinbringung der Verpflegskosten für einen Pflegling in einem Landeskrankenhaus durch das betreffende Land zu dessen öffentlich-rechtlichen Wirkungskreis gehört (siehe das Erkenntnis vom 4. Dezember 1957, Zlen. 1748, 1749/57).

Ganz abgesehen davon, daß es keines verstärkten Senates im Sinne des § 13 VwGG bedarf, wenn das neue Erkenntnis auf Grund eines formell ganz neuen - auch inhaltlich dem alten entsprechenden - Gesetzes ergeht (siehe z.B. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dessen Erkenntnisse vom 2. Februar 1979, Zlen. 766, 948/78, Slg. Nr. 5341/F, vom 20. Jänner 1981, Zl. 2566/79, Slg. Nr. 10344/A, und vom 10. Dezember 1985, Zl. 85/14/0078, Slg. Nr. 6055/F), scheint die belangte Behörde bei ihrem Hinweis auf das - (wie bereits vorstehend dargetan) im übrigen vereinzelt gebliebene - Erkenntnis vom 15. Februar 1966, Zl. 1176/65, Slg. Nr. 3411/F, zu übersehen, daß es in dem damals zu überprüfenden Fall um die Pauschalgebühr für die Verlassenschaftsabhandlung und um die Eintragungsgebühr zum Erwerb des Eigentums im Zusammenhang mit der im Belieben der betreffenden Gemeinde gestandenen Annahme einer Erbschaft ging und diese damals beschwerdeführende Gemeinde auch nicht in der Lage war, eine ihre Pflicht zur Annahme begründende Verwaltungsvorschrift zu nennen.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Bestimmung des § 10 Z. 2 GGG zu Unrecht von einer rechtmäßigen Festsetzung der eingangs angeführten Pauschalgebühr gemäß TP 1 in dem betreffenden Zahlungsauftrag des Kostenbeamten des KG vom 24. März 1989 ausging, bedarf es hier nicht der Wiedergabe und Erörterung des zur Frage des nach § 31 GGG (in der Fassung durch Art. I des Bundesgesetzes vom 5. Juni 1987, BGBl. Nr. 292) festgesetzten bzw. bestätigten Mehrbetrages erstatteten - im vorliegenden Fall allerdings schon mangels eines Verfahrenshilfeantrages zu Unrecht auf § 31 Abs. 4 GGG gestützten - Beschwerdevorbringens.

Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes - hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes in beantragter Höhe - gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das auf Zuerkennung von Aufwandersatz für Leistungen betreffend Stempelgebühren für die vorgelegte - jedoch bereits am 12. Mai 1982 dem Vertreter ausgestellte - Vollmacht gerichtete Mehrbegehren ist gemäß § 59 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 3 zweiter Satz VwGG zurückzuweisen.

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