VwGH 86/16/0067

VwGH86/16/00673.9.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde des Landes Oberösterreich, vertreten durch den Landeshauptmann, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Linz vom 12. Februar 1986, Zl. Jv 4036-33/85, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art17;
GGG 1984 §10 Z2;
MusikschulG OÖ 1977 §1 Abs1;
MusikschulG OÖ 1977 §2 Abs1;
B-VG Art17;
GGG 1984 §10 Z2;
MusikschulG OÖ 1977 §1 Abs1;
MusikschulG OÖ 1977 §2 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Auf Grund eines Beschlusses der oberösterreichischen Landesregierung vom 1. Juni 1981 hatte das Land Oberösterreich (die nunmehrige beschwerdeführende Partei) mit Kaufvertrag vom 30. Juni/20. Juli 1981 von der "XY" gemeinnützige Bau- und Siedlungs-Gesellschaft m.b.H. den Anspruch auf Übereignung von 6.377/1,000.000 Anteilen (mit bereits untrennbar verbundenem Wohnungseigentum an der Einheit top.Nr. 612 b im Ausmaß von 353,54 m2 zuzüglich neun Pkw-Abstellplätzen im Ausmaß von je 12,50 m2) der Liegenschaft EZ. 500 des Grundbuches der KG. Z um einen Kaufpreis von insgesamt S 7,301.952,48 erworben. In Punkt XVI. dieses Kaufvertrages war von beiden Teilen festgestellt worden, daß diese Anteile vom Land Oberösterreich für Zwecke der Errichtung von Amts- und Schulräumen für das O.ö. Landesmusikschulwerk erworben worden seien.

Im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist ausschließlich die Frage streitentscheidend, ob (im Sinne der von der beschwerdeführenden Partei im Verfahren nach dem GEG 1962 und in der Beschwerde vertretenen Auffassung) die beschwerdeführende Partei gemäß § 10 Z. 2 GGG von der Zahlung der für die Eintragung zum Erwerb dieses Eigentums nach TP 9 C. lit. b) Z. 1 des auf Grund des § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs vorgesehenen Gebühr befreit ist oder ob dies (im Sinne des von der belangten Behörde - Präsident des Landesgerichtes Linz - bei der Erlassung des im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheides und in der Gegenschrift eingenommenen Rechtsstandpunktes) nicht zutrifft.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 GGG sind von der Zahlung der Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren befreit:

1. Der Bund, die öffentlich-rechtlichen Fonds, deren Abgang der Bund zu decken hat, und die im jeweiligen Bundesfinanzgesetz bezeichneten Monopol- und Bundesbetriebe;

2. die übrigen Gebietskörperschaften (einschließlich der Sozialhilfeverbände) im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises;

3 . ...

Nach § 1 Abs. 1 des O.ö. Musikschulgesetzes, LGBl. für Oberösterreich Nr. 28/1977, errichtet und betreibt das Land Oberösterreich das O.ö. Landesmusikschulwerk gemäß den folgenden Bestimmungen unter Beachtung allfälliger sonstiger landesgesetzlicher oder bundesgesetzlicher Bestimmungen.

Auf Grund des § 1 Abs. 2 dieses Landesgesetzes ist es das Ziel des O.ö. Landesschulwerkes, breiten Kreisen der Bevölkerung eine musikalische Ausbildung zu ermöglichen, besonders Begabte auf den Besuch musikalischer Lehreinrichtungen höherer Stufe vorzubereiten und das Gemeinschaftsmusizieren zu fördern.

Gemäß § 2 Abs. 1 dieses Landesgesetzes ist das O.ö. Landesschulwerk eine Einrichtung des Landes Oberösterreich ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Das O.ö. Landesmusikschulwerk gliedert sich in die Landesmusikschulen. Diese sind in Orten zu errichten, die einen ausreichend großen Einzugsbereich aufweisen, soweit unter Bedachtnahme auf den O.ö. Musikschulplan (§ 14) ein Bedarf nach der Errichtung einer Musikschule besteht. Unter sinngemäß gleichen Voraussetzungen sind im Bereich von Landesmusikschulen Zweigstellen zu errichten.

Nach § 2 Abs. 2 dieses Landesgesetzes führt der im Amt der Landesregierung mit der Leitung des O.ö. Landesmusikschulwerkes betraute fachlich befähigte Bedienstete die Funktionsbezeichnung "Direktor des O.ö. Landesmusikschulwerkes". In seinen Aufgabenbereich fallen insbesondere auch die Koordinierung und die Überwachung der Landesmusikschulen in fachlicher Hinsicht sowie Maßnahmen hinsichtlich der Fortbildung der Lehrpersonen und der Begabtenförderung.

Auf Grund des § 14 Abs. 1 dieses Landesgesetzes hat die Landesregierung über die geeignetste Form der Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen von Musikschulen eine Fachplanung durch ein Raumordnungsprogramm für diesen Sachbereich im Sinne des § 9 Abs. 3 des O.ö. Raumordnungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1972, zu erstellen (O.ö. Musikschulplan).

Gemäß § 14 Abs. 3 des O.ö. Musikschulgesetzes ist eine Weiterentwicklung des Musikschulwesens in Richtung auf die Erfüllung des O.ö. Musikschulplanes anzustreben.

Auch wenn man davon ausgeht, daß das Land Oberösterreich durch sein - ohne eigene Rechtspersönlichkeit (!) - von ihm eingerichtetes O.ö. Landesschulwerk nicht im Wege der Hoheitsverwaltung Vorschriften zu vollziehen hat (siehe in diesem Sinne z.B. Walter-Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechts 2, Wien 1987, S. 125 oben), dann ist damit noch keineswegs gesagt, der hier in Rede stehende Eigentumserwerb sei nicht im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises des Landes Oberösterreich erfolgt. Dieser Wirkungskreis ist nämlich nicht mit den Aufgaben einer Gebietskörperschaft ident, die der Hoheitsverwaltung zuzurechnen sind, sondern umfaßt darüber hinausgehend einen Teil der sogenannten Privatwirtschaftsverwaltung mit. Die Abgrenzung ist darin zu erblicken, daß nur jener Teil der Privatwirtschaftsverwaltung dem öffentlich-rechtlichen Wirkungskreis zuzurechnen ist, der in der Ausführung einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgt (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. März 1975, Zl. 2205/74, Slg. Nr. 4806/F, sowie die dort zitierte Judikatur und Literatur), mit anderen Worten: die persönliche Gebührenbefreiung des § 10 Z. 2 GGG, dessen Wortlaut dem des § 10 Z. 2 GJGebGes 1962 gleicht, setzt voraus, daß die Gebietskörperschaft im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung Tätigkeiten entwickelt, die innerhalb des Kreises der gesetzlich geregelten Pflichtaufgaben der betreffenden Gebietskörperschaft liegen (siehe z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1972, Zlen. 1015 u.a./71, und vom 20. Oktober 1972, Zl. 1592/71, beide ÖStZB 1973/8, S. 90), d.h. sie muß eine Tätigkeit entfalten, zu der sie in Besorgung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben unmittelbar durch Gesetz verpflichtet ist (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1986, Zl. 86/16/0034, ÖStZB 1986/24, S. 432)

Schon aus den oben zitierten Bestimmungen des O.ö. Musikschulgesetzes ergibt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig, daß das Land Oberösterreich auf Grund dieses Gesetzes u.a. unmittelbar verpflichtet ist, für die Unterbringung des O.ö. Landesmusikschulwerkes zu sorgen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung gehört aber auch der hier in Rede stehende Eigentumserwerb. Entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Auffassung genügt für die Gebührenfreiheit nach § 10 Z. 2 GGG eine Verpflichtung eines Landes durch ein Landesgesetz als sogenanntes "Selbstbindungsgesetz" (siehe z.B. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, Wien 1985, S. 100, Abs. 2), sodaß es keiner Verpflichtung eines Landes durch das B-VG oder durch ein Bundesgesetz bedarf.

Auf Grund der vorstehend angestellten Erwägungen ist der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 3. September 1987

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