Normen
GJGebG 1962 §10 Z2;
GJGebG 1962 §10 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Lage der Akten hatte der Kostenbeamte des Handelsgerichtes Wien der beschwerdeführenden Partei, die in der Rechtssache der klagenden Partei Entsorgungsbetriebe Simmering Gesellschaft m.b.H. & Co KG. wider die beklagten Parteien INOR S.A., Paris, und von RollAG, Gerlafingen, Schweiz, (10 Cg 7/83 des Handelsgerichtes Wien), auf Seite der klagenden Partei als Nebenintervenient eingetreten war, Gerichtsgebühren in Höhe von insgesamt S 28.030,-- zur Zahlung vorgeschrieben.
Gegen diesen Zahlungsauftrag brachte die beschwerdeführende Partei einen Berichtigungsantrag ein und begehrte unter Berufung auf § 10 Z. 2 des Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetzes 1962, BGBl. Nr. 289 (GJGebG) die Aufhebung des Zahlungsauftrages mit der Begründung, die Entsorgung des Wiener Klärschlammes sei eine Kommunalaufgabe, die zum öffentlich-rechtlichen Wirkungskreis der Stadt Wien gehöre und durch die Magistratsabteilung 30 besorgt werde. Wegen der Kostentragung für die Abwasserbeseitigung habe sie ein rechtliches Interesse am Ausgang des Zivilprozesses gehabt.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag keine Folge. Sie führte dazu nach Darstellung des Sachverhaltes und des Verwaltungsgeschehens zur Begründung aus, aus dem Umstand, daß die Beseitigung des Klärschlammes eine öffentlich-rechtliche Aufgabe der beschwerdeführenden Partei sei, könne nicht abgeleitet werden, daß die Anschaffung der technischen Hilfsmittel, die benötigt werden, um diese öffentlich-rechtliche Aufgabe zu erfüllen, ebenfalls im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises erfolge. Die Beschaffung der notwendigen materiellen Grundlagen für die Hoheitsverwaltung (Gebäude, Beheizung, Beleuchtung, Büromaterialien etc.) sei geradezu der Prototyp der Tätigkeit der Privatwirtschaftsverwaltung und erfolge auf Grund der Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. Hingegen werden die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Wirkungsbereiches im Regelfall durch Rechtsakte erfüllt, die dem öffentlichen Recht zuzurechnen seien und nur ausnahmsweise - soweit z.B. zulässigerweise (richtig wohl zu ergänzen: eine solche Aufgabe durch Auftrag oder Bevollmächtigung einem anderen) Rechtssubjekt übertragen werde - durch privatrechtliche Vereinbarung. Da die Anschaffung der Klärschlammbeseitigungsanlage Simmering nur die Anschaffung eines technischen Hilfsmittels für die Erfüllung der öffentlichrechtlichen Aufgabe der beschwerdeführenden Partei sei, könne dies rechtlich nicht anders qualifiziert werden, als etwa der Ankauf von Schreibpapier durch die mit der Erfüllung dieser Aufgabe betraute Magistratsabteilung. Die beschwerdeführende Partei sei zur Wahrung ihrer privatrechtlichen Interessen dem Streit als Nebenintervenient beigetreten und könne daher die beantragte Gebührenbefreiung nicht in Anspruch nehmen.
Dagegen richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Von der ihr eingeräumten Möglichkeit, eine Gegenschrift zu erstatten, machte sie keinen Gebrauch. Der Gerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Partei nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Befreiung von den Gerichtsgebühren nach § 10 Z. 2 GJGebG verletzt. In Ausführung des so aufzufassenden Beschwerdepunktes trägt sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides im wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid bestreite nicht, daß die Beseitigung des Klärschlamms aus den Kanalanlagen zu den öffentlich-rechtlichen Aufgaben der beschwerdeführenden Partei gehöre. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergebe sich aus den Bestimmungen des Gesetzes vom 21. Oktober 1955 über Kanalanlagen und Einmündungsgebühren, LGBl, für Wien Nr. 22/1955. Die Abwasserbeseitigung, zu welcher auch die Beseitigung (Entsorgung) des Klärschlamms gehöre, sei dem öffentlich-rechtlichen Wirkungskreis der beschwerdeführenden Partei zuzurechnen, weil eine gesetzliche Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung bestehe, der sich die beschwerdeführende Partei nicht entziehen könne. Es könne als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden und ergebe sich überdies aus den Prozeßakten des Handelsgerichtes Wien, daß über die Kanalanlagen der beschwerdeführenden Partei die Abwässer zur Hauptkläranlage der Magistratsabteilung 30 in Simmering geleitet werden und in der prozeßgegenständlichen Anlage die Entwässerung, teilweise Trocknung und schließlich die Verbrennung erfolge. Wenn die belangte Behörde den Eintritt als Nebenintervenient von der Gebührenfreiheit deshalb ausschließe, weil dem rechtlichen Interesse eine privatrechtliche Vereinbarung zugrunde liege, so sei diese Ansicht irrig; die Befreiungsbestimmung des § 10 Z. 2 GJGebG hätte überhaupt keinen Anwendungsbereich, so führte die beschwerdeführende Partei im Zusammenhang weiter aus, wenn zivilrechtliche Ansprüche von ihr ausgenommen wären. Die Befreiung von Gerichtsgebühren setze vielmehr eine Zivilrechtssache voraus. Vor die ordentlichen Gerichte kämen ja nur bürgerliche Rechtssachen. Die Nebenintervention durch die beschwerdeführende Partei sei in Wahrnehmung ihrer vertraglichen Rechte und Pflichten erfolgt.
Die Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 10 Z. 2 GJGebG waren von der Zahlung der Gebühren die übrigen (d.h. die nicht schon in Z. 1 genannten Rechtssubjekte) Gebietskörperschaften im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises befreit.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits wiederholt mit der Auslegung dieser Gesetzesstelle befaßt und in seinen Erkenntnissen vom 25. Februar 1963, Zl. 513/61, Slg. Nr. 2.809/F (insbesondere S. 166 unten, S. 167 oben), vom 25. September 1970, Zl. 677/70, vom 20. Oktober 1972, Zl. 1583/71, und vom 6. März 1975, Zl. 2205/74, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird, dargetan, daß die Anwendung dieser Bestimmung, die den übrigen Gebietskörperschaften (sc. Länder, Gemeinden) eine persönliche Gebührenbefreiung einräumte, voraussetzte, daß die Gebietskörperschaft eine Tätigkeit entfaltet, zu der sie in Besorgung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben unmittelbar durch Gesetz verpflichtet ist.
Der so erkannte normative Gehalt des § 10 Z. 2 GJGebG ist auch im vorliegenden Beschwerdefall von rechtlichem Gewicht.
Gemäß § 5 Abs. 1 des obzitierten Gesetzes vom 21. Oktober 1955 über Kanalanlagen und Einmündungsgebühren obliegt die Herstellung und Instandhaltung der Straßenkanäle, worunter nach der Anordnung des § 1 Abs. 1 leg. cit. Mischwasser-, Schmutzwasser- und Regenwasserkanäle zu verstehen sind, der Stadt Wien. Sie handelt bei dieser ihr durch das öffentliche Recht auferlegten Verpflichtung im Rahmen ihres eigenen öffentlichrechtlichen Wirkungskreises (vgl. § 16 Abs. 1 des zitierten Gesetzes).
Auch die belangte Behörde geht in dem angefochtenen Bescheid davon aus, daß die Beseitigung des Klärschlamms im Rahmen der Hoheitsverwaltung betrieben wird und eine öffentlich-rechtliche Aufgabe der belangten Behörde ist. Sie vermeint allerdings, daß dies auf die Anschaffung der zur Erfüllung dieser Aufgabe erforderlichen technischen Hilfsmittel (Versorgungsanlage) nicht zuträfe.
Diese Auffassung der belangten Behörde erweist sich als rechtswidrig.
Der Gerichtshof ist mit der beschwerdeführenden Partei der Meinung, daß ihre prozessuale Tätigkeit, die zum Ziel hatte, ein klagloses Funktionieren jener Sachgüter (Betriebsvorrichtungen und maschinelle Anlagen der Klärschlamm- und Sonderabfallbeseitigungsanlage) sicherzustellen, sich als eine Maßnahme darstellt, die ihr durch das Gesetz vom 21. Oktober 1955 zugewiesen wird, nämlich für die Instandhaltung der Straßenkanäle Sorge zu tragen. Denn unter Instandhaltung der Straßenkanäle ist nicht nur die faktische Instandhaltung, sondern auch das rechtliche Durchsetzen als begriffsnotwendige Voraussetzung der faktischen Instandhaltung zu verstehen.
Die Prozeßtätigkeit der beschwerdeführenden Partei als Nebenintervenient auf Seite der klagenden Partei Entsorgungsbetriebe Simmering Gesellschaft m.b.H. & Co KG. diente somit einer Aufgabe, zu der sie in Besorgung ihrer öffentlichrechtlichen Aufgaben verpflichtet war und fällt daher in den öffentlich-rechtlichen Wirkungskreis (vgl. im Zusammenhang auch SZ 50/159; OGH 15.5.1979, 1 Ob 18/79; JBl 1980, 146; EvBl 1982/67), weshalb sich die Versagung der der beschwerdeführenden Partei durch § 10 Z. 2 GJGebG garantierten persönlichen Gebührenfreiheit als mit der Rechtslage nicht im Einklang stehend erweist.
Daher mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Diese Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat erfolgen.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Wien, am 13. März 1986
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