Normen
BDG 1979 §10;
BDG 1979 §14;
BEinstG §8 Abs2;
BEinstG §8;
PG 1965 §3 Abs1;
PG 1965 §8 Abs1;
VwRallg;
BDG 1979 §10;
BDG 1979 §14;
BEinstG §8 Abs2;
BEinstG §8;
PG 1965 §3 Abs1;
PG 1965 §8 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit darin die Unanwendbarkeit der §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 festgestellt wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Gendarmeriebeamter seit 1. Jänner 1985 in einem provisorischen Dienstverhältnis zum Bund.
Am 23. Jänner 1987 unternahm der Beschwerdeführer gegen
8.40 Uhr während eines Patrouillendienstes auf dem Gendarmerieposten T. durch Abgabe eines Schusses mit der Dienstpistole in den Kopf einen Selbstmordversuch, der den amtsärztlich festgestellten Mangel der körperlichen und geistigen Eignung für den Gendarmeriedienst zur Folge hatte. Der Beschwerdeführer wurde wegen der Folgen der Schußverletzung auch unter Sachwalterschaft gestellt (zuletzt mit Beschluß des Bezirksgerichtes Aspang vom 13. Oktober 1988 - eingeschränkt auf die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Sozialversicherungsträgern).
Mit Bescheid vom 17. August 1987 sprach das Landesgendarmeriekommando Niederösterreich (Dienstbehörde erster Instanz) gemäß § 10 Abs. 4 Z. 2 BDG 1979 wegen des Mangels an körperlicher und geistiger Eignung nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens die Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers (mit Wirksamkeit vom 30. September 1987) aus. Nachdem der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung erhoben hatte, stellte das Landesinvalidenamt für Niederösterreich auf Grund eines von ihm gestellten Antrages mit Bescheid vom 21. April 1988 die Behinderteneigenschaft des Beschwerdeführers gemäß §§ 2 und 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) (MdE 80 v.H.; mit Wirksamkeit ab 1. April 1988) fest. Dessen ungeachtet wies der Bundesminister für Inneres - ohne Durchführung eines Verfahrens nach § 8 BEinstG - die Berufung des Beschwerdeführers im Kündigungsverfahren ab, änderte jedoch den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung auf 31. Juli 1988 ab. Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde wurde mit hg. Beschluß vom 12. Dezember 1988, Zl. 88/12/0150, wegen Klaglosstellung eingestellt, nachdem zuvor der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 6. Oktober 1988 den Bescheid vom 22. Juli 1988 nach § 68 Abs. 2 AVG aufgehoben hatte. Damit wurde die im Kündigungsverfahren vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wieder anhängig.
Bereits zuvor hatte der Bundesminister für Inneres am 12. August 1988 beim Behindertenausschuß beim Landesinvalidenamt für Niederösterreich den Antrag gestellt, der (ausgesprochenen) Kündigung nachträglich gemäß § 8 BEinstG die Zustimmung zu erteilen.
Den in der Folge vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Ruhestandsversetzung (siehe dazu unten) nahm der Behindertenausschuß jedoch zum Anlaß, das bei ihm anhängige Verfahren nach § 8 BEinstG mit dem an die Dienstbehörde erster Instanz gerichteten Bescheid vom 10. Juli 1989 gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung im Ruhestandsversetzungsverfahren auszusetzen. Dagegen erhob die Dienstbehörde erster Instanz Berufung. Unabhängig davon begehrte das Bundesministerium für Inneres mit Antrag vom 16. Juli 1989 beim Landeshauptmann von Niederösterreich den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über den von ihm gestellten Antrag vom 12. August 1988. Beide beim Landeshauptmann von Niederösterreich nach dem Behinderteneinstellungsgesetz anhängigen Verfahren waren im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Ruhestandsversetzungsverfahren noch nicht abgeschlossen.
Mit Schreiben vom 17. April 1989 stellte der Beschwerdeführer bei der Dienstbehörde erster Instanz den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand nach § 14 Abs. 1 Z. 1 und 2 BDG 1979. Er begründete dies im wesentlichen damit, er sei seit 23. Jänner 1987 auf Grund der Schußverletzung dauernd dienstunfähig, seit mehr als einem Jahr als Folge dieser Verletzung vom Dienst abwesend und weiterhin dienstunfähig. Er könne weder derzeit noch in absehbarer Zeit die im Gendarmeriedienst notwendigen Tätigkeiten versehen und keiner sonstigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Er weise eine ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit von mehr als fünf, jedoch weniger als zehn Jahren auf. Auf ihn sei jedoch § 8 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (im folgenden PG) anzuwenden, da er die Schußverletzung nicht vorsätzlich herbeigeführt habe und sein Vorsatz nicht auf die Herbeiführung seiner Dienstunfähigkeit gerichtet gewesen sei. Es bestehe daher ein Anspruch auf Ruhegenuß gemäß § 3 Abs. 1 PG.
Mit Bescheid vom 19. Juni 1989 gab die Dienstbehörde erster Instanz diesem Antrag des Beschwerdeführers keine Folge,
"weil Ihr provisorisches Dienstverhältnis nach einem von Ihnen am 23. Jänner 1987 verübten Selbstmordversuch (Kopfdurchschuß) wegen Mangels der körperlichen und geistigen Eignung für den Dienst in der österreichischen Bundesgendarmerie gemäß § 10 Abs. 4 Ziffer 2 im Zusammenhang mit Abs. 2 des BDG 1979 mit Ablauf des 30. November 1987 gekündigt wurde und daher Ihre Anwartschaft auf Pensionsversorgung gemäß § 2 Abs. 2 Punkt d) Pensionsgesetz 1965 erloschen ist. Darüber hinaus können für Sie die Bestimmungen des § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965 nicht zur Anwendung kommen, weil Ihre körperliche Beschädigung und die daraus resultierende Dienstunfähigkeit erwiesenermaßen von Ihnen vorsätzlich herbeigeführt wurde."
In der Begründung führte die Behörde im wesentlichen aus, nach der am 29. Juni 1987 durchgeführten Befundung durch den Gendarmeriearzt Dr. E leide der Beschwerdeführer am Zustand nach Schädelhirntrauma mit passageren Mittelhirnsyndrom und appalischem Syndrom mit anschließender rascher Remission und ausgeprägtem Frontalhirnsyndrom; es stelle sich bei ihm das Bild einer expressiven Aphasie ein. Nach der gesamten Befundlage (neurologische Befundberichte und gendarmerieärztlicher Befund) sei der Beschwerdeführer zum Außen- und Kanzleidienst, d.h. für den Exekutivdienst insgesamt, dauernd ungeeignet. Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens wies die Behörde darauf hin, wegen des Eintrittes des Mangels der körperlichen Eignung während des provisorischen Dienstverhältnisses bestehe kein Anspruch auf Ruhestandsversetzung; der Kündigung nach § 10 BDG 1979 komme der Vorrang zu. Zwangsläufig sei dadurch die Anwartschaft nach § 2 Abs. 2 lit. d PG erloschen. Zu § 8 Abs. 1 PG wies die Behörde darauf hin, die vorsätzliche Handlung des Beschwerdeführers sei nicht nur auf die Herbeiführung einer schweren Körperverletzung, sondern auf Tötung ausgerichtet gewesen. Dies hätte dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Ausbildung und dem Umgang mit Schußwaffen zweifelsfrei erkennbar sein müssen.
In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, der Hinweis auf § 2 Abs. 2 lit. d PG sei verfehlt, weil die Kündigung erst mit Zustimmung des Behindertenausschusses nach § 8 BEinstG wirksam werde. Die rechtliche Beurteilung nach § 8 Abs. 1 PG treffe aus den in seinem Antrag dargestellten Gründen nicht zu.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. August 1989 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge, änderte jedoch den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, daß die Ablehnung deswegen erfolgt sei, "weil in Ihrem Fall mit Kündigung nach § 10 Abs. 2 Z. 4 BDG 1979 vorzugehen ist und außerdem wegen Fehlens der Voraussetzungen die Bestimmungen der §§ 3 Abs. 1 bzw. 8 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, nicht angewendet werden können".
Begründend führte die belangte Behörde - soweit dies aus der Sicht des Beschwerdefalles von Bedeutung ist - im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer könne mangels der körperlichen und geistigen Eignung im Gendarmeriedienst nicht mehr verwendet werden. Obgleich die fehlende Dienstfähigkeit nicht bestritten sei, könne die vom Beschwerdeführer beantragte Versetzung in den Ruhestand nach § 14 Abs. 1 Z. 1 und 2 BDG 1979 nicht erfolgen. Im Falle konkurrierender Normen sei § 10 BDG 1979 nach dem Grundsatz der Spezialität der Vorrang einzuräumen. Der in § 10 BDG 1979 normierte Tatbestand "Mangel der körperlichen oder geistigen Eignung" schließe gegenüber der "Dienstunfähigkeit" im Sinne des § 14 BDG 1979 als weiteres Tatbestandsmerkmal das Faktum ein, daß der zitierte Mangel während eines provisorischen Dienstverhältnisses eingetreten sei. Das provisorische Dienstverhältnis habe den Zweck, Beamte vor dem Erlangen einer unkündbaren Stellung von der Verwendung, für die sie sich nicht eigneten, auszuschließen.
Die Verpflichtung der Dienstbehörde zur Anwendung des § 10 Abs. 4 Z. 2 BDG 1979 werde auch nicht dadurch beseitigt, daß seitens des Behindertenausschusses (bisher) noch keine Erledigung des Antrages auf Zustimmung zur Kündigung (nach § 8 BEinstG) erfolgt sei.
Was die Frage nach § 8 Abs. 1 PG betreffe, ob die Schußverletzung vorsätzlich herbeigeführt worden sei oder nicht, wies die belangte Behörde zum einen auf die Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde des Beschwerdeführers gegen ihren Kündigungsbescheid hin, in der der Beschwerdeführer selbst von einem Selbstmordversuch gesprochen habe. Im Vorsatz für Selbstmord sei denknotwendig ein Vorsatz zur Körperverletzung eingeschlossen. Nach der Literatur verstehe man unter einem Suizidversuch (Parasuizid) die absichtliche Selbstschädigung ohne tödlichen Ausgang. Deshalb sei § 8 Abs. 1 PG im Beschwerdefall nicht anwendbar; § 8 Abs. 2 PG käme von vornherein nicht in Betracht. Für die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 1 PG fehle es daher an der ruhegenußfähigen Gesamtdienstzeit des Beschwerdeführers von zehn Jahren. Prinzipiell sei jedoch - wie bereits dargestellt - der Grundsatz der Spezialität des § 10 BDG 1979 den sonstigen Überlegungen voranzustellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Über Ersuchen hat der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 14. Juni 1993 über den derzeitigen Verfahrensstand berichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) ist das Dienstverhältnis zunächst provisorisch.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann das provisorische Dienstverhältnis mit Bescheid gekündigt werden (Satz 1).
Kündigungsgründe sind nach § 10 Abs. 4 BDG 1979 unter anderem nach Z. 2 "Mangel der körperlichen oder geistigen Eignung".
Nach § 14 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er
- 1. dauernd dienstunfähig oder
- 2. infolge Krankheit, Unfalles oder Gebrechens ein Jahr vom Dienst abwesend und dienstunfähig ist.
Gemäß § 14 Abs. 3 BDG 1979 ist der Beamte dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.
Nach § 8 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) darf die Kündigung eines begünstigten Invaliden von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuß (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften sowie nach Anhörung des zur Durchführung des Landes-Behindertengesetzes jeweils zuständigen Amtes der Landesregierung zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.
Gemäß § 1 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG) regelt dieses Bundesgesetz die Pensionsansprüche der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen.
Nach § 3 Abs. 1 PG gebührt dem Beamten des Ruhestandes ein monatlicher Ruhegenuß, wenn seine ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit mindestens zehn Jahre beträgt.
Nach § 8 Abs. 1 PG ist der Beamte, der infolge einer von ihm nicht vorsätzlich herbeigeführten Krankheit oder körperlichen Beschädigung dienstunfähig geworden ist und dessen ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit noch nicht zehn, jedoch mindestens fünf Jahre beträgt, so zu behandeln, als ob er eine ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit von zehn Jahren aufzuweisen hätte.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Ruhestandsversetzung nach § 14 BDG 1979 durch unrichtige Anwendung dieser Norm in Verbindung mit § 10 BDG 1979 sowie §§ 3 und 8 PG, weiters durch unrichtige Anwendung der Verfahrensvorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG; §§ 37, 39 und 60 AVG) verletzt. Er habe durch das Ereignis vom 23. Jänner 1987 schwere Verletzungen mit psychischen Nachwirkungen, die sich allerdings langsam besserten, erlitten. Dennoch gehe auch er davon aus, daß er dauernd nicht exekutivdienstfähig sei.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, die belangte Behörde habe ihre Entscheidung primär auf den Vorrang der Kündigung nach § 10 Abs. 4 Z. 2 BDG 1979 gestützt. Abgesehen davon, daß mit Kündigung (bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes) zwar vorgegangen werden könne, aber nicht müsse, sei bei einem Behinderten die Kündigung erst bei Zustimmung des Behindertenausschusses nach § 8 BEinstG rechtswirksam. Erst wenn diese vorliege, könne gesagt werden, ob mit Kündigung vorgegangen werden könne. Es sei undenkbar vor diesem Zeitpunkt eine Entscheidung damit zu begründen, es sei mit Kündigung vorzugehen. Selbst wenn (im allgemeinen) ein Vorrang des § 10 BDG 1979 bestünde, gelte dies nicht im Beschwerdefall, weil der Behindertenausschuß die im freien Ermessen liegende Zustimmung nach § 8 BEinstG verweigern könne. Schon im Hinblick auf diese Möglichkeit habe das Dienstverhältnis des geschützten Behinderten einen anderen Charakter, sodaß in diesem Fall die §§ 10 und 14 BDG gleichrangig nebeneinanderstünden. Bevor die belangte Behörde nicht durch die Zustimmung des Behindertenausschusses das Recht zur Kündigung habe, könne sie auch keine Verpflichtung zur Kündigung treffen. Der Beschwerdeführer meint weiter, die Nichtanwendbarkeit des § 8 Abs. 1 PG sei zu Unrecht erfolgt, weil Mord- und Selbstmordversuch nicht gleichgesetzt werden könnten. Der potentielle Selbstmörder würde keinesfalls handeln, wenn er wüßte, daß er (noch dazu mit einer aus seinem Handeln resultierenden Beschädigung) weiterleben müßte. Die vorsätzliche Selbstbeschädigung könne mit den ungewollten Folgen eines Selbstmordversuches nicht gleichgestellt werden. Abgesehen davon erfolge ein Selbstmordversuch in einem psychischen Ausnahmezustand, sodaß die Vorsätzlichkeit des Handelns (im Sinne des § 8 Abs. 1 PG) in Frage zu stellen sei. Dies hätte (wenn überhaupt) nur durch ein medizinisches Sachverständigen-Gutachten beantwortet werden können.
Die Beschwerde ist im Ergebnis zum Teil berechtigt.
Vorab ist zu klären, worüber die belangte Behörde abgesprochen hat.
Auf Grund des Spruches des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der zu seiner Auslegung heranzuziehenden Begründung geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß zwei normative Absprüche vorliegen:
1) Die Abweisung des Ansuchens des Beschwerdeführers auf Versetzung in den Ruhestand nach § 14 BDG 1979 mit der Begründung des Vorranges des Kündigungsverfahrens nach § 10 BDG 1979 ("weil in Ihrem Fall mit Kündigung nach § 10 Abs. 2 Z. 4 BDG 1979 vorzugehen ist").
2) Die Feststellung der Unanwendbarkeit von Bestimmungen des PG, die im Ergebnis dazu führen würde, daß dem Beschwerdeführer kein Ruhegenuß gebührte ("und außerdem wegen Fehlens der Voraussetzungen die Bestimmungen der §§ 3 Abs. 1 bzw. 8 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, nicht angewendet werden können.")
ad 1) Zum Verhältnis Kündigungsverfahren (§ 10 BDG 1979) -
Ruhestandsversetzungsverfahren (§ 14 BDG 1979)
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides
- ein provisorisches Dienstverhältnis vorliegt
- der Beschwerdeführer zum Kreis der begünstigten Behinderten im Sinne der §§ 2 und 14 BEinstG gehört und
- er auf Grund der Folgeerscheinungen nach seinem Selbstmordversuch nicht exekutivdiensttauglich ist und die Wiedererlangung dieser Fähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist und
- die Behörde erster Instanz die Kündigung des Beschwerdeführers ausgesprochen hat, die mit Berufung bekämpft wurde und das Verfahren nach § 8 BEinstG noch nicht abgeschlossen war.
Es sind damit im Beschwerdefall auf Grund dieser Folgewirkungen des Selbstmordversuches des Beschwerdeführers sowohl das Tatbestandsmerkmal des Mangels der körperlichen oder geistigen Eignung im Sinne des § 10 Abs. 4 Z. 2 BDG 1979 als auch das Kriterium der Dienstunfähigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 und 3 BDG 1979 erfüllt. Die Bestimmungen über die Ruhestandsversetzung enthalten ihrem Wortlaut nach keine Einschränkung in die Richtung, daß sie nur auf Beamte anwendbar wären, deren öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis bereits definitiv geworden ist.
Was das Verhältnis der Kündigung zur Ruhestandsversetzung betrifft, so hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 16. Juni 1980, Zl. 1771/79, ausgesprochen, daß die Normenkollision nicht von der Rechtsfolgen- (daher geht der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Ermessenscharakter der Kündigung nach § 10 BDG 1979, soweit er daraus einen Vorrang der Ruhestandsversetzungsverfahren ableitet, ins Leere), sondern von der Tatbestandsseite her zu lösen ist. Denn gegenüber dem allgemeinen Tatbestand des dienstunfähigen Beamten, der den Fall der Dienstunfähigkeit auf Grund eines schweren körperlichen Leidens einschließt, enthält der § 10 BDG 1979, dessen Kündigungsgrund des Mangels der körperlichen Eignung gleichfalls den Fall eines schweren körperlichen Leidens einschließt, als weiteres Tatbestandsmerkmal den Umstand, daß der Mangel während des provisorischen Dienstverhältnisses eingetreten oder hervorgekommen ist. Die Vorschrift des § 10 BDG 1979 stellt sich somit in dem hier erörterten Bereich als eine Norm dar, der nach dem Grundsatz der Spezialität gegenüber den Bestimmungen der Versetzung in den Ruhestand der Vorrang zukommt. Dem entspricht es, daß für das provisorische Dienstverhältnis die Kündigungsmöglichkeit jenes Rechtsinstitut ist, das dieser vornehmlich der Ausbildung und Erprobung des Beamten dienenden Phase des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ihr besonderes Gepräge gibt.
Daran kann auch der Umstand, daß im Falle eines im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes begünstigt behinderten Beamten die Kündigungsbeschränkung nach § 8 BEinstG gilt (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1987, Zl. 86/12/0209 = Slg. Nr. 12539/A; Erkenntnis vom 16. Dezember 1992, Zl. 89/12/0018), nichts ändern. Solange nicht rechtskräftig feststeht, daß die Kündigung des provisorischen Beamten nach § 10 BDG 1979 mangels der erforderlichen Zustimmung des Behindertenausschusses nach § 8 Abs. 2 BEinstG nicht rechtswirksam verfügt werden kann, ist die bis dahin bestehende Normenkollision mangels jeglichen Hinweises für eine andere Vorgangsweise im Sinne des Vorranges des nach § 10 BDG 1979 durchzuführenden Verfahrens zu lösen.
Im Beschwerdefall ist die Dienstbehörde erster Instanz in diesem Sinn vorgegangen und hat im Rahmen des ihr nach § 10 BDG 1979 zukommenden Ermessens die Kündigung ausgesprochen und die für ihre rechtswirksame Verfügung erforderliche Zustimmung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz beantragt. Ob das Ermessen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles im Sinne des Gesetzes ausgeübt wurde bzw. die Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung durch Erteilung der Zustimmung nach § 8 BEinstG erlangt werden kann oder nicht, ist in diesem Fall nur im Verfahren nach § 10 BDG 1979 bzw. § 8 BEinstG zu entscheiden, nicht aber in dem auf Antrag des Beamten eingeleiteten Ruhestandsversetzungsverfahren nach § 14 BDG 1979 zu beurteilen. Die Abweisung des Ruhestandsversetzungsantrages des Beamten bindet jedoch die Behörden im Verfahren nach § 10 BDG 1979 bzw. § 8 BEinstG nicht (keine Vorwegnahme des Ergebnisses dieser Verfahren). Wird die Zustimmung nach § 8 BEinstG rechtskräftig versagt, fällt damit die Normenkonkurrenz weg und es bleibt lediglich die Möglichkeit einer Ruhestandsversetzung (bei Vorliegen von deren Voraussetzungen) offen. Eine zuvor ergangene rechtskräftige negative Entscheidung nach § 14 BDG 1979 steht der neuerlichen Durchführung eines Ruhestandsversetzungsverfahrens in diesem Fall nicht entgegen.
Die belangte Behörde hat die Rechtsfrage des Verhältnisses der Kündigung zur Ruhestandsversetzung im Beschwerdefall zutreffend gelöst, weshalb die Beschwerde insoweit nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
ad 2) Zur Unanwendbarkeit der §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 PG
In diesem Punkt ist die Beschwerde aus folgenden Gründen berechtigt:
Nach Wortlaut und Systematik des Pensionsgesetzes, dessen § 8 Abs. 1 eine den Beamten begünstigende Regelung enthält, wirkt sich diese Norm über die ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit auf den in § 3 Abs. 1 PG geregelten Anspruch des BEAMTEN DES RUHESTANDES aus. In diesem Sinn haben Gebetsroiter/Grüner, Das Pensionsgesetz2, Fußnote 1 zu § 8 PG, Seite 127, zutreffend ausgeführt, die Vorschrift des § 8 sei nur anwendbar, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden ist.
Da aber im Beschwerdefall der Antrag des Beschwerdeführers zutreffend abgewiesen wurde (siehe oben Punkt 1), liegen die Voraussetzungen für ein Verfahren nach §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 PG (derzeit) nicht vor, sodaß der den (potentiellen) Ruhegenuß betreffenden Aussage der belangten Behörde schon deswegen die Grundlage fehlt. Darüberhinaus wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, unter Bedachtnahme auf die Umstände des Beschwerdefalles durch weitere Erhebungen, insbesondere die Einholung eines (fach)ärztlichen Sachverständigen-Gutachtens, zu klären, ob überhaupt von einem vorsätzlichen Handeln des Beschwerdeführers (iS des § 8 Abs. 1 PG) ausgegangen werden kann. Die von der belangten Behörde lediglich abstrakt angestellten Überlegungen reichen für die von ihr getroffene Feststellung nicht aus.
Es war daher aus den obigen Gründen der angefochtene Bescheid, soweit er die Unanwendbarkeit der §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Pensionsgesetz feststellt wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, weil die Möglichkeit einer in der Zukunft liegenden Rechtswirkung dieser Feststellung (trotz ihrer zeitlichen Begrenztheit) nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann; im übrigen war jedoch die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 50 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
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