VwGH 89/10/0202

VwGH89/10/020226.2.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 9. August 1989, Zl. Vd-San-14.670/4, betreffend Übertretung nach dem Lebensmittelgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
LMG 1975 §2;
LMG 1975 §20;
LMG 1975 §74 Abs5 Z3;
VStG §19;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs2;
LMG 1975 §2;
LMG 1975 §20;
LMG 1975 §74 Abs5 Z3;
VStG §19;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Strafausspruches und der Kostenvorschreibung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 9. August 1989 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 in Verbindung mit § 20 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG) schuldig erkannt. Die ihm zur Last gelegte Tat wurde im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 wie folgt umschrieben:

"Wie bei der am 23. 2. 1988 im Bäckereibetrieb des Herrn N in O vom zuständigen Lebensmittelkontrollorgan festgestellt wurde, hat Herr N durch Unterlassung der Reinigung von Backstube, Gärraum und Lagerräumen sowie verschiedener Maschinen (Semmelmaschine und Brotschneidemaschine) sowie durch Unterlassung von möglichen und zumutbaren Vorsichtsmaßregeln (insbesondere durch Unterlassen des Abstellens von Brotkörben auf sauberen Unterlagen), nicht dafür vorgesorgt, daß die von ihm erzeugten Lebensmittel (insbesondere Semmel- und Knödelbrot) durch äußere Einwirkung (alte verkrustete Teigreste, Bodenabrieb, länger nicht entfernte Staubablagerungen, aber auch durch Sporen des Schimmelpilzes an der Gärraumtüre) nicht hygienisch nachteilig beeinflußt wurden."

Über den Beschwerdeführer wurde deshalb eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe 50 Stunden) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 LMG hat, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist.

Entgegen der - nicht näher begründeten - Behauptung des Beschwerdeführers verstößt der vorliegende Schuldspruch nicht gegen "§ 44a VStG" (gemeint offenbar: § 44a lit. a). Nach dieser Bestimmung hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Bei der Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 in Verbindung mit § 20 LMG handelt es sich um eine Begehung der Tat durch Unterlassung. Zur Konkretisierung des Tatvorwurfes ist daher die individualisierte Beschreibung jener Handlungen erforderlich, die der Täter hätte setzen müssen, und nach Ansicht der Behörde rechtswidrigerweise nicht gesetzt hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1983, Zl. 82/10/0191). Diesem Erfordernis entspricht der vorliegende Schuldspruch, wird darin doch dem Beschwerdeführer das Unterlassen der Reinigung von Backstube, Gärraum und Lagerräumen sowie verschiedener Maschinen (Semmelmaschine und Brotschneidemaschine), sowie das Unterlassen von möglichen und zumutbaren Vorsichtsmaßregeln (insbesondere das Unterlassen des Abstellens von Brotkörben auf sauberen Unterlagen) zur Last gelegt.

Der Beschwerdeführer meint, es würde ihm im Spruch des angefochtenen Bescheides unterstellt, daß die von ihm erzeugten Lebensmittel tatsächlich hygienisch nachteilig beeinflußt worden seien. Dafür hätten sich aber im Beweisverfahren keinerlei Anhaltspunkte ergeben und es fehlten auch die diebezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, weshalb der Sachverhalt zu Unrecht dem § 20 LMG unterstellt worden und der Spruch des angefochtenen Bescheides auch insofern unschlüssig sei.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß der Spruch infolge Verwendung des Hilfszeitwortes "wurden" (statt "werden") so verstanden werden könnte, als sei dem Beschwerdeführer damit eine tatsächlich eingetretene hygienisch nachteilige Beeinflussung der Lebensmittel vorgeworfen worden. Diese Auslegung verbietet sich indes im Hinblick auf die Begründung, aus der sich zweifelsfrei ergibt, daß dem Beschwerdeführer lediglich die Schaffung der abstrakten Möglichkeit einer hygienisch nachteiligen Beeinflussung zur Last gelegt worden ist. Es handelt sich demnach bei der in Rede stehenden Formulierung bloß um eine sprachlich nicht geglückte, mißverständliche Ausdrucksweise.

Zum Einwand des Beschwerdeführers, eine wörtliche Auslegung des § 20 LMG ergebe, daß die Schaffung einer bloß abstrakten Möglichkeit einer Beeinflussung nicht darunter subsumiert werden könne, ist auf das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1983, Zl. 83/10/0076, hinzuweisen. Dort hat der Gerichtshof ausgesprochen, daß zum objektiven Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung die ABSTRAKTE Gefahr der hygienisch nachteiligen Beeinflussung durch äußere Einwirkung gehört und daß die Behörde lediglich eine der Möglichkeiten abstrakter Gefährdung nachzuweisen hat. Der Gerichtshof sieht sich auch aus der Sicht des vorliegenden Falles nicht veranlaßt, davon abzugehen. Die abstrakte Gefahr der hygienisch nachteiligen Beeinflussung der Lebensmittel hat die belangte Behörde ausreichend dargetan. Eine tatsächliche Beeinträchtigung wurde dem Beschwerdeführer, wie bereits dargetan, entgegen seiner Behauptung nicht angelastet.

Mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe sich "auf Scheinbegründungen zurückgezogen" und es fänden sich keine Anhaltspunkte für eine ungenügende Reinigung der im Spruch genannten Maschinen, wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt (vgl. für viele das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053), schließt die gemäß § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG 1950 eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h. ob sie unter anderem den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. In dieser Hinsichtlich wesentliche Mängel führen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Ob aber ein Akt der Beweiswürdigung richtig in dem Sinn ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen.

Dazu ist vorweg klarzustellen, daß unter dem Vorwurf, der Beschwerdeführer habe die Reinigung der im Spruch genannten Maschinen (Semmelmaschine und Brotschneidemaschine) unterlassen, im gegebenen Zusammenhang nichts anderes als das Nichtbeseitigen der dort vorhandenen Roststellen gemeint ist. Wesentliche Mängel im Sinne des vorhin Gesagten hat der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt und vermag auch der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Die belangte Behörde konnte den als erwiesen angenommenen, im Schuldspruch umschriebenen Sachverhalt unbedenklich auf den der Anzeige beigelegten Aktenvermerk über die Revision im Betrieb des Beschwerdeführers vom 23. Februar 1988 und die dabei angefertigten Fotos sowie auf die Aussagen der bei dieser Überprüfung anwesenden, als Zeugen vernommenen behördlichen Organe stützen. Wenn die belangte Behörde hiebei unter Berufung auf die besondere Schulung der Kontrollorgane und ihre Berufserfahrung sowie auf die Ablegung eines Diensteides ihrer Darstellung der im Betrieb des Beschwerdeführers vorgefundenen Situation mehr Glauben schenkte als der gegenteilig lautenden Verantwortung des Beschwerdeführers, widerspricht dies weder den Denkgesetzen noch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut.

Hinsichtlich der auf dem verunreinigten Boden abgestellten Behältnisse mit Semmeln bringt der Beschwerdeführer vor, diese Semmeln seien nicht Lebensmittel im Sinne des § 2 LMG, weil sie als Tierfutter vorgesehen gewesen seien. Dies sei ihm und seinen beiden Mitarbeitern selbstverständlich bekannt gewesen. Eine Pflicht, diese Ware als Tierfutter zu kennzeichnen, habe für ihn jedenfalls nicht bestanden.

Der Beschwerdeführer vermag auch damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem einen vergleichbaren Fall einer Übertretung nach dem Weingesetz betreffenden Erkenntnis vom 15. September 1986, Zlen. 86/10/0107-0110, ausgesprochen, daß dann, wenn Wein (oder ein weinähnliches Getränk) in einem Weinerzeugungsbetrieb vorgefunden wird, davon auszugehen ist, daß dieser - sofern keine in der Außenwelt in Erscheinung tretenden, objektiven Merkmale vorhanden sind, die diese Annahme verläßlich ausschließen lassen - an sich zum Verkauf bereitgehalten wird. Dieser Grundsatz kommt im Hinblick auf die vergleichbare Rechtslage auch im Anwendungsbereich des LMG zum Tragen. Werden demnach, so wie hier, in Betriebsräumen eines Lebensmittelbetriebes Lebensmittel vorgefunden, so ist davon auszugehen, daß sie - sofern keine in der Außenwelt in Erscheinung tretenden, objektiven Merkmale vorhanden sind, die diese Annahme verläßlich ausschließen lassen - auch tatsächlich als Lebensmittel (§ 2 LMG) in Verkehr gebracht werden. Daß solche Merkmale vorhanden gewesen seien, wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Davon abgesehen hat er selbst nie vorgebracht, daß als Lebensmittel vorgesehene Produkte anders als die in Rede stehenden Semmeln gelagert würden und daß deshalb insoweit die von der belangten Behörde angenommene Gefahr einer nachträglichen hygienischen Beeinflussung ausgeschlossen sei.

Die Beschwerde erweist sich somit, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet, als unbegründet.

In Ansehung der Strafbemessung wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie sei von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen, weil sie die Bilanz 1986 herangezogen habe, ohne die seither getätigten Investitionen in seinem Betrieb zu berücksichtigen, und weil sie den Beschwerdeführer nicht nach dem Alter seiner Kinder befragt habe. Er vermag damit schon deshalb keinen zur Aufhebung des Strafausspruches führenden, d.h. im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wesentlichen Verfahrensmangel darzutun, weil mangels konkreten Vorbringens nicht erkennbar ist, ob die belangte Behörde, hätte sie die vom Beschwerdeführer vermißten Ermittlungen vorgenommen, allenfalls zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

Berechtigt ist hingegen der Einwand, die belangte Behörde habe zu Unrecht eine einschlägige Vorstrafe als erschwerend berücksichtigt. Die belangte Behörde hat - so wie die Erstbehörde - angenommen, der Beschwerdeführer weise eine einschlägige Vorstrafe auf, und diesen Umstand bei der Strafbemessung ausdrücklich als erschwerend berücksichtigt. Dabei hatte sie die Strafverfügung der Erstbehörde vom 18. Juli 1984 im Auge. Nach dem Inhalt der (von der belangten Behörde ohne Erstattung einer Gegenschrift vorgelegten) Verwaltungsakten wurde jedoch das betreffende Strafverfahren am 10. März 1986 eingestellt. Durch die offensichtlich auf einem Irrtum beruhende Berücksichtigung einer nicht existenten einschlägigen Vorstrafe als Erschwerungsgrund hat die belangte Behörde den Strafausspruch mit Rechtswidrigkeit belastet (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1986, Zl. 86/10/0076, und vom 29. Dezember 1986, Zlen. 86/10/0132, 0146).

Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid im Umfang des Strafausspruches und der Kostenvorschreibung gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im übrigen ist die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Ersatz für Stempelgebühren konnte dem Beschwerdeführer nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Ausmaße zugesprochen werden, das sind S 360,-- für drei Ausfertigungen der Beschwerde, S 120,-- für die Vollmacht und S 120,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte